Homosexuelle Paare in Italien hoffen auf mehr Rechte
Allen Protesten konservativer Politiker und Gruppen zum Trotz sollen gleichgeschlechtliche Paare im katholischen Italien neue Rechte bekommen. Bis zur Eheöffnung ist es aber noch ein weiter Weg.
(dpa) Ministerpräsident Matteo Renzi hat es versprochen: Bis zum Jahresende werde Italien gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesetzlich anerkennen. «Wir werden eingetragene Lebensgemeinschaften einführen. Punkt», sagte der Mitte-Links-Politiker der Tageszeitung «Corriere della Sera» im August.
Schwule und Lesben bleiben skeptisch, denn auch frühere Versprechen wurden in dem katholisch geprägten Land nicht gehalten. Seit März 2013 wird der Gesetzesvorschlag für die Gleichstellung von Homosexuellen diskutiert. Sie fürchten, dass dieser bis zur Unkenntlichkeit verwässert werden könnte. Die parlamentarische Debatte wurde verschoben, findet jetzt frühestens im November statt. Derweil tagt im Vatikan von Sonntag an die dreiwöchige Familiensynode – bei der gleichgeschlechtliche Partnerschaften ebenfalls ein Thema sind.
«Was uns so ärgert, ist, dass wir über ein Gesetz diskutieren, dass de facto 15 bis 20 Jahre hinter anderen westlichen Ländern hinterherhinkt», sagt Barbara Vecchietti (46). Sie und ihre Lebensgefährtin Daniela Belisario (50) gehören zu den Hunderten von homosexuellen Paaren, die – aus Mangel an Alternativen – zumindest ihre Partnerschaft haben registrieren lassen. In Städten wie Rom, Neapel und Mailand macht das die Stadtverwaltung. «Statt einer Ehe sind wir eine Registerpartnerschaft eingegangen», beschreibt Belisario den weitgehend symbolischen Akt.
Als weltweit erstes Land regulierte Dänemark 1989 gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wurde 2001 erstmals in den Niederlanden eingeführt. Seitdem haben elf EU-Mitgliedstaaten nachgezogen. Deutschland und fünf weitere erkennen Lebenspartnerschaften an, so auch die Schweiz.
[quote align=’right‘]«Zu viele Menschen im heutigen Italien befinden sich im rechtlichen Niemandsland»[/quote]Auch wenn es zur Öffnung der Ehe nicht reicht, sollen die italienischen Reformen gleichgeschlechtlichen Paaren ähnliche Rechte geben wie Eheleuten, zum Beispiel Besuchsrechte im Krankenhaus, Erbrechte und eine Witwenrente. Besonders umstritten ist das Recht des einen homosexuellen Partners, Kinder des anderen zu adoptieren. «Zu viele Menschen im heutigen Italien befinden sich im rechtlichen Niemandsland», sagt die Senatorin Monica Cirinna von Renzis Demokratischer Partei.
Gegner: Öffnung der Ehe schadet der Gesellschaft Der 50-jährige Andrea Rubera hat drei Kinder mit seinem Partner Dario, die von einer Leihmutter ausgetragen wurden. Weil eine Leihmutterschaft in Italien illegal ist, fand die Prozedur im Ausland statt. Rubera nennt die Situation seiner Familie «paradox». «In Italien sind wir zwei alleinerziehende Väter, die zufällig mit ihren Kindern an derselben Adresse leben», sagt er.
Angelo Albanesi (63) und Piergiorgio De Simone (57) sind seit den Achtzigerjahren zusammen. Sie berichten, dass sie Tausende von Euro an Notargebühren gezahlt hätten, um den jeweils anderen als Erbe einzusetzen. Für verheiratete Paare gilt das automatisch.
Reformgegner gibt es im Parlament und in der Kirche. An einer Kundgebung katholischer Gruppen im Juni in Rom nahmen geschätzt 250 000 Menschen teil. Die Website «Notizie ProVita» nennt die Reformen unnötig, weil Schwule und Lesben schon jetzt die Möglichkeit hätten, ihre Rechte zu verteidigen. Zudem sei es grundlegend falsch, homosexuelle Partnerschaften wie heterosexuelle Ehen zu behandeln. «Es würde der Gesellschaft schaden, weil die erzieherische Kraft von Gesetzen dazu führen würde, dass Menschen problematische und unnatürliche Situationen als «normal» und gut empfinden würden», erklärte «Notizie ProVita» jüngst in einer Stellungnahme.
Die meisten Italiener sind da anderer Meinung. Im Juni, nach der erfolgreichen Volksabstimmung zur Öffnung der Ehe in Irland, unterstützten laut einer von der Zeitung «La Stampa» veröffentlichten Umfrage 67 Prozent ein Gesetz wie das von Cirinna vorangetriebene.
Italien muss die Hürden schnellstens aus dem Weg räumen: Sowohl das nationale Verfassungsgericht als auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof EGMR haben den Status quo kritisiert. Sogar der Vatikan scheint nicht mehr ganz der gefürchtete Feind von einst zu sein. Seit der Papst gesagt hat, er werde Homosexuelle nicht verurteilen, hat das Reizthema zumindest etwas an Brisanz eingebüsst. Konkrete Entscheidungen über den künftigen Kirchenkurs sind von der am Sonntag beginnenden Synode aber nicht zu erwarten – sie ist ein reines Beratungsgremium.
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