Gaymer und die lang erkämpfte Vielfalt in Videospielen
Von lesbischen Zombiekriegerinnen und schwulen Raumschiffkommandanten: Eine Historie von LGBTIQ-Figuren in Mainstream-Videospielen
Das kürzlich erschienene Videospiel «The Last of Us: Part 2» setzt neue Massstäbe in der Gaming-Industrie. Sogenannte Gaymer mussten lange auf mehr Vielfalt warten – ein Rückblick.
Queere Charaktere in Videospielen hatten ihren Ursprung als Lachnummer. Feminine Männer in Frauenkleidung waren Bösewichte, die es zu verprügeln galt. Leicht bekleidete Frauen, die miteinander rummachten, dienten der Aufgeilung des Durchschnittspielers, des heterosexuellen Mannes. Mit der Veröffentlichung des neuen Videospiels «The Last of Us: Part 2» im Juni 2020 scheint eine respektvolle Darstellung von queeren Figuren nun endlich auch in der Gaming-Welt angekommen zu sein. LGBTIQ-Spieler*innen – genannt Gaymer – dürfte das besonders freuen, versuchten sie bei Videoherstellern doch schon seit Jahren ein Umdenken herbeizuführen. Das dürfte ihnen nun endlich gelungen sein.
Queere Gaming-Fans mussten nicht nur einen langen Atem, sondern auch eine dicke Haut haben. Als «Xbox Live» 2002 lanciert wurde, um Spieler*innen auf der ganzen Welt miteinander spielen zu lassen, beschwerten sich mehrere lesbische und schwule User*innen, dass sie von Mitspielenden mit homophoben Ausdrücken beschimpft wurden. Es dauerte über zehn Jahre, bis Herausgeber Microsoft 2013 eine Lösung fand. Diese war nicht etwa ein Verbot von homophober Sprache, sondern ein neues Paarungssystem, das Spieler*innen aufgrund ihres Verhaltens einteilt. Konkret bedeutetet das: Gamer, die sich abschätzig gegenüber anderen verhalten und blockiert werden, treffen online auf ihresgleichen.
Auch Nintendo, einer der weltweit führenden Videospielkonzerne, enttäuschte 2014 seine schwulen und lesbischen Fans. Als bekannt wurde, dass eine Fehlprogrammierung im Simulationsspiel «Tomodachi Life» es einem männlichen Spielcharakter ermöglichte, einen Mann zu heiraten und mit ihm Kinder zu bekommen, veröffentlichte Nintendo ein Update, um «den Fehler zu beheben». Der darauffolgende Aufruhr veranlasste den Konzern dazu, sich öffentlich zu entschuldigen. Es sei zu spät, das Spiel grundlegend zu ändern und gleichgeschlechtliche Beziehungen zuzulassen, so das offizielle Statement dazu. Man werde in Zukunft jedoch versuchen, der Vielfalt der Spieler*innen Rechnung zu tragen.
Für LGBTIQ-Menschen, die in der Gaming-Industrie tätig sind, scheint es auch nicht immer einfach zu sein. 2016 reichte eine trans Frau Klage gegen ihren Arbeitgeber – den Videospielkonzern Valve – ein, nachdem sie von ihrem Vorgesetzten mit «es» bezeichnet worden war. Als sie bei der Personalabteilung eine Beschwerde einreichte, wurde ihr binnen weniger Tage gekündigt.
Überhaupt ist die Gaming-Industrie ein an den heterosexuellen Mann gerichtetes Geschäft. Schon länger kritisieren Spielerinnen und Frauenrechtlerinnen, dass Frauen weder in Videospielen als Protagonistinnen vorkommen noch als Zielgruppe ernst genommen werden. Bemängelt wurde zum Beispiel, dass in «Grand Theft Auto» noch keine Frau als spielbaren Charakter erschienen ist. Mit Verkaufszahlen von über 150 Millionen Exemplaren gehört GTA zur wohl erfolgreichsten Computerspielserie der Welt. Gemäss Jonathan Rauch, Autor von «Sex, Lies and Video Games», sind männliche Figuren in Videospielen fast vier Mal häufiger vertreten als weibliche. Zudem seien Männer erheblicher ins Spielgeschehen eingebunden als Frauen.
