«Im Zweifelsfall rosa» – Queere Kunst in Wien
Michael Gurschler erzählt Geschichten mit seinen Bildern
In der queersten Galerie Österreichs wird gerade eine Serie von Ahnenportraits gezeigt. Darauf sind Menschen zu sehen, die vermutlich versteckt homosexuell waren.
Nicht weit vom Schloss Schönbrunn in Wien, dem Sommerschloss der Habsburger, befindet sich die Galerie Puschitz, die queerste Galerie Österreichs. Deren Inhaber Roland Puschitz bemüht sich, möglichst viele queere Künstler*innen zu fördern. Die queere Quote beim Ausstellungsprogramm liegt bei mehr als 50 Prozent. So wurden unter anderem Kunstwerke von Emils Festers «Fetish – Hungry for Love», Mr. Chaos «Im Bann des Chaos», Lars Van Roosendaals «Wiener Stadtaquarelle» und Patrick Lis «Faces» gezeigt.
Auch derzeit steht die Galerie ganz im Zeichen eines queeren Künstlers. So werden bis zum 3. März Werke von Michael Gurschler ausgestellt. Gurschler wurde 1982 in Bozen (Südtirol) geboren. Er arbeitet derzeit in Wien und hat dort an der Universität für angewandte Kunst studiert. Bei der Vernissage in der Galerie Puschitz Anfang Februar waren über 200 Personen anwesend.
Der Titel seiner derzeitigen Ausstellung lautet «Quertriebe – Im Zweifelsfall rosa». Das queere Herzstück der Schau ist eine Serie von Ahnenportraits. Die Bilder dieser Serie verstehen sich «als queere Aneignung einer vorgefundenen familiären Erinnerungskultur», wie der Künstler erzählt. Die Bilder zeigen Männer, die bereits verstorben sind und deren sexuelle Identität in den Erzählungen der Nachkommen vage oder fragwürdig bleibt. Vermutlich lebten diese Männer versteckt schwul. Sie konnten ihre sexuelle Orientierung, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt ausleben. Denn Homosexualität war in dieser Zeit verboten. Die Angst, entdeckt zu werden, war gross. In der Ausstellung sind grossformatig gemalte Bilder dieser Männer auf Basis zeitgenössischer Darstellungen zu sehen.
Ein Beispiel dafür ist ein von Michael Gurschler gemaltes Portrait, das Josef F zeigt. Dieser lebte von 1863 bis 1942. Die Verwandten erzählen, dass sich Josef F immer wieder freiwillig zum Wehrdienst in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie meldete. Er absolvierte den Wehrdienst auf Provision für Bauern, die nicht Soldaten werden wollten. Seine Neffen erzählten, dass Josef F «immer wieder bewegt über die Kameradschaft und die Freundschaft unter den Soldaten gesprochen» habe, wie es im Text zum Bild über Josef F heisst. Josef F habe nie geheiratet und habe seinen Lebensabend als Knecht am Bauernhof seiner Schwester verbracht.
Die Geschichten der auf den Bildern dargestellten Männer sind dem Künstler Michael Gurschler entlang seines sozialen Umfelds erzählt worden. Laut Gurschler gehe es ihm nicht darum, «diese Ahnen oder ihre Nachfahren im Ausstellungskontext als schwul oder queer zu outen». Vielmehr sollen die Ahnenportraits als «Anker- und Bezugspunkt nachgeborener Identitäten verstanden und thematisiert werden». Sein Interesse gelte unter anderem «der Kritik der Unterdrückung queeren Lebens im immanent heteronormativen Machtapparat familiärer Überlieferungen».
In diesem Zusammenhang stellen sich für den Künstler einige Fragen wie etwa: Was können wir schon wissen über vergangene Leben von Menschen, die über ihre sexuelle Identität nicht sprechen konnten, wollten oder durften? Was passiert, wenn wir im Zweifelsfall für die Homosexualität dieser Menschen plädieren? Was ist überhaupt queere Ahn*innenforschung? Und was kann, soll, darf oder muss eine solche Ahn*innenforschung leisten?
Neben den queeren Ahnenportraits sind in der Ausstellung auch andere Werke von Michael Gurschler zu sehen. Die Galerie Puschitz hat jeden Donnerstag und Freitag von 14 bis 19 Uhr und jeden Samstag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Jeden Monat ist in der Galerie eine Soloausstellung internationaler Künstler*innen zu sehen. Dazu gibt es Künstler*innengespräche, Live-Performances, Diskussionsrunden, Lesungen und Musik. In diesem Jahr sind auch Ausstellungen an anderen Orten in Wien wie am Karlsplatz geplant.
Im berühmten Wiener Kunstmuseum Albertina ist dieses Jahr die Ausstellung «Diversity in Sex, Race & Gender» zu sehen sein sowie eine Schau, die Michelangelo und den männlichen Körper ins Zentrum rückt. Die Exponate sollen nun vor Kleber*innen und Farbattacken besser geschützt werden (MANNSCHAFT berichtete).
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