Freispruch für Kevin Spacey – ein Grund zum Jubeln?
Anthony Rapp hat der Sache, dem Kampf gegen sexuellen Missbrauch, keinen guten Dienst erwiesen
Eine US-Jury hat den Hollywood-Star Kevin Spacey in einem Zivilprozess von den Vorwürfen sexueller Übergriffe freigesprochen. Der Kläger und Schauspielkollege Anthony Rapp will sich weiter gegen sexuellen Missbrauch engagieren. Das sollte er lieber lassen, meint unser Kommentator.
Nein, Kevin Spacey (63) hat den Schauspieler Anthony Rapp im Jahr 1986 nicht sexuell belästigt, entschieden die Geschworenen am Donnerstag nach Angaben des Gerichts in New York. Die 11-köpfige Jury hatte sich dafür zuvor rund anderthalb Stunden beraten (MANNSCHAFT berichtete).
Der Fall zog nach Bekanntwerden viele weitere Vorwürfe nach sich und brachte die Karriere von Spacey, der sich damals auch als schwul outete (MANNSCHAFT berichtete), ins Wanken. Vielleicht ist sie unwiederbringlich zerstört. Das wird die Zeit zeigen.
Beurteilen lässt sich aktuell nur der Fall Rapp. Offenbar hat der heute 50-Jährige gelogen. In seiner Erinnerung gab es abgetrennte Räume in Spaceys Apartment, dort, wo der vermeintliche Übergriff stattgefunden haben soll. Doch der Schauspieler bewohnte damals in New York ein Studio-Apartment. Ein Widerspruch, der sich weder ignorieren noch auflösen liess.
Wird der Kläger nach dem Freispruch des Beklagten nun aus den Produktionen geschnitten, in denen er mitgewirkt hat? Aus der Serie «Star Trek: Discovery» etwa oder aus «Tote Mädchen lügen nicht», so wie es Spacey nach Bekanntwerden der Vorwürfe ergangen ist?
Natürlich nicht. Das wäre unverhältnismässig. Aber das war es auch bei Spacey. Er wurde aus der Serie «House of Cards» geschrieben und aus dem Hollywood-Film «Alles Geld der Welt» herausgeschnitten; alle Spacey-Szenen wurden mit Christopher Plummer neu gedreht. Das war das Ergebnis von Vorverurteilungen an dem modernen Pranger, den wir Soziale Medien nennen.
Herr Rapp erhält durch dieses Verfahren mehr Aufmerksamkeit als in seinem gesamten Schauspielerleben.
Natürlich gingen in dem jetzt zu Ende gegangenen Prozess, der den Vorwurf eines schmutzigen Vergehens verhandelt hat, beide Seiten nicht zimperlich miteinander um. So mutmasste die Verteidigung, dass Rapp sich die Begegnung mit ihrem Mandanten ausgedacht haben könnte. Vielleicht habe der Kläger ja an seine Rolle in dem Theaterstück «Precious Sons» von George Furth gedacht, in dem Hauptdarsteller Ed Harris seinen Sohn (gespielt von Rapp) hochhebt und sich auch auf ihn legt – in der irrigen Annahme, es handle sich um seine Frau.
Jennifer Keller, Spaceys Verteidigerin, unterstellte Rapp auch Neid auf den älteren Kollegen, weil dieser ein grosser Star geworden sei, während Rapp nach seinem Durchbruch mit dem Broadway-Stück «Rent» bloss «kleinere Rollen in kleinen Shows» ergattert habe. «Nun sind wir also hier und Herr Rapp erhält durch dieses Verfahren mehr Aufmerksamkeit als in seinem gesamten Schauspielerleben.» Autsch!
Nun war Rapp nicht der einzige, der Vorwürfe gegen Spacey erhoben hat. Was es wahrscheinlicher machen mag, dass diese anderen Vergehen tatsächlich stattgefunden haben. Bewiesen ist damit noch nichts.
2019 etwa liess die Staatsanwaltschaft von Massachusetts eine Anklage wegen sexueller Übergriffe fallen. Spacey soll einen damals 18-Jährigen in einem Restaurant in Nantucket gestreichelt haben, so der Vorwurf. Der Kläger wurde gewarnt, dass er wegen eines Verbrechens angeklagt werden könnte, wenn er Telefonbeweise gelöscht haben sollte. Er weigerte sich daraufhin, seine Aussage fortzusetzen. Eine andere, separate Klage in Kalifornien wurde eingestellt, nachdem der Kläger gestorben war.
Und es ist immer noch nicht ausgestanden für Kevin Spacey. In Grossbritannien drohen wohl im Sommer allein vier Prozesse wegen sexueller Übergriffe.
Rapp äusserte sich nach dem Freispruch für Spacey bei Twitter. Er sei «zutiefst dankbar», dass er den Fall vor eine Jury habe bringen dürfen; er werde sich weiter gegen sexuelle Gewalt jeglicher Art einsetzen. Das ist ein richtiges und wichtiges Anliegen. Nur scheint Herr Rapp nicht die richtige Person dafür zu sein.
* Die Meinung der Autor*innen von Kommentaren spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
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