Mit frechen Comics gegen Vorurteile und Diskriminierung
Samira Belorf über Akzeptanz in der Schweiz und Künstliche Intelligenz
Die kecken Instagram-Posts im Comicstil der Basler Illustratorin Samira Belorf nennen die Dinge beim Namen und klären über Homophobie und Rassismus auf.
Wenn Samira Belorf ihre «Glünggi-Comics» aufs Papier bringt, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Die Hauptfigur, ein gezeichnetes Alter Ego von Samira, klärt darin jeweils über aktuelle politische Themen auf; vielfach geht es um Rassismus oder Homophobie. («Glünggi» heisst auf Schweizerdeutsch so viel wie «Lump» oder «Schuft».) Für die 29-jährige Illustratorin sind diese Instagram-Posts ein kreatives Ventil, mit dem sie ihren Ärger über problematische Aussagen von Schweizer Politiker*innen, aber auch von Menschen aus ihrem Umfeld ablässt. Ausserdem will sie damit aufklären und Lösungen aufzeigen.
Zeichnen für die Community Samira lebt und arbeitet in Basel. 2018 hat sie ihr Studium «Illustration fiction» an der HSLU D+K in Luzern abgeschlossen; seither ist sie als freischaffende Illustratorin und Comiczeichnerin tätig. Im Herbst wird Samiras erstes Kinderbuch «Hier bin ich doch!» mit Texten von Werner Rohner beim Atlantis-Verlag erscheinen.
Ihr künstlerisches Talent hat sie schon mehrfach in den Dienst der LGBTIQ-Community gestellt, wo sie fest verwurzelt sei: Beispielsweise hatte sie vor zwei Jahren für die Abstimmungszeitung zur Ehe für alle der SP Schweiz drei bunte Sujets gezeichnet. Die Illustrationen wurden zusätzlich als Postkarten gedruckt und an die Wähler*innen verschickt. Samira war auch schon für die Printausgabe der MANNSCHAFT im Einsatz! Sie hat das «Lesben FAQ» von Anna Rosenwasser mit sieben Vignetten illustriert.
Festhalten an der «Bünzli-Norm» «Von der Schweiz wird ja immer gesagt, sie sei einer der fortschrittlichsten Staaten der Welt. In Sachen Akzeptanz hat das Land in meinen Augen aber noch extrem viel Arbeit vor sich», sagt Samira.
«Nur schon, dass die Schweiz eines der letzten Länder war, in dem das Frauenstimmrecht eingeführt wurde und es regelrecht durchgeboxt werden musste, sagt ja schon alles. Und dass es bis ins Jahr 2021 gedauert hat, um endlich die Ehe für alle einzuführen, zeigt doch, wie viel Angst viele immer noch vom Abweichen von der Bünzli-Norm haben.»
Für mehr Akzeptanz brauche es Sichtbarkeit sowie die Möglichkeit, dass Minderheiten für sich selbst sprechen können und nicht ständig über sie gesprochen und für sie entschieden werde.
Geeignet für Familienchat Können denn Comics in der Gesellschaft etwas verändern? Zeichnungen würden oft komplexe Themen visuell ansprechend wiedergeben können und ermöglichen so einen niederschwelligen Einstieg, erklärt Samira. Zudem können sie manchmal ohne Text funktionieren, womit eine allfällige Sprachbarriere wegfalle.
«Ich denke, meine Posts sprechen viele Menschen an, weil sie den gleichen Unmut verspüren. Aber gleichzeitig beinhalten die Zeichnungen und Texte auch viele Fakten zur jeweiligen Thematik. Die Glünggi-Comics können auch wortlos im Familienchat geteilt werden, um für Aufklärung zu sorgen.»
Unvorhersehbare KI-Zukunft Doch braucht es für Samiras Handarbeit bald nur noch eine Person, die dem Computer kurz eine Beschreibung des gewünschten Bildes diktiert? Viele Illustrator*innen blicken besorgt auf die neuesten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Eine Sache, die momentan viele Menschen beschäftigt und von der niemand so richtig weiss, wie sie unser Leben verändern wird. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt habe sie noch keine Rückgänge bei den Aufträgen bemerkt. Ihre Kund*innen würden glücklicherweise das individuelle Handwerk sehr schätzen.
«Gerade Comics sind viel zu komplex und erzählerisch zu anspruchsvoll, als dass sie von einem KI-Tool generiert werden könnten. Ich hoffe, das bleibt auch weiterhin so, obwohl ich da so meine Bedenken habe, da sich Künstliche Intelligenz extrem schnell weiterentwickelt.»
Als grösstes Problem sehe sie aber nicht die Technik selbst, sondern vielmehr die rechtliche Lage. «Gäbe es beispielsweise ein Gesetz, dass KI-generierte Inhalte für kommerzielle Zwecke verbieten würde, könnten Kreativschaffende nicht so leicht ersetzt werden», findet Samira. Ebenfalls müsse dringend eine Regelung der Bildnutzung zum Entwickeln der Technologie her, sodass die KI nicht mit den Bildern und Stilen von Künstler*innen trainiert werden kann.
Fünf Comics über das etwas andere Coming-out bei den Eltern gibt’s hier. Du magst eher derben Humor? Dann sind diese sieben Comics etwas für dich! Und noch mehr Lesespass gibt es mit unserem hauseigenen Comic «Gaysome»!
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