«The Last of Us: Part 2» bringt in vielerlei Hinsicht frischen Wind in die normativ aufgebauten Welten der Videospiele. Die Handlung spielt in einer postapokalyptischen Welt mit blutrünstigen Zombies und dreht sich um die offen lesbische Ellie, die bereits im ersten Teil um ihr Überleben kämpfte, und die muskulöse Kriegerin Abby. Mit Lev ist auch ein trans Charakter vertreten, der aufgrund seiner Geschlechtsidentität aus einem religiösen Stamm vertrieben wurde. Die gezeigte Vielfalt kam nicht bei allen gut an. In sozialen Netzwerken beklagten sich Spieler*innen über den «aufgezwungenen Genderwahn», in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde das Spiel aufgrund der homosexuellen Elemente verboten.
Der Akt des Gamens als Befreiung Trotz mangelnden queeren Charakteren in Mainstream-Videospielen und anonymen Hassbotschaften auf Gaming-Plattformen begeistern sich LGBTIQ-Menschen schon lange für die virtuelle Spielerei. Sie bezeichnen sich als «Gaymer», ein Kofferwort aus «gay» und «Gamer».
«Gamen war etwas, das ich liebte und zuhause tun konnte, fernab von Menschen, die sich über mich lustig machten oder mir zu spüren gaben, dass ich anders bin.»
Doch woher kommt die Faszination für eine Branche, deren Produkte ursprünglich vor allem an heterosexuelle Männer gerichtet waren? Der Reiz liegt nicht in der Thematik des Videospiels oder an der Gaming-Szene selbst, sondern schlicht und einfach am Spielen. Für junge Menschen, die durch ihre Sexualität verwirrt oder mit ihrer Geschlechtsidentität überfordert sind, stellt Gamen oft ein Ventil dar, um jemand anderes zu sein und in eine andere Welt zu fliehen.
«Ein Gamer zu sein war ein wichtiger Bestandteil meiner ungeouteten Identität», sagt der Videospieltester Matthew Michael Brown in «Gaming in Color», einem Dokumentarfilm über LGBTIQ-Themen in Videospielen. «Gamen war etwas, das ich liebte und zuhause tun konnte, fernab von Menschen, die sich über mich lustig machten oder mir zu spüren gaben, dass ich anders bin.»
Gerade in einer solchen Situation, wenn sich junge Menschen alleingelassen fühlen und Ablenkung in einem Videospiel suchen, sei es wichtig, dass sie sich mit einem Charakter oder mit einem Aspekt der Handlung identifizieren können, sagen Gaymer und auch LGBTIQ-Organisationen. Schon nur ein kleines Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz seitens der grossen Videospielkonzerne könne viel bewegen. «Hätte ich als kleiner Junge in einem meiner Videospiele einen schwulen Charakter gehabt – jemanden, mit dem man sich identifizieren oder für den ein anderer Charakter Gefühle entwickeln kann – hätte ich mich als Person viel eher bestätigt gefühlt», sagt Gaymer Matt Conn, Gründer des Videospielherstellers MidBoss.
Ausgangslage vieler Videospiele ist die Mission eines meist männlichen Protagonisten, der verschiedene Aufgaben bewältigen muss. Meistens ist auch eine attraktive Frau im Spiel, die er zu retten hat oder mit der sich eine Liebesbeziehung entwickelt. An diesem Konzept der grossen Mainstream-Videospiele müsse sich gar nicht viel ändern, findet Conn: «Wenn du ein Spiel spielst und einer der Nebencharaktere schwul oder lesbisch ist, der dir vielleicht Munition zuwirft, dann baust du Vertrauen zu dieser Person auf. Du findest: ‹Hey, Lesben sind nicht irgendwelche mythische Wesen, sondern ganz normale Menschen.›»
Besonders für Jugendliche – egal ob heterosexuell oder queer – seien solche Darstellungen wichtig. Einerseits, damit sich LGBTIQ-Menschen wiederfinden, andererseits für Menschen, die keine Schwulen, Lesben oder Transpersonen kennen und womöglich Vorurteile haben. Auch Matthew Michael Brown ist mit diesem Punkt einverstanden. Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit sei nur eine Facette einer Identität und müsse nicht im Rampenlicht stehen. «Aber wenn man sie hier und dort ein bisschen einfliessen lässt, stellt man einen Bezug zur Realität her. Und je realitätsnaher ein Videospiel ist, desto stärker lässt sich ein Spieler oder eine Spielerin darauf ein. Ein Videospielhersteller kann davon nur profitieren.»
