«Ein Antrag gehört zum Heiraten einfach dazu»

Christian und Cyrill gewähren Einblicke in ihren schönsten Tag

Obwohl sie beide keine Kinder möchten, war es für Cyrill (links) und Christian Oertig wichtig, rechtlich als Familie zu gelten. (Bild: zvg)
Obwohl sie beide keine Kinder möchten, war es für Cyrill (links) und Christian Oertig wichtig, rechtlich als Familie zu gelten. (Bild: zvg)

Die Hochzeit im Industrial Style liessen Christian und Cyrill von zwei professionellen Hochzeitsplanerinnen organisieren. Für die beiden hat sich das bewährt, denn am Tag der Tage mussten sie sich um nichts kümmern und konnten ihre Hochzeit in vollen Zügen geniessen.

Christan und Cyrill Oertig engagierten sich im Vorfeld der Volksabstimmung zur Ehe für alle und machten ihre Geschichte öffentlich. Nun verraten die beiden, wie sie sich kennen gelernt haben und wie sie ihr Hochzeitsfest feierten.

Ihre Wege kreuten sich im Chatportal Purplemoon, einem bis 2020 existierenden sozialen Netzwerk für Schwule, Lesben, Bisexuelle und deren Freund*innen. Das war 2009; beide etwas über zwanzig, beide auf der Suche nach einer festen Partnerschaft. Wer wen zuerst angeschrieben hat, darüber sind sich die beiden heute lachend uneins: Christian ist überzeugt, dass er den ersten Schritt gemacht habe; Cyrill ebenso. Bevor sie sich das erste Mal getroffen haben, telefonierten sie oft miteinander und schrieben einander «viele Nachrichten», erinnert sich Christian.

Irgendwann war es dann aber soweit und die beiden verabredeten sich für einen gemeinsamen Spaziergang am Vierwaldstättersee vor dem Luzerner Hauptbahnhof unter dem grossen Torbogen. «Noch heute sehe ich Cyrill vor mir, wie er mit seinen coolen Jeans dastand und auf mich wartete», sagt Christian über den ersten Eindruck. Der Nidwalder und der Basler verstanden sich auf Anhieb gut und verabreteden sich nach dem ersten gleich für den zweiten Spaziergang.

«Bis zum ersten Kuss hat es allerdings noch ein Weilchen gedauert», erzählt Cyrill: Erst nachdem die beiden sich ein drittes Mal getroffen hatten und im Anschluss zu Christian nach Hause gegangen waren, kam es dazu. Christian lacht: «Ich hätte mich nie getraut, den ersten Schritt zu wagen . . . ».

Ein Antrag gehört einfach dazu Nach einem Jahr Fernbeziehung bezogen die beiden ihre erste gemeinsame Wohnung in Hergiswil; seit acht Jahren wohnen sie nun in Luzern, wo beide auch arbeiten. Zum Heiratsantrag kam es 2018 während eines Urlaubs auf den Malediven: «Kitschig und klassisch bei einem Cocktail am Strand und dazu zwei Musiker, die mit Gesang und Gitarren die Zeit während des Sonnenuntergangs anhielten . . . », erzählt Christian und Cyrill ergänzt: «Ich war zwar total überrumpelt, habe aber sofort Ja gesagt.» Dabei seien sie beide eigentlich überhaupt nicht kitschig oder romantisch veranlagt, stimmen sie überein. Aber: «So ein Antrag gehört zum Heiraten einfach dazu», findet Cyrill.

Cyrill (links) und Christian liessen ihren Hochzeitstag von zwei Hochzeitsplanerinnen organisieren. (Bild: zvg)
Cyrill (links) und Christian liessen ihren Hochzeitstag von zwei Hochzeitsplanerinnen organisieren. (Bild: zvg)

Mit Hochzeitsplanerinnen zur perfekt organisierten Hochzeit Zurück in der Schweiz begannen auch schon die Hochzeitsvorbereitungen, für die sie sich ein ganzes Jahr Zeit liessen: «Wir haben zwei tolle Hochzeitsplanerinnen gefunden», erzählt Christian. Diese halfen den zwei Verlobten nicht nur wichtige Entscheidungen zu treffen, sondern waren für das Fest auch als Tafelmajorinnen engagiert. «Das war eine weise Entscheidung», meint Cyrill. «So konnten wir unsere eigene Hochzeit wirklich geniessen, weil die ganze Organisation und die tausend Kleinigkeiten, um die man sich an so einem Fest kümmern muss, bei den zwei Planerinnen in professionellen Händen waren.»

