Humanitäres Aufnahmeprogramm für LGBTIQ aus Afghanistan gefordert
Aufruf von 41 Organisationen an die deutschen Ministerinnen Baerbock und Faeser
Im Koalitionsvertrag der aktuellen deutschen Bundesregierung wurde ein humanitäres Aufnahmeprogramm für Afghanistan vereinbart. Bis heute gäbe es jedoch keine explizite Zusage seitens der Bundesregierung, dass sie über die noch von der alten Bundesregierung ausgesprochen 80 Zusagen weitere LGBTIQ aus Afghanistan aufnehmen werde.
Darauf weist der LSVD in einer Pressemitteilung hin. Und vermeldet, dass man zusammen mit 40 weiteren Organisationen einen gemeinsamen Brief an Bundesaussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geschickt habe. Ziel: Einer möglichst grossen Anzahl gefährdeter LGBTIQ aus Afghanistan soll Schutz in Deutschland gewährt werden.
Dazu erklärt Patrick Dörr vom LSVD-Bundesvorstand. «Dem Auswärtigen Amt liegen seit Monaten Fälle mit Namen gefährdeter afghanischer LGBTIQ vor, die verzweifelt auf Rettung warten. Doch bei Bundesaussenministerin Baerbock und Bundesinnenministerin Faeser stossen wir bisher auf taube Ohren mit unserer Forderung, auch gefährdete LGBTIQ bei dem im Koalitionsvertrag vereinbarten humanitären Aufnahmeprogramm explizit zu berücksichtigen.»
«Folter, Morde, aussergerichtliche Hinrichtungen, Todesstrafe: Nach der Machtübernahme durch die Taliban schweben LGBTIQ in Afghanistan in Lebensgefahr», so der LSVD. «Die Flucht in benachbarte LGBTIQ-Verfolgerstaaten wie Iran und Pakistan bedeutet keine Sicherheit.»
Familienzusammenführung Und weiter heisst es: «Die von uns und anderen Organisationen beim Auswärtigen Amt eingereichten Fälle müssen endlich geprüft und einer möglichst grossen Anzahl gefährdeter LGBTIQ aus Afghanistan Schutz in Deutschland gewährt werden. Bei der Prüfung muss auf das Kriterium des Menschenrechtsaktivismus mit Bezug auf LGBTIQ verzichtet werden. Denn: Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren queere Personen in Afghanistan einer massiven Verfolgung, auch in Form von Kriminalisierung, ausgesetzt. Öffentlichen Aktivismus für die Menschenrechte von LGBTIQ konnte es daher in Afghanistan nicht geben. Ihn als Kriterium anzulegen, würde LGBTIQ als eine der am meisten gefährdeten Personengruppen in Afghanistan faktisch ausschliessen.»
Die Bundesregierung habe seit März etwa 800 besonders gefährdeten Personen aus Afghanistan eine Aufnahmezusage erteilt, heisst es. Nach Informationen des LSVD sei darunter aber keine einzige Person, die der Bundesregierung wegen ihrer Gefährdung als LGBTIQ gemeldet wurde.
«LGBTIQ werden auch bei der Familienzusammenführung zumindest im klassischen Asylsystem faktisch ausgeschlossen», wird in der Pressemitteilung hervorgehoben. «Nur die als Eheleute und leibliche Kinder definierte ‹Kernfamilie› wird berücksichtigt. Würden diese Massstäbe auch bei der Aufnahme von LGBTIQ-Afghan*innen angelegt, würden gleichgeschlechtliche Paare dafür bestraft, dass ihre Beziehungen in Afghanistan lebensgefährlich sind und nicht rechtlich anerkannt werden.»
Auch hier dürfe Deutschland nicht die Diskriminierung im Herkunftsland in seinem eigenen Verwaltungshandeln fortsetzen. Gleichgeschlechtliche Paare, die im Herkunftsland verfolgt würden, müssten vom Auswärtigen Amt bei der Familienzusammenführung mit Ehepaaren gleichgestellt werden.
Antwort steht nach wie vor aus Zusammen mit weiteren Organisationen hatte sich der LSVD bereits im Dezember 2021 an die beiden Ministerinnen gewandt, mit der dringenden Bitte, gefährdete LGBTIQ im humanitären Aufnahmeprogramm gebührend zu berücksichtigen. In einem zweiten Schreiben im Februar 2022 hatte der LSVD seine Forderungen wiederholt und konkretisiert. Auf keines der beiden Schreiben habe der LSVD eine Antwort vom Auswärtigen Amt bzw. Bundesinnenministerium erhalten, heisst es.
Das jetzige Schreiben wurde u. a. unterstützt von 6Rang (Iranian Lesbian and Transgender Network), der Berliner Aids-Hilfe, der Deutschen Sektion der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF), der Gesellschaft für bedrohte Völker, dem Jugendnetzwerk Lambda, dem LesbenRing, Pro Asyl, dem Verband afghanischer Organisationen in Deutschland (VAFO) sowie dem Völklinger Kreis.
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