Die ersten LGBT-Charaktere aus Japan: Klischiert und diskriminierend Es ist aber nicht so, dass queere Charaktere in Videospielen gänzlich abwesend sind. Im Gegenteil. Gaymer sind sich einig, dass die erste LGBTIQ-Figur 1986 im US-amerikanischen Computerspiel «Moonmist» erschien, wenn auch in einer Nebenrolle. Schauplatz ist ein Schloss in England und der Spieler schlüpft in die Rolle des Detektivs, um einen Mordversuch zu klären. Zu den verdächtigen Personen gehört Vivien Pentreath, die einen starken Hass gegenüber dem Hausherren hegt, weil sie ihn für das Ende ihrer Beziehung mit ihrer guten Freundin und deren angeblichen Selbstmord verantwortlich macht. Ob die beiden Frauen jedoch Liebhaberinnen gewesen sind, wird nicht bestätigt, höchstens angedeutet.
Andere Darstellungen von LGBTIQ-Charakteren in dieser Zeit werden von vielen Gaymern als klischiert und diskriminierend empfunden. Der Videospielhersteller Capcom etwa, kreierte 1989 für sein Prügelspiel «Final Fight» die zwei Transvestiten Poison und Roxy aus dem einfachen Grund, weil Gewalt gegen Frauen in japanischen Videospielen damals nicht erlaubt war. Ob Poison und Roxy nun Dragqueens, intergeschlechtliche Personen, trans Frauen oder einfach nur Männer in Frauenkleider waren, ist bis heute nicht klar, jedoch schien die Gewalt gegen diese Personen mit dieser Lösung gerechtfertigt.
Auch Spielkonsolenhersteller Sega führte 1994 im Prügelspiel «Bare Knuckle 3» eine klischierte Figur ein, den muskulösen Bösewicht Ash. Gekleidet in einem engen violetten Lederoutfit mit einem Weiblichkeits-Symbol um den Hals, griff er den Spieler mit geknicktem Handgelenk und grazilen, femininen Bewegungen an. Für das westliche Publikum schien diese Darstellung zu heikel – für den Export wurde Ash aus dem Videospiel entfernt, blieb aber durch einen Cheat spielbar. Überhaupt konzipierte Japan in den Neunzigerjahren mehrere männliche Figuren, die zwar nicht explizit schwul, sondern gemäss dem Magazin «The Kernel» eine Verkörperung von typisch schwulen Stereotypen waren. Zu diesen gehören zum Beispiel der feingliedrige General Zhang We in «Dynasty Warriors», eine Dragszene in «Final Fantasy VII» oder der überaus narzisstische Kämpfer Vega in «Street Fighter II».
Videospiel öffnet Ehe bereits in den Neunzigern Es sind die Amerikaner*innen, die in den Neunzigerjahren einen seriösen Umgang mit gleichgeschlechtlicher Liebe in Videospielen wagen. Im Horrorabenteuer «Phantasmagoria 2: Labor des Grauens» von 1996 erfährt der Protagonist Curtis von der Homosexualität eines Mitarbeiters und outet sich darauf bei seiner Therapeutin als bisexuell. Aufgrund seines sexuellen Inhalts und der Brutalität diverser Szenen wurde das Videospiel jedoch in mehreren Ländern, darunter auch in Europa, zensiert oder erst gar nicht verkauft.
Als das Rollenspiel «Fallout 2» 1998 veröffentlicht wurde, sorgte die Möglichkeit, eine Ehe mit einem gleichgeschlechtlichen Partner einzugehen, für Furore. Viele Gaymer schätzten, dass es für den Spielverlauf und die Reaktion der Charaktere unbedeutend war, ob nun eine heterosexuelle oder gleichgeschlechtliche Ehe geschlossen wird.
