Frauen solidarisieren sich mit LGBTIQ-Community in Kuala Lumpur

In Malaysia steht die Politik Kopf, weil die Organisatoren eines Frauenmarschs Homo- und Transaktivisten mitlaufen liessen, um Sichtbarkeit zu erzeugen

Schwule beim Frauenmarsch in Kuala Lumpur (Foto: Twitter / @jhybe)
Schwule beim Frauenmarsch in Kuala Lumpur (Foto: Twitter / @jhybe)

Nachdem Malaysia erst Anfang der Woche mit Anti-LGBTIQ-Statements in die Schlagzeilen gekommen war, hat die Regierung am Samstag einen Frauenmarsch in Kuala Lumpur gestoppt – weil sich Teilnehmende auch für die Rechte von Homosexuellen und Transmenschen einsetzten, die es angeblich in dem Land gar nicht gibt.

Wir erinnern uns: Am Dienstag hatte der Tourismusminister des islamisch geprägten Landes, Datuk Mohamaddin bin Ketapi, bei einer Pressekonferenz zur Eröffnung der ITB in Berlin behauptet, in Malaysia gäbe es keine Homosexuellen. («Wir haben nicht diese Art Situation.») Daraufhin hatte sich Malaysias Botschafterin in Deutschland zu Wort gemeldet, um die Aussagen des Ministers einzuordnen. «Sexualität ist Privatsache in Malaysia», stellte Shahafeez Shaharis klar. Zudem werde das islamische Rechtssystem der Scharia, das gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Strafte stellt, nur bei Muslimen angewandt. Auch Religion sei Privatsache, erklärte Shaharis.

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Nun zeigt die Reaktion der Regierung auf einen Frauenmarsch in ihrer Hauptstadt – einen Tag nach dem Internationalen Frauentag vom 8. März – wie sie mit der vermeintlichen «Privatsache» umgeht bzw. wie sie «privat» in diesem Fall verstanden wissen will.

Mujahid Yusof Rawa, Mininster der islamischen Regierungspartei, zeigte sich «schockiert», dass der Frauenmarsch in seinem Land genutzt wurde, um auch auf LGBTIQ-Missstände hinzuweisen. Rawa teilte über Facebook mit: «Ich war sehr schockiert von den Aktionen in einigen Stadtteilen heute, Leute haben da demokratischen Raum missbraucht um etwas zu verteidigen, das nach den Gesetzen des Islam falsch ist.»

Mehr als 300 Menschen hatten sich in Kuala Lumpur am Samstag versammelt, um zu protestieren. Eine von fünf Forderungen der Marschierenden war «Das Ende von Gewalt basierend auf Geschlecht und sexueller Orientierung». Ausserdem wurde gegen Kinderehen protestiert, für die Rechte von Frauen über ihren eigenen Körper und ihr eigenes Leben, für das Ende des Patriarchats und für Mindestlohn.

Diese Forderungen muss man vor dem Hintergrund der ständig steigenden Hasskriminalität gegen Trans-Frauen sehen, von denen in den letzten drei Monaten zwei von Unbekannten ermordet wurden. Gleichzeitig geht die Regierung radikal gegen LGBTIQ-Organisationen vor und schliesst eine nach der anderen.

Der Premierminister des Landes sagte: «Wir können LGBTIQ-Rechte nicht akzeptieren.»

Der Politiker Mujahid Yusof Rawa von der National Trust Party in Malaysia (Foto: Facebook)
Der Politiker Mujahid Yusof Rawa von der National Trust Party in Malaysia (Foto: Facebook)

Minister Mujahid Yusof Rawa von der National Trust Party, die sich für einen politisierten Islam einsetzt und Teil der Regierungskoalition ist, sagte am Samstag:  «Die Regierung ist standhaft, LGBTIQ-Praktiken werden niemals in diesem Land akzeptiert. Es ist für uns unmöglich etwas zu bestätigen, das illegal ist.» Darüber berichtet die Zeitung Malaysia Kini.

Missbrauch von Demokratie

Die Organisatoren des Frauenmarsches reagierten auf diese Statements des Politikers. Der Aktivist Pang Khee Teik schrieb auf Twitter: «Lieber Dr. Mujahid Yusof Rawa, zu marschieren und Rechte einfordern nennt man Teilnahme an Demokratie. Missbrauch von Demokratie ist es, wenn ein gewählter Führer seine Macht benutzt, um Bürgern die Rechte zu verweigern, an Demokratie teilzunehmen.»

Pang Khee Teik fährt fort: «Frauen unterschiedlicher sexueller Orientierung, mit unterschiedlicher Gender-Identität und Gender-Erscheinung sind heute in Malaysia auf die Strasse gegangen. Ihnen zu sagen, was sie sein oder nicht sein dürfen, ist nur ein Beleg dafür, warum sie marschieren müssen.»

Die Protestierenden hielten Spruchbanner hoch, auf denen auch LGBTIQ-Forderungen zu lesen waren, Regenbogenfahnen und -farben waren omnipräsent. Es gab Gruppengesänge wie «Lasst LGBTIQ in Ruhe» und «Lang lebe LGBTIQ». All dies als bewusste Reaktion auf die Behauptung des Tourimusministers, es gäbe im Land keine LGBTIQ. Damit hatte er nicht nur international für eine Diskussion gesorgt, sondern offensichtlich auch die heimische LGBTIQ-Community zum deutlich sichtbaren Handeln animiert.

Protest gegen toxische Männlichkeit und das Patriarchat beim Frauenmarsch in Kuala Lumpur (Foto: Twitter)
Protest gegen toxische Männlichkeit und das Patriarchat beim Frauenmarsch in Kuala Lumpur (Foto: Twitter)

Ein Aktivist namens Gavin postete ein Foto von sich und seinen Freunden mit dem Kommentar: «Toxische Männlichkeit und das Patriarchat ablehnen, das ist der Grund, warum (schwule) Männer bei dem Protest mitmachen sollten.» Andere forderten Solidarität «mit unseren Schwestern und LGBT+ Freunden».

Keine Sonderrechte

Ein Sprecher der LGBTIQ-Aktivisten wies darauf hin, dass die Community keine «Sonderrechte» verlange, sondern so behandelt werden wolle wie andere Malaysier auch.

Laut Polizeiangaben hatten die Marschierenden keine Erlaubnis zu der Demonstration. Mujahid Yusof Rawa sagte, er würde den Fall ans Innenministerium übergeben und erwarte, dass dieses eingreife.

«Der Koran kennt Homosexualität nicht als Sünde»

Auch die Leiterin der Oppositionspartei, Noraini Ahmad, verurteilte den Frauenmarsch wegen der Inklusion der LGBTIQ-Community. Sie sagte, dies führe zu «grosser Zerstörung von sozialen Einrichtungen». Sie appellierte an die Regierung, den LGBTIQ-Forderungen nicht nachzugeben.

Ihrer Meinung nach hätten LGBTIQ die gleichen Rechte wie alle anderen Malaysier auch, «aber es ist das Recht der Regierung, LGBTIQs davon abzuhalten, unmoralische Aktivitäten auszuüben».

Man darf gespannt sein, wie das am heutigen letzten Tag der ITB in Berlin von Reiseveranstaltern aufgenommen wird, denen sich Malaysia als weltoffenes multikulturelles Ferienparadies verkaufen wollte. Mehr Anti-Werbung in einer einzigen Woche geht eigentlich nicht. Denn Reisen ist ebenso wenig wie Sexualität «Privatsache» – selbst wenn konservative und religiöse Politiker das gern behaupten und eigentlich das genaue Gegenteil meinen.

 

 

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