«Shadow-Banning»: TikTok filtert queere Begriffe heimlich heraus

Dadurch werden vor allem jungen User*innen von wichtigen LGBTIQ-Informationen abgeschnitten

Das Logo der chinesischen App TikTok (Foto: Solen Feyissa / Unpslash)
Das Logo der chinesischen App TikTok (Foto: Solen Feyissa / Unpslash)

TikTok steht mal wieder in der Kritik. Grund: Die aus China stammende Social-Media-Plattform zensiert LGBTIQ-Begriffe. Kommentare mit bestimmten Worten werden jetzt auch in Deutschland nicht mehr angezeigt, wie NDR, WDR und Tagesschau herausfanden.

Laut Recherchen der öffentlich-rechtlichen Sender gehören «gay», «Heterosexuelle», «homo», «homophob», «homosexuell», «LGBTQ», «LGBTQI», «queer» und «schwul» zu den Worten, die in Februar dazu führten, dass User*innen-Kommentare auch nach mehrfachen Versuchen nicht angezeigt wurden. Das ist eine eindeutige Beschränkung der Meinungsfreiheit.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen bereits 2020 Recherchen des Australian Strategic Policy Institutes (ASPI). Diese hatten ergeben, dass TikTok im Hintergrund das Wort «schwul» in Sprachen wie Russisch, Ukrainisch, Bulgarisch, Arabisch sowie Bosnisch und Estnisch heimlich herausfilterte. Man bezeichnet das Unterdrücken von Inhalten – ohne entsprechendes Kenntlichmachen – als «Shadow-Banning», also als im Schatten oder Geheimen stattfindende Zensur. (MANNSCHAFT berichtete darüber, dass Disney-Stimmen bei TikTok das Wort «schwul» nicht sagen können.)

LGBTIQ-TikToker Maximilian Pichlmeier (Foto: Screenshot / Tagesschau)
LGBTIQ-TikToker Maximilian Pichlmeier (Foto: Screenshot / Tagesschau)

Der LGBTIQ-TikToker Maximilian Pichlmeier bestätigte dem NDR, WDR und der Tagesschau, dass bei ihm entsprechende Kommentare geblockt worden seien, ohne dass es ihm angezeigt worden wäre. Er sagt: «Das ist natürlich schwierig, wenn man sagt, man will Aufklärungsarbeit über Pornokonsum betreiben oder Aufklärungsarbeit übers Coming-out, da gehört der Begriff schwul selbstverständlich dazu.»

Um so etwas zu verhindern, plädiert Pichlmeier für mehr demokratische Kontrolle von Social-Media-Plattformen.

Schwammige Entschuldigung Allerdings weisen die Recherchenetzwerke darauf hin, dass nicht nur LGBTIQ-Begriffe von TikTok zensiert werden. Neben Wortfiltern für «Porno» oder «Sex» werden auch Inhalte eingeschränkt, die für das Regierung in Peking unangenehm sein könnten, heisst es. Zu diesen Inhalten gehöre beispielsweise der Name der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, die einen Parteifunktionär des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte – und dann für einige Zeit verschwand.

Auf Anfrage von NDR, WDR und Tagesschau bestätigte TikTok, dass konkrete Begriffe herausgefiltert worden seien. Das Unternehmen räumte daraufhin Fehler ein: «Wir sind uns darüber im Klaren, dass dieses Vorgehen in diesem Fall nicht zielgerichtet war, und wir arbeiten mit Hochdruck daran, unser Vorgehen zu überarbeiten.»

Wir sind uns darüber im Klaren, dass dieses Vorgehen in diesem Fall nicht zielgerichtet war

Man könnte diese Stellungnahme als bewusst schwammig bezeichnen. Es bleibt die Frage, warum unter den neu herausgefilterten Begriffen plötzlich so viele aus dem LGBTIQ-Bereich stammen. Denn: Offiziell zeigt sich TikTok gezielt offen gegenüber sexuellen Minderheiten. Eigenen Angaben zufolge fördert die Social-Media-Seite sogar Accounts aus der queeren Community. (MANNSCHAFT berichtete über queere Repräsentation bei TikTok.)

Kurz nachdem die Rechercheteams bei TikTok wegen der Zensur queerer Begriffe nachgefragt hatten, waren von ursprünglich 19 «nur» noch 11 Wörter gesperrt.

Besonders problematisch an der Geschichte ist, dass TikTok eine der beliebteste Social-Media-Apps bei jüngeren Menschen ist, die sich darüber nachrichtlich informieren. Diese Zielgruppe wird durch die Einschränkungen von wichtigen Informationen abgeschnitten. Und merkt das teils gar nicht.

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