Pascal Pajic: «Schwuler Jugo» und Bündner Persönlichkeit des Jahres
Pascal erzählt, was diese Auszeichnung so bedeutend macht
Nach einem dramatischen Coming-out mit 19 begann Pascal Pajic, sich für die LGBTIQ-Community zu engagieren. Jetzt wurde Pascal zur Bündner Persönlichkeit des Jahres gewählt, was nicht allen passt.
«Vor zehn Jahren wäre es noch unmöglich gewesen, dass eine Person wie ich – ein schwuler, non-binärer, linker Unterschichtsjugo – einen Preis wie die Auszeichnung zur Bündner Persönlichkeit des Jahres gewinnt», sagt Pascal Pajic im Interview mit MANNSCHAFT. «Es zeigt mir, dass unsere jahrelange Arbeit für mehr Gleichstellung und Gerechtigkeit Früchte trägt.» Der Preis aus dem Heimatkanton sei deshalb nicht nur ein persönlicher Erfolg und eine grosse Ehre, sondern auch Ausdruck davon, was die Community erreichen könne, wenn man füreinander einstehe.
«Ich bin mir bewusst, dass ich auf den Schultern derjenigen stehe, die vor mir kamen», so Pascal weiter. «Mutige, inspirierende Menschen, die bereits vor mir den Kampf für Gleichstellung gekämpft haben, die mir den Weg bereitet haben und überhaupt erst das ermöglichten, was ich tue. Deshalb ist dieser Preis für mich ein Grund zurückzuschauen, jenen zu gedenken, die vor mir da waren, und zu bestaunen, wie stark unsere Community schon immer war.»
Schwierige Jugend in Chur Seit dem Jahr 2016 vergibt die Medienfamilie Südostschweiz den Titel «Bündner Persönlichkeit des Jahres» in Form einer Steinbock-Trophäe. Die bisherigen Gewinner*innen waren Leonie Barandun-Alig, Nino Schurter, Fabian Florin alias «Bane», Andres Ambühl, das gesamte Gesundheitspersonal und Martin Meuli.
Mit Pascal wählten die Bündner*innen nun Anfang Jahr eine Person, die den queeren Jugendtreff «whatever» gründete und dem Bündnerland die erste «Khur Pride» bescherte. Die Heimat Chur weckt bei der Bündner Persönlichkeit des Jahres 2022 allerdings gemischte Gefühle: Die Eltern, die in den 80er-Jahren aus dem damaligen Jugoslawien als Gastarbeitende in die Schweiz gekommen sind, sowie das übrige Umfeld haben Homosexualität grundsätzlich verurteilt. Pascal machte deshalb in der Jugend auf Hetero, sprach absichtlich mit tieferer Stimme und knutschte vor den Kollegen mit Mädchen rum.
Als der Bruder Pascal bei den Eltern outete, kam es zu dramatischen Szenen: «Mein Papa war geschockt und weinte. Meine Mama wollte wissen, was sie falsch gemacht hatte», erzählte Pascal 2020 im Zurich Pride Podcast (MANNSCHAFT berichtete). Der Vater dachte sogar, Pascal wäre durch die Vergewaltigung eines Mannes schwul geworden. Nach und nach beruhigte sich die Situation zuhause wieder, aber es habe viel Zeit und Tränen gebraucht.
Hassmails und Todesdrohungen Man könnte jetzt sagen, die Steinbock-Trophäe wäre so was wie eine Versöhnung mit der Heimat, eine Art Wiedergutmachung für die Leiden der Jugend im homophoben Umfeld in Chur. Doch leider gab es auch nach der Bekanntgabe dieser Auszeichnung wieder negative Reaktionen. «Es gibt immer ein gewisses Grundrauschen an Negativität, wenn marginalisierte Menschen sich öffentlich exponieren und die herrschenden Machtstrukturen unserer Gesellschaft infrage stellen», sagt Pascal.
Negative Reaktionen, Hassmails und Todesdrohungen würden zum Alltag gehören. Kann Pascal damit umgehen? «Zu behaupten, es würde mich kaltlassen, wäre gelogen. Wichtig ist, dass ich mich von Hass abgrenze. Glücklicherweise kommt jedes Mal auch eine Flut von positiven Reaktionen, ich werde also auch mit Liebe überschüttet. Ich versuche, mich darauf zu fokussieren.»
Die Auszeichnung zur Bündner Persönlichkeit des Jahres sei deshalb auch ein Mahnmal: «Wir dürfen uns nicht ausruhen! Probleme gibt es immer noch zuhauf, nun gilt es, diese anzugehen und den Weg jenen zu bereiten, die nach uns kommen.»
Sich als Mensch weiterentwickeln Pascal ist mittlerweile 29 und schliesst im nächsten Sommer das Medizinstudium ab; die Doktorarbeit ist auch schon auf gutem Weg. Zudem soll 2024 die zweite Ausgabe der «Khur Pride» über die Bühne gehen, wo Pascal wieder in der Organisation mitwirken wird.
Auch die politische Laufbahn möchte Pascal weiterverfolgen: Nach den Anfängen bei der JUSO ist Pascal inzwischen im Parteivorstand der SP Graubünden und Mitglied der Grossfraktion im Bündner Kantonsparlament.
Das grösste Ziel sei es aber, sich selbst und den Mitmenschen gerecht zu werden, Selbstreflexion zu betreiben und sich als Mensch weiterzuentwickeln. «Ich denke, wir alle haben von dieser rassistischen, kapitalistischen, queerfeindlichen und sexistischen Gesellschaft toxische Gedanken eingeimpft bekommen. Daran zu arbeiten, ist ein konstantes Ziel für mich. Ich ertappe mich oft dabei, meinen Selbstwert über meine Leistung zu definieren und ein schlechtes Gewissen zu bekommen, wenn ich mal nichts tue. Dabei wäre das genauso wichtig!»
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