Home, Queer Home – So wohnt Julian Zigerli
Zu Besuch bei einem der bekanntesten Schweizer Modedesigner
Wie wohnt einer der bekanntesten Schweizer Modedesigner? Julian Zigerli hat uns seine Tür geöffnet: im 22. Stock eines Turmes. Nichts für schwindelanfällige Nerven. Dafür ein Abenteuer fürs Accessoire-liebende Auge.
Von: Denise Liebchen, Fotos: Michael Sieber
Wer sich in Zürichs Kreis 4 nicht auskennt und sich von seinem Handy zu Julian Zigerlis Wohnung lotsen lässt, landet vor einem Coiffeursalon. Darin wohnt der Modedesigner aber nicht, sondern ein paar Ecken weiter in einem der vier Türme, die 25 Stockwerke in die Höhe ragen.
Vor acht Jahren ist Zigerli in die Hardturm-Siedlung gezogen und möchte seitdem nicht mehr weg. «Ich fühle mich hier verbunden mit diesen Türmen», sagt er. Ein Gefühl, das er in seine Arbeit übertragen hat. 2020/21 brachte er die Kollektion «Hard 1-4» heraus in Kollaboration mit der Künstlerin Shirana Shahbazi, die drei Stockwerke über ihm wohnt. Und für die Modeschau schickte er die Models über mit Kreide aufgemalte Laufstege durch die Siedlung.
Zigerli vereint das Können eines tapferen Schneiderleins mit der Attitude einer Pippi Langstrumpf. Er macht alles, wie es ihm gefällt: lässt seine Modeschau von presslufthammerigen Orchester-klängen begleiten, inszeniert Schals und Gürtel auf nackten Körpern.
Julian Zigerli Feiert sein bald dreizehnjähriges Jubiläum: Zu diesem Anlass erscheint am 19. Oktober ein Fotobuch: «Doing It All Wrong Since 2011» gibt erstmals einen Überblick über Zigerlis Werk – mit Geschichten und Dokumentationen der Kollektionen bis hin zum Œuvre des Modedesigners.
Drei Meilensteine aus seiner bisherigen Karriere: 2014 präsentierte er als erster Schweizer Jungdesigner überhaupt seine Kollektion an der Mailänder Modewoche auf persönliche Einladung von Giorgio Armani. 2018 eröffnete er seinen eigenen Laden am Rindermarkt 14 in Zürich, in dem er tageweise selbst arbeitet. 2021 startete er eine dreijährige Gastprofessur an der Universität der Künste in Berlin, wo er einst selbst das Handwerk gelernt hatte.
Seine Accessoires und Unisex-Kollektionen sind in seinem Flagship-Store am Rindermarkt 14 in Zürich erhältlich oder weltweit online unter: julianzigerli.com
Und dass er es (in keiner Weise schlicht und einfach) liebt, seine Mode und sich selbst kreativ in Szene zu setzen, wird augenscheinlich, als wir ihn besuchen.
Seine kleine, feine Wohnung hoch oben über der Erde passt zu diesem Mann, der sich als Designer weit oben im Luxussegment angesiedelt hat, aber als Mensch auf dem Boden geblieben ist.
Zweifellos Zigerli: Fünf Dinge, die ihn ausmachen #1 – Ironie: Julian Zigerli spielt gern mit Grenzen, testet Gegensätze aus – in seiner Mode versteckt er Nacktwander*innen im Scherenschnittmuster oder er kombiniert in seiner Freizeit Anfänger-Ballett und -Fussball.
#2 – Humor: «Ich geniesse es glücklich zu sein. Im Leben und in der Arbeit mag ich es lieber locker als ernst», sagt Zigerli. Und diese Einstellung zum Leben überträgt sich fliessend in seine Mode, die mit ihren wilden Prints, fröhlichen Farben, Smileys und nackten Körperteilen einfach gute Laune verbreitet.
