Olivia Jones: «Mit mir würde es nicht langweilig werden»
Olivia Jones darf als erste Dragqueen den Bundespräsidenten wählen. In fünf Jahren könnte sie sich vorstellen, selber als Kandidatin anzutreten.
Am kommenden Sonntag wird Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Auf den bisherigen Aussenminister hatte sich die Grosse Koalition im vergangenen Jahr als gemeinsamen Kandidaten geeinigt. An der Wahl der Bundesversammlung nehmen auch zahlreiche Künstler teil, die von den Parteien nach Berlin entsendet werden. So wird die Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß für die sächsische SPD abstimmen, die Comedianne Carolin Kebekus ist Wahlfrau für die Grünen aus Nordrhein-Westfalen.
Auch zwei queere Prominente sitzen in der Bundesversammlung. So schickt die nordrheinwestfälische CDU Hape Kerkeling nach Berlin. Der schwule Komiker und Moderator, der vor zwei Jahren das Ende seiner Karriere verkündet hat, engagiert sich u. a. als Pate der Aktion «Courage – Schule ohne Rassismus».
Für die niedersächsischen Grünen nimmt die Hamburger Drag Queen Olivia Jones an der Wahl teil. Sie hatte im September den AfD-Chef Sachsen-Anhalts André Poggenburg wegen Volksverhetzung angezeigt, nachdem er die schulische Aufklärung über Homosexualität mit Kindesmissbrauch gleichgesetzt hatte.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]“Die Bundesversammlung ist augenscheinlich offener und toleranter geworden.“[/perfectpullquote]
Jones ist die erste Drag Queen, die den Bundespräsidenten wählen darf – „ein grosses Kompliment“, wie sie in einem aktuellen Interview mit der Saarbrücker Zeitung sagt. «Die Bundesversammlung ist augenscheinlich offener und toleranter geworden.»
Sie wird am Sonntag ihre Stimme Steinmeier geben in der Erwartung, «dass er sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft einsetzt», so Jones in dem Interview. «Ich schätze an ihm, dass er ein ruhiger und bedachter Mensch ist. Zurzeit also genau der Richtige.“»
Bei der nächsten Bundespräsidentenwahl im Jahr 2022 könnte sie sich gut vorstellen, selber anzutreten. «Das Amt würde wunderbar zu mir passen». Schliesslich reise sie gerne und habe als St.-Pauli-Wirtin und Fremdenführerin viel Erfahrung darin, zu repräsentieren und Menschen aus der ganzen Welt zu empfangen. «Mit mir würde es nicht langweilig werden.»
Steinmeier folgt auf LGBT-freundlichen Gauck Damit es am Sonntag in der Bundesversammlung nicht langweilig wird, wolle sie auch im Fummel kommen. «Auf jeden Fall nichts Schwarzes oder Graues. Ich tendiere zu Türkis und Orange.»
Was die Positionierung für die Gleichstellung von Homopaaren mit Heteropaaren betrifft, wird sich der künftige Bundespräsident Steinmeier an seinem Vorgänger Gauck messen lassen müssen, der aus Altersgründen auf eine zweite Amtszeit verzichtet hat. Joachim Gauck hatte in seiner Abschiedsrede betont, dass die Gesellschaft deutlich «heterogener» geworden sei – «auch in Hinsicht auf die Anerkennung sexueller Orientierung». Ausserdem hatte er sich nach dem irischen Referendum über die Ehe-Öffnung im Mai 2015 erfreut über den positiven Ausgang gezeigt. In einem Interview mit der Irish Times sagte Gauck, er wünsche sich für Deutschland noch stärker eine Debatte, «in der bei den Menschen nicht das Gefühl überwiegt, dass ihnen mit der Gleichstellung anderer etwas genommen wird oder dies bedrohlich ist für die eigene Art zu leben.»
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