Der Planungsaufwand habe sich gelohnt, zeigen sich Christian und Cyrill überzeugt: «Gemeinsam haben wir eine wunderschöne und moderne Hochzeit im Industrial Style auf die Beine gestellt.» «Der Tag begann», erzählt Christian, «mit einem Getting-­Ready-­Fotoshooting gemeinsam mit unseren Trauzeuginnen im Hotel.» Gemeinsam bereiteten sie sich für den grossen Tag vor und schossen bei der Location die offiziellen Hochzeitsfotos. «Das war bereits sehr emotional und berührend», ergänzt Cyrill. Ganz traditionell gaben sich die beiden dann in einer freien Trauungszeremonie ein gegenseitiges Eheversprechen, die Trauzeuginnen waren Christians zwei Schwestern und Cyrills beste Freundin. Christian erzählt weiter: «Die Hochzeitsansprache meines Vaters war wunderschön und wichtig für mich, obwohl es seit meinem Coming-out nie zu irgendwelchen Schwierigkeiten gekommen war. Wir haben beide liebevolle Familien und sind mehrfache Patenonkel.»

Besondere Gäste Am Hochzeitstag waren auch spezielle Gäste anwesend: Als Christian und Cyrill ein Jahr zuvor auf den Malediven im Urlaub waren, lernten sie am ersten Tag im Wasserflugzeug, das sie auf ihre Insel bringen sollte, ein Schweizer Pärchen aus Biel kennen: «Sie waren die ersten, die von meinem Heiratsantrag erfahren haben», erzählt Christian, der sich dann auch riesig darüber freute, dass das Pärchen der Einladung gefolgt war und am Hochzeits­apéro gemeinsam auf ihr Eheglück anstiess.

«Ein gleicher Nachname bedeutet doch noch mehr, dass wir eine Familie sind»

Symbolische Einheit mit gleichem Nachnamen Gekleidet waren die beiden Bräutigame an ihrer Hochzeit in zwei unterschiedlichen dunkelblauen, grob karierten Anzügen mit Fliege und Hosenträger und den gleichen Schuhen. Die Hochzeitsgesellschaft tafelte in einer alten Fabrikhalle in Oerlikon, die für die 48 geladenen Gäste chic herausgeputzt wurde. Das Setting passte perfekt zu ihnen, sind sie sich einig: «Wir wohnen mit unserer Schlange Lisha in einer clean eingerichteten Attikawohnung mit einer 100 Quadratmeter grossen Terrasse. Für die Ordnung im gemeinsamen Heim ist eher Christian zuständig – «Du lässt immer alles liegen», tadelt er seinen Mann scherzhaft – dafür kocht Cyrill lieber als Christian. In der Stadt fühlen sich die beiden wohl: Sie wollen flexibel sein und das Auto nur noch aus Spass und nicht für die täglichen Besorgungen oder den Arbeitsweg brauchen. Mitunter ist ihre gemeinsame Reisefreude auch ein Grund dafür, warum sie keinen Nachwuchs wollen, obwohl sie Kinder mögen. Christian meint: «Wer keine Kinder hat, hat eigentlich keinen Grund zu heiraten, zumal so eine Heirat ja auch steuerlich nicht wirklich attraktiv ist.» Doch irgendwann kam der Gedanke, dass es doch schön wäre, auch rechtlich eine Einheit, eine Familie zu sein.

Zwei Monate vor der zivilen Trauung überraschte Cyrill Christian mit einer unerwarteten Anfrage: «Darf ich deinen Nachnamen annehmen?», fragte er seinen Verlobten. «Das wollten wir eigentlich bewusst nicht», sagt Christian. Doch er musste nicht lange bearbeitet werden: «Ein gleicher Nachname bedeutet doch noch mehr, dass wir eine Familie sind», sagt er heute mit Überzeugung.

Der schönste Tag Vom Hochzeitsfest waren übrigens nicht nur die beiden Bräutigame restlos begeistert, auch von ihren Gästen wurde die Hochzeit als eine der schönsten beschrieben, die sie je besucht hatten. Selbst die Hochzeitsplanerinnen waren von den Gästen, die die beiden Ehemänner mit wahrhaftiger Liebe, Freude, Akzeptanz und ehrlicher Freundschaft überschütteten, überwältigt und berührt. Den Überraschungsauftritt einer Dragqueen, die verschiede Songs zum Besten gab und damit sofort den Draht zu den Bräutigamen und den Gästen fand, haben die beiden als besonderes Highlight in Erinnerung. «Besonders als sie ‹My Way› von Frank Sinatra anstimmte, sich während des Songs abschminkte, die Perücke auszog und wieder zum Mann wurde . . . das hat uns und alle Anwesenden sehr berührt!», sagt sich Cyrill.

Trotz Hochzeit im Industrial Style durften die Regenbogenfarben nicht fehlen. (Bild: zvg)
Trotz Hochzeit im Industrial Style durften die Regenbogenfarben nicht fehlen. (Bild: zvg)

Bei allen gut angekommen sei auch die farbige Hochzeitstorte. Sie lachen: «Auf ein bisschen Regenbogenfarben wollten wir auf keinen Fall verzichten.» Die Torte habe eine der Hochzeitsplanerinnen selbst gebacken, war aussen weiss und innen in den Farben des Regenbogens geschichtet. «Das sah mega schön aus», erinnern sie sich.

«Ja», sagen Christian und Cyrill noch heute ganz gerührt und in absoluter Übereinstimmung, wenn sie an den 7. September 2019 zurückdenken: «Das war wirklich der berühmte schönste Tag in unserem Leben.»

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