#3 – Komfort: «Alle unsere Pieces sind bequem. Es sind eher sportliche Unisex-Schnitte und fliessende Materialien. Wir haben den Anspruch, dass jede*r in den Laden reinkommen kann, sich nimmt, was gefällt, und es passt.»
#4 – Inklusiv: «Ich als schwuler Mann arbeite mit Menschen und nicht mit Gruppen.» Dass Zigerli-Mode für verschiedenste Alter und Körperformen designt wird, zeigt auch die Auswahl der Models, die über die Laufstege laufen: junge Menschen, Vater mit Kind, ältere Damen, kurvige Performer*in.
#5 – Kunst: Jede Hauptkollektion bewegt sich an der Schnittstelle zur Kunst und damit spielt die Marke Zigerli. «Mode kann man nicht allein machen. Ich habe ein Talent dafür, Menschen zusammenzubringen und zu animieren.» Zigerli kollaboriert mit Künstler*innen wie mit der deutschen Malerin Katharina Grosse, deren Werke auch im Centre Pompidou in Paris hängen.
Dieser Gegenstand sagt viel über mich aus Der Maiskolben-Hocker, weil er eine funny Optik hat, absurd überdimensioniert ist und man sich draufsetzen kann. Ich verwende ihn als Nachttisch. In meiner Wohnung wimmelt es von figürlichen Gegenständen: ob Hundekrug, Sojalampe oder Cowboystiefel-Kerzen. Eines meiner Lieblingsteile aus der aktuellen Kollektion ist die Ziegentasche. Solche Dinge machen mich glücklich, diese Verspieltheit.
Darauf bin ich besonders stolz Ich liebe meine Stuhlsammlung, die Kombination aus Erbstücken von meinen Grosseltern und Designerstühlen, die ich über die Jahre hinweg entdeckt habe und mir gönne, seit ich Budget dafür habe.
Ein Platz voller Erinnerungen Mein Balkon. Auf dem habe ich schon viele Partys gefeiert. Ich lade gerne Freunde ein: einfach so oder im Winter mal auf ein Fondue. Meistens tummeln wir uns draussen, rauchen und geniessen die Aussicht.
Der älteste Gegenstand, den ich besitze Ein 50 Millionen Jahre altes versteinertes Holzstück aus dem Eden Valley in Wyoming, USA. Das habe ich bei einer Tombola gewonnen im Dinosauriermuseum im Aathal bei Uster, wo ich aufgewachsen bin.
Mein Einrichtungstipp für alle Inspirationslosen Schaut euch einfach die Fotos von meiner Wohnung genau an (lacht). Und schaut in meinem Onlineshop vorbei. Wir sind nicht mehr nur ein Modelabel, sondern führen zunehmend Interieur, ob Badetücher, Decken, Duschvorhänge, Kerzen, Tassen oder Kissen.
Davon könnte ich mich nie trennen Alles ist ersetzbar – ausser die Steinsammlung meiner Grosseltern. Mein Grossvater war Lehrer. Er liebte die Natur, konnte Vögel sogar an ihrem Gezwitscher erkennen, und sammelte leidenschaftlich gern Steine. Diese Sammlung ist schon einmalig.
Wenn ich es genau betrachte, stört mich hier… Ich hätte gern mehr Platz. Aber ich möchte hier aus der Siedlung nicht weg. Deshalb schaue ich immer, ob in einem der Hochhäuser etwas Grösseres frei wird. Es ist jedoch nicht einfach eine Wohnung zu bekommen und es gibt auch nicht in jeder eine Badewanne. Die ist für mich ein Dealbreaker.
Was andere an meiner Wohnung schätzen Die Aussicht auf meinem Balkon. Ich wohne im 22. Stock in einem der vier Hardtürme in Zürich und habe den Uetliberg direkt vor dem Fenster, links den See und die Berge und rechts den Sonnenuntergang.
Sich zu outen ist das eine – die Reaktion darauf das andere. Wie erleben Menschen das Coming-out einer nahestehenden Person? Und was passiert danach? Die Community teilt uns ihre Geschichten (MANNSCHAFT+).
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