Regen­bogen-Logos nerven, Diversity-Ab­teilungen braucht es trotzdem

Um Vielfalt und Inklusion langfristig sicherzustellen, muss ein grosses Unternehmen sich dazu bekennen, mit Personal und Budget

Mitarbeitende des Techkonzerns Apple bei der San Francisco Pride. (Bild: Thomas Hawk, Flickr CC BY-NC 2.0)
Mitarbeitende des Techkonzerns Apple bei der San Francisco Pride. (Bild: Thomas Hawk, Flickr CC BY-NC 2.0)

Wenn es um Vielfalt und Inklusion geht, brauchen wir echtes Engagement und keine Trittbrettfahrer. Unser Co-Chefredaktor Print schreibt in seinem Kommentar* über schrumpfende Diversity-Teams.

Die Praktikant*innen in den Konzernen arbeiten gewissenhaft. Nachdem sie am 1. Juni zum Pridemonth die Profilbilder der Unternehmenskonten auf Social Media mit Regenbogenlogos ersetzt hatten, entfernten sie diese wieder pünktlich zum 1. Juli. Nur: Diesen Juli müssen jedoch nicht nur die Regenbogenlogos daran glauben, sondern gleich mehrere Diversity-Abteilungen.

Wie 20 Minuten berichtet, sind gerade viele Konzerne daran, ihre Ausgaben im Diversity-Bereich zu kürzen und Angestellte zu entlassen. Diversity sei nicht mehr «geschäftsrelevant», so ein Teamleiter bei Microsoft. Beim Techgiganten wurden zwei Stellen gestrichen. Den Rotstift ebenfalls angesetzt hatten gemäss 20 Minuten die Firmen Meta, Google, Zoom, John Deere sowie der TV-Sender CNN.

Über diese Entwicklung freuen sich natürlich konservative Kreise und die Internettrolle, die sich jährlich zum Pridemonth in ihren Social-Media-Kommentaren über die Regenbogenlogos echauffieren. Zugegeben: Über diese Regenbogenlogos bin ich zwiegespalten. Ist es für mich als queere Person nicht ermächtigend, wenn sich ein Unternehmen mit mir zum Pridemonth solidarisiert? Natürlich. Tut es das, weil es finanziell die Anliegen der LGBTIQ-Community unterstützt und sich für eine inklusive Unternehmenskultur einsetzt oder einfach so, weil es Pridemonth ist und ich – durch das Regenbogenlogo geblendet – eher mein Portemonee für ein Produkt oder eine Dienstleistung dieses Unternehmens öffne? Schwierig zu beantworten.

Nach einem langen Tag bei der diesjährigen Zurich Pride drückte mir in der Bahnhofshalle eine junge Frau im hippen Outfit einer Hautpflegemarke eine Tagescreme in die Hand. Ein Marketinggeschenk – gehalten in den Farben der Regenbogen- und der Trans-Fahne. «Happy Pride!», wünschte sie mir. Müde und in Eile, um meinen Zug zu erwischen, murmelte ich ein Dankeschön und packte die Creme ein. Erst später fragte ich mich: Hatte ich diese Hautpflegemarke irgendwo beim Umzug, beim Gelände, im Magazin oder auf der Website der Zurich Pride gesehen? Fehlanzeige. Es schien, dass die lokale Unterstützung dieser weltweit bekannten Marke lediglich darin bestand, bei der SBB einen Platz für Marketing-Aktivitäten in der Bahnhofshalle zu buchen.

Bei uns in der Redaktion hat sich jährlich zum Anfang des Pridemonth eine Tradition etabliert. Wir lästern. Vergleichbar etwa wie sich meine Tanten nach einem Familienfest oder einer Hochzeit über andere Verwandte auslassen. Nur lästern wir in der Redaktion nicht über schlechtes Essen, betrunkene Gäste oder missratene Outfits, sondern über Firmen, die sich plötzlich im Regenbogengewand präsentieren. Firmen, denen wir Monate zuvor eine Offerte für ein Inserat oder einen Werbebanner zugestellt hatten, und die uns dann eine Absage erteilten mit dem Grund: «Diese Zielgruppe ist für uns nicht relevant».

Nach bald 15 Jahren im Geschäft haben wir ein gutes Gespür dafür, welche Unternehmen sich tatsächlich um das Wohl der queeren Community scheren, denn bei diesen Unternehmen geht das Engagement über ein Regenbogenlogo vom 1. bis 30 Juni hinaus. Wir brauchen keine Trittbrettfahrer. Gefragt sind Unternehmen, die sich im Rahmen von Diversity langfristig für eine inklusive Firmenkultur einsetzen, Geld für lokale Non-Profit-Organisationen spenden und die queere Community unterstützen. In der Schweiz zeichnet übrigens das Swiss LGBTI-Label Unternehmen in der Schweiz für eine LGBTIQ-freundliche Firmenkultur aus.

Regenbogenlogos müssen nicht unbedingt sein, Diversity-Teams aber schon. Gefragt sind Fachpersonen, die innerhalb von Konzernen sicherstellen, dass der schwule Sachbearbeiter von seinem Wochenende mit dem Partner erzählen kann oder dass eine trans Frau auch nach der Transition einen Platz im Unternehmen hat. Ich bin überzeugt, dass es einer Firma besser geht, wenn sich alle Mitarbeitenden am Arbeitsplatz wohl fühlen. Und ebenso bin ich überzeugt, dass eine lesbische Südländerin in einer Chefetage voller weisser heterosexueller Männer nebst ihrer Fachkompetenz auch andere Perspektiven einbringt, wovon ein ganzes Unternehmen profitieren kann. Um Vielfalt und Inklusion langfristig sicherzustellen, muss ein grosses Unternehmen sich dazu bekennen, dazu gehören Personal und Budget.

Was es ebenfalls braucht, ist Transparenz. Dazu muss man gar nicht erst eine grosse Firma sein. Letztes Jahr kündigten im Pridemonth mehrere Restaurants in grossem Stil «Pride-Brunches» mit Dragqueens an. Was mit dem Erlös der Einnahmen geschah, war nicht klar. Die Kleinbäckerei in Bern verkaufte Regenbogengebäck. Ein kleines Schild daneben machte mit handgeschriebener Schrift deutlich, dass ein Prozentsatz des Erlöses dem queeren Berner Verein zugute kommt. Und dort kaufte ich schliesslich meine Brötchen.

Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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