Hinter der Innovation steckte einer der Entwickler, Tim Cain, der selbst offen schwul ist. Der Entschluss, auch gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen, habe im Team zu keinen grossen Diskussionen geführt. «Wir wollten Grenzen sprengen und das nicht immer mit Gewalt. Wir wollten ein Spiel, das auch eine Gesellschaftskritik ist. Es war kein grosses Ding. Wir beschlossen es und liessen es hinter uns», sagte er 2007 gegenüber gamepolitics.com.
Im Jahr 2000 zieht der amerikanische Videospielkonzern Electronic Arts EA nach. In der Lebenssimulation «Die Sims» ist es möglich, sich in eine Person des gleichen Geschlechts zu verlieben, mit ihr zusammenzuziehen und gemeinsam Kinder zu adoptieren.
Unumgängliche Präsenz von LGBT-Themen gefordert Für einige Gaymer gehen «Fallout 2» und «Die Sims» jedoch nicht weit genug, da sie auf dem Sandkastenprinzip beruhen. Das heisst, Spieler bestimmen den Handlungsverlauf des Videospiels selbst. Die gleichgeschlechtliche Liebe wird nur thematisiert, falls der Spieler oder die Spielerin dies explizit wünscht und seine Figuren dementsprechend handeln lässt. Schritte in diese Richtung gab es in letzten Jahren zum Beispiel auch im Science-Fiction-Videospiel «Mass Effect 3», das 2012 von EA veröffentlicht wurde. Hier besteht die Möglichkeit, als Kommandant Shepard eine Liebesaffäre mit dem Offizier Steve Cortez einzugehen. Es folgt eine feurige Liebesszene zwischen den gut gebauten Männern.
Die Szene sorgte für viel Anerkennung von Gaymern, aber auch zu einem Sturm der Entrüstung von konservativ eingestellten Fans. In mehreren tausend Briefen forderten sie gemäss dem Magazin «Games Industry» den Videospielkonzern EA dazu auf, die entsprechenden Szenen zu entfernen. Sie warfen EA vor, von LGBTIQ-Aktivistengruppen zur Einbindung ihrer Themen unter Druck gesetzt worden zu sein, und drohten mit einem Boykott. Andere beklagten sich, dass ihre Beiträge auf dem offiziellen EA-Onlineforum gelöscht worden seien, weil sie sich gegen LGBTIQ-Themen ausgesprochen hätten.
«Wir bauen weiterhin Optionen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften in unsere Spiele ein, wir tolerieren keine Hassbotschaften in unseren Foren.»
Jeff Brown, EA Games
In einem Statement bekräftigte EA-Sprecher Jeff Brown das Engagement für die queere Community. Man stehe nicht unter Druck, LGBTIQ-Charaktere in die Spiele einzubauen. «Allerdings haben wir uns mit LGBT-Gruppen getroffen, um beleidigende Inhalte in Onlineforen zu besprechen. Um mich kurz zu halten: Wir bauen weiterhin Optionen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften in unsere Spiele ein, wir tolerieren keine Hassbotschaften in unseren Foren», sagte er.
Gaymer wie Matt Conn fordern bei AAA-Titeln eine unumgängliche Präsenz von LGBTIQ-Themen und -Charakteren, sei dies in Form von Nebencharakteren oder eingespielten Szenen. Als AAA-Titel werden Computerspiele bezeichnet, die von grossen Videospielkonzernen herausgegeben werden und ein hohes Produktionsbudget aufweisen, in der Regel zwischen 15 und 60 Millionen US-Dollar.
«Ich bin enttäuscht vom Fortschritt, den grosse Videospielhersteller bis heute gemacht haben», sagt Conn im Dokumentarfilm «Gaming in Color», der 2013 erschienen ist. Um die Interessen und Bedürfnisse von LGBTIQ-Gamern direkt anzusprechen, gründete er «GaymerX», eine Tagung speziell für Gaymer. Via Kickstarter konnte er über 90’000 US-Dollar für die erste Veranstaltung im Jahr 2013 sammeln, seither folgten mehrere Durchführungen des Events. Während der Tagung finden diverse Podien zu LGBT-Themen in der Videospielindustrie statt, oft erscheinen dabei die GaymerX-Gäste in Cosplay, also verkleidet als eine Figur aus einem Computerspiel. Vor allem geht es Conn aber darum, Gaymern einen sicheren Treffpunkt zu ermöglichen. «Ich will einen Ort sowohl für Schwule und Lesben als auch für trans Personen und genderqueere Menschen bieten, an dem sie sich wohlfühlen können.»
