Erste Stadt in Polen will nicht mehr LGBTIQ-frei sein
In Kobyłka liess sich jetzt die Bürgermeisterin umstimmen
Die Anti-LGBTIQ-Resolution ist rechtlich nutzlos und ihre Bestimmungen sind schädlich – zu dieser Schlussfolgerung kamen die Behörden von Kobyłka, wo die Stadträte zuvor die Charta akzeptiert hatten. Es wäre die erste Stadt in Polen, die den LGBTIQ-feindlichen Kurs stoppt.
Kobyłka ist eine Stadt mit 20.000 Einwohner*innen, etwa 20 km von Warschau entfernt. Der Stadtrat von Kobyłka hatte im Oktober die LGBTIQ-feindliche Charta der Kommunalverwaltung für Familienrechte verabschiedet. Jetzt wollen die Behörden als erste in Polen von der angenommenen Entschliessung zurücktreten. Sie könne nicht angewandt werden, ohne gegen das Gesetz zu verstossen, erklärte die Stadtsekretärin Małgorzata Murawska in einem Interview mit Gazeta Wyborcza.
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Auch die Bürgermeisterin Edyta Zbieć betonte: «Als Bürgermeisterin gefällt mir diese Entschliessung nicht. Ich mag es nicht, dass es einige Bürger diskriminiert und die Stadt auf der Karte von Polen zu einem Schandfleck wird.»
Die Zweifel, die sich aus der Annahme der Entschliessung ergaben – bei 11 Ja-Stimmen gab es nur eine Gegenstimme und neun Enthaltungen – führten nun dazu, dass die Behörden sich mit dem Bürgerbeauftragten konsultierten. Sie wollen verhindern, dass Kobyłka zu einem Ort wird, an dem sich Menschen aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität nicht wohl fühlen.
Wie der polnische Aktivist Kuba Gawron gegenüber MANNSCHAFT erklärte, habe die Stadt als Antwort auf eine Anfrage nach Zugang zu Dokumenten, Resolutionsentwürfen, Verwaltungsentscheidungen, schriftlichen Aufträgen, Berichten usw., die sich aus der Umsetzung der Resolution SKPR (Samorządowa Karta Praw Rodzin) ergäben, ausdrücklich zugegeben, dass die Resolution nicht ohne Verstoss gegen das Gesetz umgesetzt werden könne. «Es ist ein sehr starkes Argument gegen Anti-LGBT-Resolutionen», so Gawron.
«Das Beispiel von Kobylka zeigt, dass mit Hilfe von Fakten, grafisch aufbereitet, ein wirksamer sozialer Druck auf die Behörden ausgeübt werden kann», erklärte der Aktivist. Ein anderer schwuler Aktivist hatte vor Tafeln mit der mehrsprachigen Aufschrift «LGBT-freie Zone» neben Ortsschildern der entsprechenden Gemeinden queere Menschen fotografiert und wurde angezeigt (MANNSCHAFT berichtete).
Das Muster der Charta der lokalen Regierung über die Rechte der Familie wurde von dem Institut Ordo Luris erstellt, einem christlichen konservativen Think Tank. Dort betrachtet man die Resolution des EU-Parlaments (MANNSCHAFT berichtete) als skandalös: Im Dezember wurden eine LGBTIQ-Strategie und gezielte Massnahmen der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten gefordert, um der Zunahme von Hassreden und ihrer Folgen in der gesamten EU entgegenzuwirken. Der Annahme sei eine heftige Debatte über die angebliche Diskriminierung von «Menschen mit LGBT-Lebensstil» in Polen vorausgegangen, so die offizielle Lesart von Ordo Luris, das selbst LGBTI-Rechte in Anführungszeichen setzt.
«Die Autoren der Resolution setzen das Konzept der «LGBTI-Rechte» als Grundrechte durch und fordern unter anderem die polnische Regierung auf, die von den lokalen Behörden stammenden Resolutionen «Angriff auf LGBTI-Rechte» zu widerrufen. Bei der Annahme des Dokuments stützten sich die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf ungeprüfte Informationen und wiederholten nach einigen Medien falsche Anschuldigungen gegen Polen.» Expert*innen des Ordo Iuris-Instituts hätten ihre Vorbehalte an das EU-Parlament weitergeleitet.
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Mit der Resolution sollen Kinder vor «LGBT-Ideologie» geschützt und das traditionelle Familienmodell gefördert werden. Fast 100 Kommunalverwaltungen haben bereits eine Resolution verabschiedet, darunter fünf Woiwodschaften, wie Verwaltungsbezirke in Polen genannt werden.
Kürzlich hatte die französische Gemeinde Saint-Jean-de-Braye beschlossen, die Partnerschaft mit der südpolnischen Kleinstadt Tuchów (Woiwodschaft Kleinpolen) zu beenden. Martin-Chabbert, Berater des dortigen Bürgermeisters, betonte, dass die Gemeinde die Vernachlässigung der Menschenrechte nicht zulassen könne. Andere Kommunen in Europa sollen dem Beispiel folgen, wie eine neue Aktion erreichen will (MANNSCHAFT berichtete).
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