Film über Tabuthema: Pedro Almodóvar gewinnt den Goldenen Löwen
«Der Mensch muss die Freiheit haben, zu leben und zu sterben»
Selbtbestimmtes Sterben: Julianne Moore und Tilda Swinton sind die Stars des Gewinnerfilms «The Room Next Door». Neben Pedro Almodóvar machen in Venedig weitere Preisträger schwere Themen auf persönlicher Ebene erlebbar.
Text: Lisa Forster, dpa
Es gehört einiges an Kunst dazu, so leichtfüssig vom Tod zu erzählen wie Pedro Almodóvar. Mit einem ebenso mutigen wie poetischen Plädoyer für Sterbehilfe hat der spanische Star-Regisseur den Goldenen Löwen in Venedig gewonnen. Sein Drama «The Room Next Door» erzählt von einer todkranken Frau, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen will – und dabei Unterstützung von ihrer Freundin bekommt. «Ich weiss nicht, ob es einen anderen Filmemacher auf der Welt ausser Pedro gibt, der davon erzählen würde», sagte Julianne Moore in Venedig (MANNSCHAFT berichtete).
Sie und Tilda Swinton spielen die Hauptrollen – und seien grossartig darin, urteilt Jury-Präsidentin Isabelle Huppert. Über Almodóvar sagt sie: «Er bringt uns zum Nachdenken darüber, was es bedeutet, am Leben zu sein und was es bedeutet, sein Leben zu beenden.»
Pedro Almodóvar ist der international bekannteste Regisseur Spaniens und offen schwul. Sein Film «Alles über meine Mutter» über eine trans Frau gewann 2000 einen Oscar. Einen weiteren Oscar erhielt der 74-Jährige im Jahr 2003 für «Sprich mit ihr». «The Room Next Door» ist sein erster englischsprachiger Spielfilm. Nach der Premiere gab es für Almodóvar eine 18-minütige stehende Ovation, die längste bei der diesjährigen Ausgabe.
Nicht nur «The Room Next Door», auch die weiteren Gewinnerfilme der Filmfestspiele Venedig machen schwere Themen auf persönlicher Ebene erlebbar. «Was viele Filme vereint, die wir mochten, war, dass grosse menschliche, soziale und auch politische Fragen anhand von Einzelschicksalen oder von Familienkonstellationen erzählt wurden», sagte Regisseurin und Jury-Mitglied Julia von Heinz der Deutschen Presse-Agentur.
Am 3. September feierte Luca Guadagninos Film «Queer» mit Daniel Craig Weltpremiere (MANNSCHAFT berichtete).
Almodóvars Gewinnerfilm Wie Zuschauer*innen es von den Filmen Almodóvars gewohnt sind, hat «The Room Next Door» ausserdem eine besondere Optik – mit leuchtenden Farben und Bildkompositionen, die wie Gemälde gerahmt sind. Das Drama ist zudem leichtfüssig, hat einige lustige Momente.
«Der Film ist seltsamerweise nie wirklich sentimental», beschrieb es Huppert. «Der Humor zog sich durch», sagte von Heinz. Almodóvar erzählt von weiblicher Freundschaft – ein Thema, das in Filmen nicht besonders häufig behandelt wird, wie Julianne Moore in Venedig feststellte.
Weil sie unheilbar an Krebs erkrankt ist, hat Martha (Swinton) sich im Darknet eine Pille besorgt, die sie umbringen wird. Sie blickt ihrem Tod recht aufgeräumt ins Auge, will aber in diesem Moment nicht allein sein. Daher bittet sie Ingrid (Moore), sie zum Sterben in ein gemietetes Haus auf dem Land zu begleiten – und im Zimmer nebenan zu sein, im «room next door», wenn sie die Pille nimmt.
In der aparten Luxusvilla angekommen, verbringen Martha und Ingrid ihre Tage damit, über Bücher und Beziehungen zu sprechen, Filme zu schauen – oder es sich auf Sonnenliegen bequem zu machen, die die beiden Frauen aussehen lassen wie ein Gemälde Edward Hoppers. Von ihm hängt ein Kunstdruck im Mietshaus.
Almodóvars Film bleibt vor allem wegen dieser stilsicheren Inszenierung in Erinnerung – und weil er sich auf zwei grandios harmonierende Schauspielerinnen verlässt. Die politische Botschaft ist dem 74-Jährigen aber wichtig. «Der Mensch muss die Freiheit haben, zu leben und zu sterben», sagt er bei der Preisverleihung.
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