«Shwule Grüsse vom Balkan» (18) – Da schweigen die Lämmer
Ein deftiges Balkanessen für den Veganer
Aleksandar aus unserer Kolumne «Shwule Grüsse vom Balkan» möchte seinen neuen Freund mit nach Hause bringen. Mama Bogdana ist sich da noch nicht ganz sicher.
Die Elternberatung zu Aleks’ Coming-out ist nun länger her. Seitdem waren seine Eltern, Vater Cvetko und Mutter Bogdana, nicht mehr mit seinem Shwulsein konfrontiert. Bis Aleks Bogdana anruft und ihr die Ohren mit dem Namen Jascha okkupiert.
«Das bringt deinen Vater um!», reagiert Bogdana barsch auf Aleks’ Frage, ob er seinen neuen Freund ans nächste Familienessen mitnehmen dürfe. «Ah, ja? Wie mich die Konversionstherapie in Kroatien?», kontert Aleks am anderen Ende. «Seid ihr nicht einfach froh, dass ich noch lebe, nachdem wir zwei in Dalmatien verunglückt sind – nur wegen deiner Homoheilung? Und gehört zum Leben nicht auch die Liebe dazu – egal, welcher Art?»
Aleks hat ja recht, denkt sich Bogdana. Dennoch schweigt sie eisern und zupft nervös an den Bügelfalten der Hemden, die sie während Aleks’ Anruf für Cvetko bügelt. «Und wie stellst du dir das vor? Du bringst den Typ zum nächsten Sonntagsessen mit oder was?» «Ja, was wäre schon dabei?», fragt Aleks hoffnungsvoll, «zudem ist er nicht bloss ein Typ, sondern mein Freund.» Bogdana ringt nach Luft, als übte ein trockenes Stück Cevapcici einen Spagat in ihrem Hals. Als sie wieder Luft bekommt, bügelt sie schweigend weiter, das Handy immer noch zwischen Schulter und Wange eingequetscht.
Sie kann sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ihr Sohn einen Kerl nach Hause schleppt, geschweige denn mit ihm im Bett … Sie will sich sowas gar nicht vorstellen. Aber die Bilder in ihrem Kopf haften wie der frisch aufgetragene Teer eines Gehwegs, der sich an den Schuhsohlen festsetzt, sobald man ihn betritt.
Und dieses Nachknatschen an den Sohlen manifestiert sich nun auch in ihrer Hirnrinde – nur ist Jascha der Teer, der in ihrer Fantasie permanent an Aleks’ Hintern klebt. «Darf ich Jascha nun einladen oder nicht?» Aleks wird zunehmend ungeduldig. «Meinetwegen», bröckelt es aus ihrer Kehle heraus. «Super, danke Mama.»
Bogdana legt auf, nachdenklich, aber irgendwie auch entzückt: Wann hatte er sie das letzte Mal «Mama» genannt? Und vor allem, wie er «Mama» gesagt hat – wie früher, als er noch ein Junge war. Ein Cocktail an Glückshormonen torpediert gerade ihr Mutterherz, was sie dazu beflügelt, ein deftiges Balkanessen für den Sonntag zuzubereiten, natürlich mit viel Fleisch.
Dabei ist Jascha Veganer. Aleks liebt ihn zwar abgöttisch, nervt sich aber, weil er beim Ausgehen stets vegane Lokale erspähen darf. Aber immerhin: Seit er mit Jascha zusammen ist, hat er stark abgenommen. Nur in schwachen Momenten schleicht er sich aus seiner Zweizimmerwohnung in Zürich heraus und überfällt dann den nächsten Imbissstand, um sich fettige Burger und Pommes reinzudonnern.
Bogdana weiss davon nichts. So hat sie ein «tierisches» Festmahl gekocht, an dem ihr Aleks gleich Jascha vorstellen wird, der halb Russe, halb Slowene ist. Was Aleks wiederum nicht weiss: Sie mag weder Russen noch Slowenen. Erstere seien ihr zufolge grosskotzig, Letztere spitzfindig. Sie sei keine Rassistin, würde sie sich an dieser Stelle verteidigen, aber das kenne sie so von der Arbeit und mag Leute mit solchen Attitüden nicht.
Die Türklingel ertönt. Bogdana öffnet, ihre Hände an der Kochschürze abwischend. «Hallo Mama, das ist Jascha», stellt Aleks seinen Freund vor. Sie lächelt süss-säuerlich:
Freut mich, ich bin Bogdana. Jascha ist ein schöner Name. Woher kommt er?
«Auch erfreut. Ich bin halb Russe, halb Slowene. Daher auch mein Name», erwidert Jascha ihre Begrüssung, während ihr Lächeln zu demjenigen der Grinsekatze aus Alice im Wunderland mutiert. Alen und Cvetko stossen dazu. Dabei umarmt Alen Jascha kumpelhaft. Cvetko sammelt indessen Luft wie ein Apnoetaucher vor einem neuen Weltrekordversuch, ehe er ein «herzlich willkommen» herauspresst.
«Ich hoffe, du magst Lamm», bittet Bogdana daraufhin Jascha ins Esszimmer und zeigt auf den stattlichen Lammbraten auf dem kitschig dekorierten Tisch. Jascha schweigt. «Ups … Habe ich am Telefon nicht erwähnt, dass Jascha Veganer ist?», stammelt Aleks verlegen. Alen lacht laut heraus, dafür schweigen Bogdana und Cvetko. Wie das Lamm, das auf dem Silbertablett drapiert liegt.
«Kein Problem – ich war früher auch ein Fleischtiger. Es gibt ja noch Salat, Kartoffeln, Ajvar und später bestimmt was Süsses», entschärft Jascha die peinliche Stille. Allerdings weicht Jascha im späteren Gespräch am Tisch häufig aus, als ihn Aleks’ Eltern nach seiner Familie und nach seinem Beruf fragen.
*Wir schreiben in dieser Kolumne «shwul» statt «schwul», um den Balkan-Slang wiederzugeben. Weitere Hintergründe zur Kolumne «Shwule Grüsse aus dem Balkan» erfährst du im Interview mit dem Autor Predag Jurisic.
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