Eine historische Zeitkapsel offenbart Fotos schwuler Liebe
Gefunden wurden sie auf Flohmärkten, in alten Kisten oder Familienarchiven: Historische Fotografien von Männern, die sich lieben.
Früher im Verborgenen geliebt, heute für die ganze Welt sichtbar: Der neue Bildband «Loving» zeigt schwule Liebespaare zwischen 1850 und 1950.
Als Neal Treadwell und Hugh Nini ein altes Bild eines Männerpaars auf einem Flohmarkt fanden, hielten sie es für einzigartig, denn schwule Liebe im 19. und frühen 20. Jahrhundert war beinahe unsichtbar. 20 Jahre und unzählige Streifzüge durch Trödelmärkte später kann das New Yorker Ehepaar mit dem neuen Bildband «Loving» seinen ersten Eindruck widerlegen: Schwule Liebe war auch in den Anfängen der Fotografie allgegenwärtig und zwar weltweit.
Die aussergewöhnliche Sammlung gewährt Einblicke in bisher unbekannte Fotografien von Männerpaaren zwischen 1850 und 1950 – eine Zeit, in der männliche Partnerschaften fast überall illegal, ja sogar gefährlich waren. Sie erstreckt sich über den gesamten Globus von den USA und Kanada bis hin zu den europäischen, südamerikanischen, asiatischen und australischen Kontinenten.
Für Nini und Treadwell war der Ausdruck in den Augen der abgebildeten Männer das ausschlaggebende Kriterium, um eine Fotografie in der Sammlung aufzunehmen. Dieser war gleich, ungeachtet ihres Alters, ihres Status, ihrer Herkunft und ihres Berufs. Der Blick lasse auf Gefühle schliessen, die so stark sind, dass die Paare sie unmöglich verbergen konnten, davon sind die beiden Sammler überzeugt.
«Die Fotografien sind aber auch Zeugnisse von Mut, denn die Mehrheit der Männer, die sich ablichten liessen, war sich bewusst, dass ihre Homosexualität gesellschaftlich geächtet oder strafrechtlich verfolgt werden würde, hätte man sie entdeckt», schreibt Régis Schlagdenhauffen, Dozent an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) in Paris.
Ein weiteres Indiz für eine intime Beziehung ist die Anwesenheit eines Sonnenschirms, auch Hochzeitsschirm genannt, der als beliebtes Accessoire der sich entwickelnden Hochzeitsfotografie ab 1860 galt. Der Schirm symoblisierte Geborgenheit für das frischgebackene Ehepaar und einen Schutz vor den nun gemeinsam zu meisternden Launen des Schicksals. Auf einigen Bildern der Sammlung sind Schilder zu sehen, die mit Aufschriften wie «Honeymoon special» oder «Not married but willing to be» eine klare Sprache sprechen.
Einen besonderen Wert schreibt Schlagdenhauffen den Bildern zu, die Fabrikarbeiter, Bauern oder Cowboys zeigen. «Homosexualität wurde von den wohlhabenden Schichten in den Städten eher toleriert als im Arbeitermilieu oder in ländlichen Regionen», schreibt er.
Gleichgeschlechtliche Liebe bildlich festhalten: Dies tat auch die Schweizer Fotografin Liva Tresch. Die 86-Jährige Zürcherin, die im Kanton Uri aufgewachsen ist, war in den Sechziger- und Siebzigerjahren oft als Fotografin in der Zürcher Schwulen- und Lesbenszene unterwegs. Ihre Fotografien gelten als wichtige Zeitzeugnisse, um die Geschichten einer Community zu bewahren, die in den damaligen Medien und Büchern oft nur negativ oder am Rande erwähnt wurden – wenn überhaupt.(MANNSCHAFT berichtete).
Um queere Fotografie in der Gegenwart dreht sich der Bildband «New Queer Photography», der am 5. Oktober 2020 erschienen ist (MANNSCHAFT berichtete). Die Sammlung gibt Einblick in Welten, die gängige Ideale von Geschlecht und Ästhetik sprengen und dem Mainstream oft verborgen bleiben.
Für den Bildband «Loving» wurden 350 Fotografien aus der Sammlung von Hugh Nini und Neal Treadwell sorgfältig digitalisiert und restauriert. Das Buch erscheint am 12. Oktober 2020 im Elisabeth Sandmann Verlag.
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