Dachverbände: «LGBTIQ-Aufklärung in Schulen muss besser werden!»
Muriel Waeger von LOS: «Es kann nicht sein, dass queere Lehrpersonen in ihrem Berufsalltag Diskriminierung ausgesetzt sind»
Die Schweizer LGBTIQ-Dachverbände fordern eine Professionalisierung des Sexualkundeunterrichts und haben in neun Kantonen entsprechende Vorstösse eingereicht.
Die kürzlich bekannt gewordene Entlassung des schwulen Lehrers in Pfäffikon ZH (MANNSCHAFT berichtete) war eine Folge des Drucks von fundamentalistischen Eltern auf die Schule und Lehrpersonen.
Als Reaktion darauf reichten die Schweizer Dachverbände Pink Cross, Lesbenorganisation Schweiz (LOS) und Transgender Network Switzerland (TGNS) in Zusammenarbeit mit Parlamentarier*innen in neun Kantonen politische Vorstösse ein, um queerfeindliche Diskriminierung im Schulkontext zu thematisieren.
Im Zürcher Kantonsrat wurde eine Interpellation eingereicht. Vorstösse sind in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Graubünden, Luzern, Solothurn und Schwyz geplant, weitere Kantone sollen folgen.
Mitte April lancierte Pink Cross einen offenen Brief an die Schulleitung von Pfäffikon ZH mit einer Einladung zum Gespräch, der innerhalb kürzester Zeit von über 9000 Personen unterstützt wurde. Nun hat das Gespräch stattgefunden und die Schulleitung versprach Massnahmen gegen LGBTQ-Feindlichkeit und für ein offenes Schulklima. Unabhängig vom Gespräch hat der Schulpräsident Hanspeter Hugentobler seinen Rücktritt bekannt gegeben (MANNSCHAFT berichtete).
Roman Heggli, Geschäftsleiter Pink Cross, resümiert: «Das Gespräch war vielversprechend und die Schulleitung will Massnahmen ergreifen, was wir sehr unterstützen. Zudem haben wir unsere Unterstützung angeboten, um ein inklusives Schulklima in Pfäffikon zu schaffen und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung vorzubeugen.» Druckversuche von Eltern auf Lehrpersonen seien jedoch kein Einzelfall. Heggli: «Speziell der Sexualkundeunterricht wird immer wieder torpediert. Nun muss das Problem an der Wurzel angepackt werden.»
Im Rahmen der Vorstösse wollen die Dachverbände von der Politik wissen, wie ein zeitgemässer, ganzheitlicher Sexualkundeunterricht trotz Druckversuchen seitens fundamentalistischer Kreise sichergestellt werden kann und wie queere Lehrpersonen und Schüler*innen vor Diskriminierung geschützt werden können. Wie die Dachverbände in einer Mitteilung schreiben, stehen sie mit Politiker*innen aus weiteren Kantonen in Kontakt.
Muriel Waeger Co-Geschäftsleiterin der LOS, erläutert: «Es kann nicht sein, dass queere Lehrpersonen in ihrem Berufsalltag Diskriminierung ausgesetzt sind und queere Schüler*innen weiterhin Hass und Mobbing erleben. Hier müssen die Schulen endlich ihre Verantwortung übernehmen und sich aktiv gegen LGBTQ-Feindlichkeit engagieren.»
Dafür braucht es laut LGBTQ-Dachverbänden eine Professionalisierung des Sexualkundeunterrichts und ausreichend finanzielle Mittel für die entsprechenden Fachorganisationen. Besonders die Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt benötigten Fachwissen und Fingerspitzengefühl. «Wir sehen in der Deutschschweiz grosse Unterschiede, wie in der Schule Diskriminierung begegnet und der Sexualkundeunterricht durchgeführt wird. In der Westschweiz hingegen wird der Sexualkundeunterricht seit Jahrzehnten von professionellen Fachorganisationen durchgeführt und ist qualitativ sehr hochwertig», so Anis Kaiser von TGNS. «Dieses Modell hat Erfolg und liesse sich mit genügend Mitteln auch in der Deutschschweiz etablieren.»
Mit dem Projekt Lehrplan Q leisten die Dachverbände mit Weiterbildungen, Fachtagungen und Ressourcen zu LGBTQ-Themen einen eigenen Beitrag für queerfreundlichere Schulen. Für die Sensibilisierung von Schulklassen, bieten die Projektpartner*innen ABQ, COMOUT und queeres ah&oh Workshops an (MANNSCHAFT+). Und um queeren Lehrpersonen und Schulmitarbeitenden nach dem jüngsten Fall den Rücken zu stärken, laden die LGBTQ-Dachverbände gemeinsam mit dem Dachverband Lehrer*innen Schweiz (LCH) am 24. Juni zu einem Diskussionsabend in Zürich ein.
Mehr: Die Ergebnisse der Europawahl 2024: Der Rechtsruck ist da (MANNSCHAFT berichtete)
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