Langsamer Wandel zeichnet sich ab Tagungen wie GaymerX und der Dokumentarfilm «Gaming in Color» haben Gaymern mehr Sichtbarkeit verschafft. Auch scheinen sie sich mit ihrer Forderung nach mehr Präsenz bei grossen Videospielkonzernen Gehör verschafft zu haben. Mit «Dragon Age: Inquisition» veröffentlichte EA 2014 ein Computerspiel mit Dorian, einer schwulen Hauptfigur. Eine romantische oder sexuelle Beziehung mit ihm ist nur möglich, wenn der Spieler dafür einen männlichen Charakter auswählt. Doch dieser Zug war für EA mit Umsatzeinbussen verbunden. Aufgrund des damals in Indien noch geltenden Verbots homosexueller Handlungen entschied sich der Konzern in letzter Minute gegen einen dortigen Vertrieb. EA stornierte alle Vorbestellungen aus Indien und erstattete den Käufer*innen ihr Geld zurück. Gegenüber der indischen Plattform NDTV sagte der Verleiher Milestone Interactive: «Statt sich mit dem Zorn einiger prüder Gesellschaftsschichten auseinanderzusetzen hat EA vorsorglich den Verkauf In Indien gestoppt, ohne einen allfälligen Gesetzesverstoss zu bestätigen oder zu kommentieren.»
Bereits der erste Teil von «The Last of Us» erhielt 2013 viel Lob für die Integration von LGBTIQ-Charakteren. Der AAA-Titel wurde 2013 mit «Bestes Playstation Game» sowie mit «Bester Sprachschauspieler» und «Beste Sprachschauspielerin» ausgezeichnet. Neben den Hauptfiguren Ellie und Joel wird während des Spiels bekannt, dass der Nebencharakter Bill schwul ist. In einer Szene stösst er auf die Leiche seines verstorbenen Liebhabers Frank, der von einem Zombie infiziert wurde und sich daraufhin das Leben nahm.
«Das Tolle an Bill und diesem Kapitel des Spiels ist die Tatsache, dass ich zum ersten Mal in einem AAA-Titel einer zentralen Figur begegne, die homosexuell und eine ganz durchschnittliche Person ist», schreibt Jef Rouner für die Houston Press. «Bills Geschichte und Persönlichkeit hätten sich nicht im Geringsten verändert, wäre Frank eine Francine gewesen. Ich sehe es als grossen Schritt vorwärts für die Repräsentation nicht-heterosexueller Figuren in Videospielen.»
Nach der Veröffentlichung von «The Last of Us: Part II» im Juni 2020 meldeten sich jedoch auch kritische Stimmen aus der LGBTIQ-Community zu Wort. Waverly schrieb für Paste Magazine, dass die trans Figur Lev nur dafür da sei, um trans Personen und ihr Schicksal «zur Schau zu stellen». In ihrer Kritik am Videospiel stimmte Stacey Henley der mangelhaften Darstellung Levs zwar zu, fügte jedoch hinzu, dass er ein grosser Schritt für trans Figuren in der Gaming-Welt darstelle, da er als sehr charismatischer und zentraler Charakter nicht auf sein Transsein reduziert werde. Der erste Schritt für mehr Vielfalt in der Welt der Videospiele ist gemachen, doch wie die verschiedenen Reaktionen zeigen, bleibt noch einiges zu tun.
Der Regenbogen in Videospielen
Super Mario Bros. 2, 1988 Birdo erscheint erstmals in «Super Mario Bros. 2». Im Handbuch wird sie als Junge beschrieben, «der gerne ein Mädchen wäre». Das ist insofern überraschend, als Nintendo bis heute als eher konservativer Konzern gilt.
Final Fight, 1989
Für das Prügelspiel «Final Fight» deklarieren die Entwickler Roxy und Poison als Transvestiten, weil Gewalt gegen Frauen in japanischen Videospielen verboten war. Für den Export wurden sie aber entfernt.
