Halbzeitbilanz aus LGBTIQ-Sicht: «Armutszeugnis der GroKo»

Die Grünen sprechen von einem Affront gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen

Symbolbild: iStockphoto
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Die Grosse Koalition in Berlin hat ihre Halbzeitbilanz vorgelegt: «Zusammen mit den Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD haben wir viel erreicht und umgesetzt – aber es bleibt auch noch viel zu tun.» Von queeren Erfolgen oder Projekten sei keine Rede, kritisieren die Grünen.

Zur Halbzeitbilanz der Bundesregierung erklären Ulle Schauws und Sven Lehmann, die Sprecher*innen für Queerpolitik: «Die gestern präsentierte Halbzeitbilanz der grossen Koalition ist ein Affront gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen. Obwohl die Bilanz auf über 80 Seiten beschrieben wird, werden nicht mal die zwei bisher umgesetzten Reformvorhaben erwähnt: die Einführung der dritten Option im Personenstandsrecht und die Erweiterung der Entschädigungsregelung für die Opfer des § 175 und des § 151 (MANNSCHAFT berichtete).

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Tatsächlich sind bis zum 1. September 2019 aber erst 76 Anträge auf Entschädigung eingegangen, wie das Bundesamt für Justiz jetzt mitteilte: In 66 Fällen wurden Entschädigungen in Höhe von insgesamt 84.000 Euro gezahlt: 6000 wegen eingeleiteter Strafverfahren, 7500 wegen vollzogener Freiheitsentziehung und insgesamt 70.500 Euro wegen beruflicher, wirtschaftlicher, gesundheitlicher oder vergleichbarer Nachteile. Insgesamt wurden laut dem Bundesamt seit 2017 nur 157 Entschädigungsanträge gestellt und 549.000 Euro ausgezahlt.

Aber noch schlimmer an der Halbzeitbilanz sei, so die Grünen, dass die CDU/CSU und die SPD offensichtlich kein einziges Projekt in Bezug auf LGBTIQ für die nächsten zwei Jahre plant. «Kein Wort zum im Koalitionsvertrag versprochenen OP-Verbot bei intergeschlechtlichen Kindern (MANNSCHAFT berichtete über den Linke-Antrag), nichts zur Reform des Transsexuellenrechts, keine Pläne bezüglich des Abstammungsrechts oder für Regenbogenfamilien und eine vielfältige Familienpolitik.» Nicht mal das Verbot der sogenannten Konversionstherapien werde angekündigt.

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte Anfang der Woche sein Vorhaben konkretisiert, sogenannte Konversionstherapien zur «Umpolung» von Homosexuellen zu verbieten – aber nur bei unter 18-Jährigen (MANNSCHAFT berichtete).

Aus queerer Perspektive handle es sich hier um «keine Bilanz sondern schlicht ein Armutszeugnis dieser Koalition».

Immerhin: In der kommenden Nacht (planmässig um 1:00 Uhr) debattiert der Deutsche Bundestag über die von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke eingebrachte Gesetzesinitiative zur Erweiterung des Artikel 3 Grundgesetz um das Merkmal der sexuellen Identität.

«Niemand darf aufgrund der sexuellen Identität diskriminiert werden. Diesen Schutz soll das Grundgesetz unmissverständlich im Wortlaut garantieren», so Jens Brandenburg, Sprecher für LGBTIQ der FDP-Bundestagsfraktion.

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Das Bundesverfassungsgericht habe dem Schutz von Lesben, Schwulen und Bisexuellen in der jüngeren Rechtsprechung einen hohen Stellenwert eingeräumt. Brandenburg weiter: «Noch in den 1950er Jahren haben die Verfassungsrichter auf Basis desselben Wortlauts die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Männer gebilligt. Ein solches Unrecht darf sich niemals wiederholen. Die politische Radikalisierung in Deutschland und weltweit zeigt, wie zerbrechlich vermeintlich selbstverständliche Minderheitenrechte sein können. Politische Stimmungslagen dürfen nicht zur Gefahr für Freiheit und Würde des Einzelnen werden.»

Am verfassungsrechtlichen Schutz der sexuellen Identität dürfe der Gesetzgeber keinen Zweifel lassen, so der FDP-Politiker.

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