Schwuler Flüchtling aus Iran soll abgeschoben werden
Deutschland will ihn nach Rumänien zurückschicken, weil er dort erstmals in der EU registriert wurde
In einer rumänischen Flüchtlingsunterkunft wurde der 26-Jährige beleidigt und bedroht, weil er schwul ist. Als er sich bei der Leitung des Camps beschwerte, teilte man ihm mit, man könne ihn nicht schützen.
Kenan* stammt aus Teheran, ist aus der islamischen Republik Iran geflüchtet. „Dort kann ich nicht leben, weil ich schwul bin“, sagt er. Als sich der heute 26-Jährige vor seiner Mutter geoutet hat, schickte sie ihn zum Arzt. An der Uni musste er sich exmatrikulieren, weil man dort eine Akte über ihn angelegt hatte, in der sich Fotos aus seinen Profilen in den Sozialen Netzwerken fanden, auch von einer Dating-App für schwule Männer.
Als er sich bei einem Gespräch mit dem Chef des Sicherheitsdienstes der Uni beschwerte und gegen das Vorgehen wehrte, wurde er geschlagen. Im Krankenhaus musste die Wunde mit sechs Stichen genäht werden. Seitdem trägt er eine Narbe am Hinterkopf.
Kenan floh über Rumänien nach Deutschland. Seit einem guten halben Jahr ist er hier, lebt in der Nähe von Mannheim, in einer Flüchtlingsunterkunft in Hockenheim. Dort hat er mittlerweile sogar einen schwulen Mitbewohner, wie er gegenüber Mannschaft erzählt. Der Iraner, der in seiner Heimat nach der Exmatrikulation als Dolmetscher gearbeitet hatte, lernt Deutsch und versucht, hier Fuß zu fassen. Doch sein Asylantrag wurde abgelehnt. Man will ihn nach Rumänien zurückschicken – dort war er zuvor von der Polizei verhaftet worden, man nahm seine Fingerabdrücke.
Erneute Ausgrenzung im Flüchtlingslager Nachdem man ihn in der Stadt Timisoara (deutsch: Temeswar) festgenommen hatte, brachte man ihn in einer Flüchtlingsunterkunft in der Stadt Rădăuți im Nordosten des Landes unter. Dort wurde er beleidigt und bedroht, weil er schwul ist. Als er sich bei der Leitung des Camps beschwerte, teilte man ihm mit, man könne ihn nicht schützen. Also beschloss Kenan, seinen Weg fortzusetzen und weiter nach Deutschland zu fliehen, um ein normales Leben führen zu können.
Doch sein Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt. Deutschland sei nicht zuständig, heißt es gemäß Dublin-Abkommen aus dem Jahr 2013, deshalb werde der Antrag nicht weiter geprüft.
Im Traumazentrum Karlsruhe wurde posttraumatische Belastungsstörung festgestellt In den Iran kann er nicht zurück, dort fürchtet er um sein Leben. Und nach Rumänien zu gehen, ist für ihn keine Option. Seine Anwältin, Fidan Kılıç aus Heidelberg, hat am 4. Juli gegen den ablehnenden Asylbescheid einen Eilantrag gestellt. Wie sie gegenüber Mannschaft erklärt, begründet sie ihre Klage damit, dass eine Abschiebung einen Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darstellt: Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Kenan habe zudem ein Attest vom Traumazentrum Karlsruhe, das eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt hat. Außerdem verweist seine Anwältin auf den Jahresbericht zur Menschenrechtslage in Rumänien. Dort ist von polizeilicher Willkür und Diskriminierung gegenüber LGBTIQ-Menschen die Rede.
Im Ablehnungsbescheid wurde daraufhingewiesen, dass die Unterbringungszentren in Rumänien „generell“ den EU-Standards entsprächen. Das darf man nach den Schilderungen Kenans ebenso bezweifeln wie die Behauptung des BAMF, Kenan müsse in Rumänien nicht befürchten, dass dort seine Grundrechte gemäß Artikel 3 EMRK verletzt würden.
Dem Hochkommissar des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), Filippo Grandi, zufolge werden in Rumänien Asylbewerber und andere Ausländer ohne Grund inhaftiert. Daher ist zu befürchten, dass nach Kenans Abschiebung nach Rumänien dort sehr wohl seine Grundrechte verletzt werden.
Seine Anwältin rechnet mit einer Entscheidung aus Karlsruhe bis Ende des Jahres.
* Name geändert
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