Great Greed, 1992 Am Ende des Spiels darf der Protagonist eine der fünf Töchter des Königs heiraten. Spricht man einen anderen Charakter an, darunter auch Männer und den König selbst, so kann man einen von ihnen heiraten.
Bare Knuckle 3, 1994 Der Bösewicht Ash erfüllt alle gängigen Klischees über schwule Männer zu dieser Zeit. Ähnlich wie Roxy und Poison wurde er für den internationalen Verkauf entfernt, blieb aber durch einen Trick spielbar.
Phantasmagoria 2: Labor des Grauens, 1996 Ein Horrorabenteur mit starkem sexuellen Inhalt: Der Protagonist Curtis Craig erfährt von der Homosexualität seines Mitarbeiters und outet sich daraufhin bei seiner Therapeutin als bisexuell.
Fallout 2, 1998 Das Computerspiel «Fallout 2» überlässt dem Spieler die Entscheidung, ob er sich mit einer männlichen oder einer weiblichen Figur vermählen will – ohne Auswirkung auf den Spielverlauf.
Persona 2, 1999 Dieses japanische Rollenspiel lässt dem Protagonisten die Möglichkeit, eine schwule Beziehung einzugehen. Gemäss Entwickler war dies ein Versuch, um die Reaktion des Publikums zu testen.
Banjo Tooie, 2000 Nintendo zeigt sich ungewohnt offen, wenn auch klischiert: Der Frosch Jolly. Roger führt zusammen mit seinem Lippenstift tragenden Partner eine Bar. Der letzte Drink auf der Karte: «Seaman’s Surprise».
Die Sims, 2000 Eines der meistverkauften Computerspiele aller Zeiten. Charaktere können sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Beziehungen eingehen, zusammenziehen und Kinder bekommen.
Die Sims 2, 2002 Heterosexuelle Sim-Pärchen können neu heiraten, den homosexuellen bleibt die eingetragene Partnerschaft, die jedoch gleichwertig ist. 2009 wird mit «Die Sims 3» die Ehe auch für Homosexuelle geöffnet.
Lord of the Rings Online, 2007 Entwickler erlaubten in diesem Rollenspiel nur heterosexuelle Ehen. Nach Protesten für eine Öffnung wurde die Funktion komplett entfernt mit der Begründung, dass Homosexualität in Tolkiens Bücher nicht vorgekommen sei.
Mass Effect 3, 2012 Die Möglichkeit, nebst heterosexuellen auch homosexuelle Beziehungen einzugehen freute viele Gaymer, erzürnte aber auch konservative Fans, die das Spiel mit negativen Bewertungen bestraften.
Tomodachi Life, 2013 Ein Simulationsspiel ähnlich wie die Sims, jedoch sind keine gleichgeschlechtlichen Beziehungen möglich. Nach heftiger Kritik entschuldigt sich Nintendo öffentlich und gelobt Besserung.
Dragon Age: Inquisition, 2014 Zum ersten Mal ist in einem Rollenspiel die schwule Orientierung eines Charakters vorgeschrieben und kann vom Spieler nicht gewählt werden. Dorian lief von zuhause weg, weil ihn sein Vater nicht akzeptierte.
Fire Emblem Fates, 2015 Nach dem Aufruhr mit «Tomodachi Life» hält Nintendo sein Versprechen und ermöglicht im neusten Teil der «Fire Emblem»-Serie gleichgeschlechtliche Partnerschaften.
Technomancer, 2016 Schwule Liebe auf dem Mars: Auf der Flucht vor der Geheimpolizei trifft Zach auf den einarmigen Andrew. Der Spieler hat die Möglichkeit, den beiden eine Liebesaffäre zu bescheren.
Baldur’s Gate: Siege of Dragonspear, 2016 Die Figur Mizhena erklärt, dass sie als Junge geboren wurde, sich aber als Frau fühlt. Trotz Protesten von Gamern bekräftigten die Entwickler ihren Entscheid und kritisierten die negativen Reaktionen.
Die Sims 4, 2016 Ein kostenloses Update für «Die Sims 4» schafft Geschlechtergrenzen ab. Die Stimme, der Laufstil und der Körperbau können nach Belieben ausgewählt werden. Erstmals sind Transgender-Charaktere möglich.
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