Gender-Wahn und koloniales Gehabe? Graben­kämpfe spalten die UN

«Eine ausgeklügelte, sehr strategische, unheilige Allianz verschiedener Gruppen»

Symbolbild
Symbolbild (Bild: Yannis Papanastasopoulos, Unsplash) (Bild: Yannis Papanastasopoulos, Unsplash)

Die Vereinten Nationen tun viel, um Rechte von Frauen und Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung besser zu schützen. Jetzt gibt es Gegendruck. Die deutsche Botschafterin ist tief besorgt.

Von Christiane Oelrich, dpa

Bei den Vereinten Nationen toben an immer mehr Fronten Grabenkämpfe um die Rechte von Frauen und Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung. Einige Länder versuchen, jeden Bezug auf den Schutz dieser Rechte aus UN-Texten zu streichen.

«Ich bin zutiefst besorgt über die Angriffe von autoritären Staaten und religiös-fundamentalistischen Akteuren auf die mühsam erkämpften Menschenrechtsstandards für Frauen und LGBTIQ Personen», sagt die deutsche Botschafterin, Katharina Stasch, der Deutschen Presse-Agentur. «Die Angriffe höhlen die Grundprinzipien von Gleichheit und Menschenwürde aus, für die die Vereinten Nationen stehen. Wir müssen entschieden gegen diese Rückschritte vorgehen.»

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sieht mit Sorgen, dass etablierte Rechte infrage gestellt werden: «Was wir im Laufe der Jahre gesehen haben, ist eine ausgeklügelte, sehr strategische, unheilige Allianz verschiedener Gruppen. Zum Beispiel religiöse Fundamentalisten jeglicher Art, Populisten und diejenigen, die Angst und Spaltung schüren.» Er prangert auch patriarchale und frauenfeindliche Haltungen an.

Die Grabenkämpfe zeigen sich zurzeit im UN-Menschenrechtsrat. Dort wird bei Verhandlungen über Resolutionen nächtelang um jede Formulierung mit Gender-Bezug gestritten, sagen Verhandler*innen. Als Wortführer*innen, die diese Diskussionen forcieren, gelten Länder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), allen voran Pakistan und Ägypten.

Diplomat*innen beider Länder haben auf Anfragen nicht reagiert. Auch Vertreter*innen einiger afrikanischer Länder machen mobil gegen Gender-Themen, heisst es in Genf. Sie prangerten plötzlich koloniales Gehabe an, mit dem westliche Länder ihnen ihre Werte aufzwingen wollten.

Missionarische Organisationen aus den USA stachelten Regierungen auf, sich Bestrebungen zu besserem Schutz von LGBTIQ zu widersetzen, berichten Diplomat*innen. Auch der Vatikan spiele bei Vorstössen gegen Gender-Themen mit. Russland stosse dazu, um in seiner Isolation nach dem Einmarsch in der Ukraine neue Allianzen zu finden.

Auch bei UN-Dokumenten, die jahrelang problemlos durchgewinkt wurden, gibt es inzwischen Diskussionen, selbst in Budget- oder Personalpapieren, sagen Diplomat*innen. Einige fürchten bei UN-Organisationen schon vorauseilenden Gehorsam. Botschafterin Stasch und mehr als 20 Kolleg*innen haben zum Beispiel beim Generaldirektor der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Gilbert Houngbo, protestiert.

Dort war im Juni aus einem Dokument stillschweigend der Bezug auf ein längst veröffentlichtes Papier zu LGBTIQ Rechten am Arbeitsplatz gestrichen worden. Bei den UN in New York wurde auch schon gegen das Hissen der Regenbogenflagge protestiert und die Toleranz gegenüber allen Menschen symbolisiert, die sich nicht im traditionellen Rollenbild zwischen Mann und Frau sehen.

Nicht nur bei den Vereinten Nationen, auch in Deutschland gebe es bei dem Thema Gegendruck, heisst es beim Dachverband der Organisationen ILGA, die sich für diese Rechte einsetzt. Populistische und konservative Flügel von Parteien gingen mit Kritik am Gender-Thema auf Stimmenfang, sagt ILGA-Sprecherin Julia Ehrt.

Eingebettet sei dies im weltweiten Rechtsruck mit der Rückbesinnung auf angeblich nationale, kulturelle Werte (MANNSCHAFT berichtete). «Diese Dynamik ist besorgniserregend. Damit wird nur von Themen wie soziale Gerechtigkeit abgelenkt», sagte sie.

Zu besonderen Anlässen wie dem CSD werden Regenbogenflaggen vor öffentlichen Gebäuden gehisst. Die AfD in Niedersachsen lehnt dies ab. Andere Fraktionen widersprechen deutlich (MANNSCHAFT berichtete)

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