Hasskommentare gegen Wowereit – «Habe regelmässig Strafantrag gestellt»
Klaus Wowereit machte seine Homosexualität vor 20 Jahren öffentlich, als er in Berlin Regierender Bürgermeister werden wollte. Das hat ihm viel Respekt eingebracht – es gab aber auch unangenehme Erlebnisse. Von Andreas Heimann, dpa
Schwulenfeindliche Erfahrungen waren für Klaus Wowereit in seiner Zeit als Regierender Bürgermeister Berlins keine Seltenheit. «Immer wenn es eine strittige Entscheidung gab, dann habe ich auch eine gehäufte Anzahl von homophoben Kommentaren und Briefen bekommen, und E-Mails», sagte der 67-Jährige am Mittwoch bei einer per Livestream übertragenen Podiumsdiskussion im Berliner Willy-Brandt-Haus. «Ich habe dann regelmässig auch Strafantrag gestellt.»
Ihn selbst hätten solche Beleidigungen nicht persönlich getroffen. «Aber ich hab’s auch stellvertretend für andere gemacht.» Allerdings sei seine Erfahrung gewesen, dass es meistens nicht zu einer Strafverfolgung gekommen sei. «Da war dann leider niemand zu ermitteln. Aber trotzdem habe ich es immer wieder gemacht.»
Friedrich Merz (CDU) hatte einst in der Bunten gesagt, angesprochen auf das Coming-out von Wowereit: «Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal!» (MANNSCHAFT berichtete).
Ob jemand homosexuell ist oder nicht, macht aus Wowereits Sicht auch 20 Jahre nach seinem berühmten Satz «Ich bin schwul – und das ist auch gut so» immer noch einen Unterschied. «Wir kennen gesellschaftliche Bereiche, wo das absolut noch tabu ist oder ein Killer für die Karriere, ob es der Herrenfussball ist oder ob es die Banker oder die CEOs in den grossen Unternehmen sind», sagte der Sozialdemokrat, der von 2001 bis 2014 Regierender Bürgermeister war. «Da werden wir lange suchen müssen, bis wir da einen Geouteten finden. Das ist schon immer noch ein gesellschaftliches Thema.»
Kein Vorkämpfer für die Gleichstellung von Homosexuellen? Schwul zu sein, das war für Klaus Wowereit nicht ausschlaggebend für seine Entscheidung, in die Politik zu gehen. «Vielleicht unterbewusst, das kann man ja nie ausschliessen», sagte er. «Aber soziale Gerechtigkeit war eher ein Thema für mich, ich bin ja aus einer Arbeiterfamilie und war der Erste, der zum Gymnasium gehen und studieren konnte. Das war für mich eher das Leitmotiv.» Ein Vorkämpfer für die Gleichstellung von Homosexuellen sei er nicht gewesen.
Sein markanter Satz hat aber Geschichte geschrieben. Wowereit hatte ihn auf einem Sonderparteitag am 10. Juni 2001 gesagt – vor seiner Nominierung zum SPD-Kandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters. Noch heute ist der stolz darauf (MANNSCHAFT berichtete).
Von den Sozialdemokrat*innen gab es frenetischen Beifall, er wurde einstimmig gewählt. Über Nacht wurde der Jurist und SPD-Fraktionschef damit bekannt. Erstmals hatte ein Spitzenpolitiker in Deutschland es gewagt, seine Homosexualität öffentlich zu machen.
Ich bin lesbisch – und das ist noch besser.
Nach Meinung vieler Politikbeobachter*innen hat Wowereit damit der politischen Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben den Weg geebnet. Das Zitat ging jedenfalls viral – lange bevor es soziale Medien gab – und ist seitdem tausendfach zu hören oder zu lesen gewesen. Schon beim Christopher Street Day (CSD) Ende Juni 2001 war auf zahlreichen T-Shirts zu sehen: «Ich bin schwul – und das ist auch gut so», wahlweise auch die Variante «Ich bin lesbisch – und das ist noch besser».
Sein Coming-out hatte eine Strahlkraft für junge Politiker*innen, auch in Österreich und der Schweiz. Parteiübergreifend würdigen queere Politiker*innen das Vermächtnis von Klaus Wowereit (MANNSCHAFT berichtete).
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