Machtkampf in Frankreich: Front gegen Sieg von Le Pen
Der offen schwule Premier Gabriel Attal bangt um seinen Posten – und die Demokratie
Die erste Runde der Parlamentswahlen in Frankreich kommt einem politischen Beben gleich. Die Rechtsnationalen könnten stärkste Kraft werden. Nun richten sich alle Augen auf die kommende Woche.
In Frankreich kämpfen Rechtsnationale und bürgerliche Parteien nach der ersten Runde der Parlamentswahl um die Macht im Land. Marine Le Pens Rassemblement National (RN) hofft nach ihrem herausragenden Abschneiden in der ersten Runde, die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu holen und so an die Regierung zu kommen. Präsident Emmanuel Macron und das linke Lager wollen versuchen, dies mit einer gemeinsamen Front bei den Stichwahlen am kommenden Sonntag zu verhindern.
Wie erwartet landete das RN mit seinen Verbündeten in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich mit 33 bis 34,2 Prozent vorne. Damit könnten die Rechtspopulist*innen Prognosen zufolge im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden. An der absoluten Mehrheit mit 289 Sitzen schrammen sie aber womöglich knapp vorbei.
Das Mittelager von Präsident Emmanuel Macron landete demnach mit 20,7 bis 22 Prozent auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit 28,1 bis 29,1 Prozent. Die Linken könnten auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken.
Wie viele Sitze die Blöcke in der Nationalversammlung bekommen, wird erst in Stichwahlen am kommenden Sonntag entschieden. Sowohl aus dem Linksbündnis als auch von Macrons Partei hiess es, man werde in den Wahlkreisen, in denen man auf dem dritten Platz gelandet sei, zugunsten der Kandidat*innen zurücktreten, die in der Lage sind, das Rassemblement National zu schlagen.
Der offen schwule Premier Gabriel Attal (MANNSCHAFT berichtete), der um seinen Posten bangen muss, mahnte: «Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden.» Es sei eine moralische Pflicht, alles zu tun, um das Schlimmste zu verhindern. «Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden.»
Le Pen rief hingegen dazu auf, ihrer Partei bei den kommenden Stichwahlen zu einer absoluten Mehrheit zu verhelfen. «Nichts ist gewonnen, die zweite Runde ist entscheidend.» RN-Parteichef Jordan Bardella kündigte an, mit einer absoluten Mehrheit im Parlament als Ministerpräsident die Regierung übernehmen zu wollen.
Sollte das RN tatsächlich die absolute Mehrheit holen, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus den Reihen der Rechtsnationalen zu ernennen. Denn das Unterhaus kann die Regierung stürzen. Während die Anhänger*innen des RN auf den Machtwechsel hoffen, fürchtet ein Grossteil der Franzos*innen sich vor einer Machtübernahme der Rechtsnationalen. Am Sonntagabend demonstrierten Tausende Menschen in Paris und etlichen anderen Städten gegen die extreme Rechte.
Deutschland und Europa müssten sich in dem Fall darauf einstellen, dass das gespaltene Land keinen klaren Kurs mehr verfolgt und unzuverlässiger wird. Als Präsident hat zwar Macron in der Aussenpolitik Vorrang. Sollte aber der 28-jährige Bardella Premier werden, dürfte er seine Linie schwerlich ungehindert fortsetzen können. Statt neuen Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung an der Tagesordnung.
Im Gegensatz zu Macron gibt das RN wenig auf die enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Auch möchte die Partei den Einfluss der Europäischen Union in Frankreich eindämmen. Sollten sich die aktuellen Prognosen hingegen bewahrheiten und keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Koalitionsverhandlungen. Derzeit ist nicht absehbar, wie die grundverschiedenen politischen Akteure für eine Regierung zusammenkommen können.
Wird keine Lösung gefunden, könnte die aktuelle Regierung als eine Art Übergangsregierung im Amt bleiben oder eine Expert*innenregierung eingesetzt werden. Frankreich würde in einem solchen Szenario politischer Stillstand drohen. Neue Vorhaben könnte eine Regierung ohne Mehrheit nicht auf den Weg bringen.
Die queere Regisseurin Erica Tremblay mit indigenen Wurzeln spricht über ihren Werdegang und über die Entwicklung der Hollywood-Industrie, die bis vor zehn Jahren noch behauptete, Native Americans hätten vom Filmemachen keine Ahnung und könnten weder schreiben noch spielen (MANNSCHAFT+).
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