Forever Tadzio – Björn Andrésen ist gestorben

Visconti machte ihn mit seiner Thomas-Mann-Verfilmung unsterblich

Björn Andrésen (r.) mit Regisseur Luchino Visconti bei den Dreharbeiten zu «Tod in Venedig»
Björn Andrésen (r.) mit Regisseur Luchino Visconti bei den Dreharbeiten zu «Tod in Venedig» (Bild: Public Domain/Wikimedia)

Der schwedische Schauspieler, der in «Tod in Venedig» zum Symbol schwuler Sehnsucht wurde, ist mit 70 Jahren gestorben. Sein Gesicht war ein Mythos – und seine Last.

Den Tod von Björn Andrésen gaben die Dokumentarfilmer*innen Kristina Lindström und Kristian Petri gegenüber der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter bekannt. Die beiden hatten 2021 den Film «The Most Beautiful Boy in the World» über Andrésen gedreht – ein schonungsloses Porträt eines Mannes, der früh zur Projektionsfläche für Schönheit, Begehren und Obsession wurde. Eine Todesursache nannten sie nicht.

Mit nur 15 Jahren wurde der schwedische Schauspieler durch Luchino Viscontis Film «Tod in Venedig» über Nacht zum Star. Visconti, selbst offen homosexuell (MANNSCHAFT berichtete über seinen Liebhaber Helmut Berger), hatte ihn nach monatelanger Suche besetzt – und prägte mit einem einzigen Satz sein weiteres Leben: Björn Andrésen sei «der schönste Junge der Welt».

In der Verfilmung von Thomas Manns Novelle verkörpert Andrésen den polnischen Jungen Tadzio, dessen androgyne Schönheit den alternden Schriftsteller Gustav von Aschenbach (Dirk Bogarde) in den Bann zieht. Die homoerotische Spannung zwischen den beiden Figuren machte den Film zu einem Klassiker der schwulen Filmgeschichte.

Ruhm als Bürde Doch der Ruhm kam zu früh – und aus einer Perspektive, die nie seine eigene war. «Ich fühlte mich wie ein exotisches Tier im Käfig», sagte er 2003 dem Guardian. «Alles, was ich je tun würde, wäre mit diesem Film verbunden – das war einsam.»

Der Regisseur habe ihn als Teenager von 16 in einen Schwulenclub mitgenommen, was ihn verstörte. «Ich wusste, ich konnte nicht reagieren – das wäre sozialer Selbstmord gewesen. Aber es war das erste von vielen solchen Erlebnissen», erinnerte er sich. Später nannte er Visconti ein «Raubtier», das «alles und jeden für seine Kunst opfern würde».

«‹Tod in Venedig› hat mein Leben ziemlich gründlich ruiniert», sagte Andrésen 2021 rückblickend. Und weiter: «Tadzio war zwar kein Trauma, aber doch ein lästiger Schatten. (...) Ein Leben ohne ihn wäre auf jeden Fall leichter gewesen, aber auch weniger interessant.»

Vom Idol zum Aussenseiter Andrésen wuchs nach dem Suizid seiner Mutter bei seiner Grossmutter auf, die ihn früh zu Model- und Filmcastings drängte – sie wollte «einen Star in der Familie». Nach dem internationalen Erfolg floh er nach Japan, wo «Tod in Venedig» eine geradezu hysterische Fanbewegung auslöste. Andrésen wurde Popstar und Werbegesicht, verglich die Begeisterung später mit der «Beatlemania».

Doch die Bewunderung machte ihn nicht glücklich. «Wenn man nur mit den Fingern schnippen muss, um Aufmerksamkeit zu bekommen, verpasst man viel soziales Training», sagte er selbstkritisch.

«Im Horrorfilm getötet zu werden – das ist der Traum jedes Jungen»

Björn Andrésen, Schauspieler

In den 1980er-Jahren kehrte er nach Schweden zurück. Dort spielte er in über 30 Film- und Fernsehproduktionen, darunter «Mankells Wallander», doch der frühere Ruhm liess sich nie wiederholen. «Meine Karriere begann ganz oben und arbeitete sich nach unten», sagte er einmal bitter. 2019 wurde er durch Ari Asters Kultfilm «Midsommar» noch einmal einer neuen Generation bekannt – als alter Mann, der sich in einem heidnischen Ritual opfert. «Im Horrorfilm getötet zu werden – das ist der Traum jedes Jungen», scherzte er damals.

Schönheit, Begehren, Missbrauch In den letzten Jahren sprach Andrésen offener über die Schattenseiten seiner frühen Objektifizierung – und über die Ambivalenz, als männliches Schönheitsideal mit einem homoerotischen Blick konfrontiert worden zu sein. «Ich wurde in eine queere Ikonenrolle gedrängt, ohne selbst je gefragt worden zu sein», sagte er.

Der Film «The Most Beautiful Boy in the World» zeigt einen Mann, der ein Leben lang gegen ein Bild ankämpfte, das andere von ihm erschaffen hatten – und der am Ende doch Frieden mit sich fand. Er erzählt von einer Filmindustrie, die Begehren feiert, aber kaum weiss, wie sie mit Verletzlichkeit umgeht.

Ein stilles Ende Björn Andrésen lebte zuletzt zurückgezogen in Schweden. Mit seiner Ex-Frau, der Dichterin Susanna Román, hatte er zwei Kinder: Tochter Robine und Sohn Elvin, der 1986 im Alter von neun Monaten am plötzlichen Kindstod starb. Nach dem Verlust zerbrach die Ehe.

Am Ende schien Andrésen versöhnt – mit seinem Schicksal, seiner Kunst, seiner Geschichte.

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