Sorge vor rechter Mobilmachung zu Dragqueen-Lesung in Wien
Am Sonntag wollen Identitäre und Faschisten aufmarschieren
Unter dem Motto «Ohne Vielfalt keine Demokratie!» lud die LGBTIQ-Intergroup des Parlaments am Dienstag Abend zu einem Empfang. Dort ging es auch um die bevorstehende Dragqueen-Lesung und die Anfeindungen von rechts.
Am Sonntag findet eine weitere Dragqueen-Lesung in Wien statt. Veranstaltunge wie diese sind seit einiger Zeit hoch umkämpft: Identitäre, Neonazis, christliche Eiferer und von den Corona-Demonstrationen bekannte Gesichter wollen zusammen gegen die Kinderbuchlesung in der Türkis-Rosa-Lila-Villa in Wien aufmarschieren, schreibt der Standard. Es könnte eine grosse Kundgebung werden, da auch Teile der FPÖ mobilisierten. Das LGBTIQ-Zentrum war bereits Ende März angegriffen worden (MANNSCHAFT berichtete).
Eine der angefeindeten Dragqueen ist Candy Licious, unsere Queero-Gewinnerin 2022. Die LGBTIQ-Community sei in ihrer Vielfalt und mit ihren Unterschieden ein Teil der Gesellschaft, der sich nicht einfach aus dem öffentlichen Leben verdrängen lasse, erklärte die Dragqueen bei Instagram.
«Keine Minderheit hat in den letzten Jahrzehnten dermassen viele gesellschaftlichen Fortschritte umgesetzt: Von Adoptions- und Reproduktionsrechten, zur Ehe für alle, Anerkennung von queeren Geflüchteten als Konventionsflüchtlinge, Entpathologisierung von trans Personen u.v.a.m. Diese Erfolge verbreiten Nervosität bei den Rechten und Konservativen, die immer mehr an Terrain verlieren und merken, dass die Akzeptanz gegenüber LGBTIQ in der Gesellschaft hoch ist.»
Wie auf dem Account von Nofundis_Wien nachzulesen ist, rufen die rechtsextreme Gruppen und Personen zu Störaktionen vor und in der Lesung auf und fordern in ihren Kanälen dazu auf, Tickets zu kaufen, um die Veranstaltung zu stören.
Abermals zeigen diese absurden Proteste, dass es dieser rechten Bewegung nicht um den Schutz der Kinder geht, sondern darum, Werte wie Respekt, Vielfalt und Akzeptanz zu zerstören.
Der Landtagsabgeordnete Thomas Weber und LGBTIQ-Sprecher der NEOS Wien hat «schockiert» reagiert. «Hass, Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen haben in unserer Stadt keinen Platz. Abermals zeigen diese absurden Proteste, dass es dieser rechten Bewegung nicht um den Schutz der Kinder geht, sondern darum, die Werte Respekt, Vielfalt und Akzeptanz als Grundsäulen unserer liberalen Gesellschaft zerstören zu wollen», so Weber.
Er erwarte, «dass sich die Landespolizeidirektion Wien der aktuellen Bedrohungssituation bewusst ist und es macht mich traurig, dass hier die Polizei gefordert ist, für einen einen reibungslosen Ablauf bei der Lesung in der Türkis Rosa Lila Villa zu sorgen.»
Die angekündigten Demonstrationen vor der Türkis-Rosa-Lila-Villa in Wien waren auch am Dienstagabend Thema bei der Veranstaltung «Ohne Vielfalt keine Demokratie!», zu der die LGBTIQ-Intergroup des Parlaments geladen hatte. Hier würden «rote Linien» überschritten, kritisierte Mario Lindner (SPÖ) und forderte, dass sich die Politik dagegen stellen müsse. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) forderte, die Einrichtung mit einer Sperrzone vor «Identitären, Faschisten und Rechtsextremisten» zu schützen.
Bisher, so die Grünen, sei noch nicht klar, wie die Polizei gewährleisten wolle, dass Kinder und ihre Familien ungestört und sicher zu und von der Lesung kommen können. Es fehlten notwendige Sicherheitsvorkehrungen seitens der Polizei und der Stadt.
Vertreter*innen der LGBTIQ-Community konnten bei dem Empfang im direkten Austausch mit Parlamentarier*innen ihre Anliegen vorbringen. Im Mittelpunkt standen Massnahmen, um die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, bisexuellen, inter, trans und queeren Personen in Österreich zu verbessern.
Ein wichtiger Ort im Herzen der Community wird zur Zielscheibe.
Vertreter*innen der Zivilgesellschaft wiesen in einer Talkrunde auf Handlungsfelder hin. Mehr Partizipation von betroffenen Menschen in politischen Entscheidungsprozessen forderte Valerie Lenk vom Verein TransX. Lenk thematisierte auch die für Sonntag angekündigte Demonstration und forderte die Politik auf, hier Grenzen zu setzen. Ein wichtiger Ort im «Herzen der Community» werde zur Zielscheibe, kritisierte auch Ann-Sophie Otte, Obfrau des Vereins HOSI Wien, und forderte Massnahmen für eine wertschätzende Kommunikationsbasis.
Joe Niedermayer, Vorsitzender der RosaLila PantherInnen Steiermark, machte die oftmalige Politikverdrossenheit in der Community als Problem aus und forderte die Politik auf, kein «politisches Kleingeld» zu Lasten der Community zu machen. Tinou Ponzer, Obmensch vom Verein inter Menschen Österreich, forderte, dass die Politik sich mehr den Rechten von inter Menschen, insbesondere dem Schutz von inter Kindern, annehmen soll.
In den USA blockiert ein Richter ein Gesetz gegen Auftritte von Dragqueens. LGBTIQ fürchten weitere Gewalt durch das Vorhaben (MANNSCHAFT berichtete).
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