Löten und Feilen für die Liebe – Ring frei!
Die Eheringe selber machen ist romantisch - aber auch anstrengend
Homosexuelle Paare können seit sieben Jahren in Deutschland heiraten. Unser Autor wollte das lange nicht tun. Jetzt hat er es sich mit seinem Partner anders überlegt. Und das wollten die beiden auf besondere Weise feiern: Sie schmiedeten ihre eigenen Eheringe.
Von: Thomas Petersen
Nach 20 glücklichen Jahren in einer Beziehung die Entscheidung zur Heirat zu treffen, birgt unter Umständen Gefahren in sich. Ändert sich das Gefühl des Zusammenseins? Entsteht plötzlich ein Zwang statt einer unverkrampften Partnerschaft?
Wir haben es trotzdem gemacht. Und da wir ein grosses Fest für diesen Anlass als zu übertrieben fanden, uns aber dennoch ein gemeinsames Zeichen setzen wollten, haben wir uns für einen Trauringkurs entschieden.
Wir wollen uns gegenseitig die Ringe schmieden. So ist immerhin davon auszugehen, dass wir uns die grösstmögliche Mühe geben werden. Ausserdem ist es immer eine gute Sache, gemeinsam etwas Neues zu erlernen. Kleiner Geheimtipp für eine gut funktionierende Partnerschaft.
Also buchen wir ein Vorgespräch bei Robert Niendorf, einem Goldschmied in Berlin-Kreuzberg, um uns über Material, Farbe, Beschaffenheit und Gestaltung zu informieren. Schnell sind wir uns einig. Palladium soll es sein. Ein Metall aus der Platinfamilie, das silbrig glänzt und einen leichten Blauton besitzt.
Robert sagt: «Eines der besten Edelmetalle für Eheringe, allerdings mit viel Mühe zu bearbeiten». Uns schreckt das nicht. Natürlich nicht, weil wir keine Ahnung haben… Die Grössen werden gemessen und wir vereinbaren einen Termin zum Schmieden.
Morgens um 10 Uhr geht’s los. Robert und seine Mitarbeiterin Nadine erwarten uns schon. Ausserdem warten auf uns zwei eher unscheinbare Vierkantstäbe. «Das ist euer Ausgangsmaterial.» Daraus sollen die Ringe entstehen? Na gut. Robert erklärt uns, dass wir ungefähr sieben Stunden benötigen, bis zum fertigen Ring. Wir schauen uns an und schlucken einmal… Dann geht`s los.
Zuerst müssen wir die Stäbe über einen runden Metallstab in eine U-Form hämmern. Anschliessend werden sie über einen konischen Stab gezogen und mit vielen Hammerschlägen weiter gerundet. Na ja, rund kann man das noch nicht nennen, sieht eher wie ein Oval aus. Danach wird die Lücke mit Weissgold verlötet. Das macht Nadine, da das Palladium eine extrem hohe Temperatur benötigt. Nach kurzer Zeit fängt das Material an, stark zu glühen und wir schauen gebannt zu. In diesem Moment wird uns klar, warum das besser die Fachfrau macht.
Fertig gelötet kommen die Rohlinge in ein Säurebad. Damit das Lot fliessen kann, wird ein Flussmittel verwendet. Diese grünliche Flüssigkeit verglast bei hohen Temperaturen und muss dann abgebeizt werden. Sonst kann man nicht weiterarbeiten. Dies ging aber ganz schnell, hat nur wenige Minuten gedauert.
Weiter geht’s mit einem konischen Stab, dem sogenannten Ringriegel, und einem Hammer. Über diesen Ringriegel sollten wir unsere Ringe schieben und mit Mut fleissig mit dem Hammer auf den Ring eindreschen. Und tatsächlich wird der Ring immer runder. Aber noch immer nicht perfekt. Dafür gibt es die Trauringmaschine. Der Ring wird in eine konische, runde Vertiefung gelegt und unter Druck in die perfekte Rundung gebracht.
Es ist jetzt fast 13 Uhr und langsam meldet sich der Hunger. Wir schlüpfen kurz raus und finden gleich nebenan, einen Imbiss. Dort schauen wir uns an und empfinden beide das Gleiche: Mehr Arbeit, als wir dachten… Hilft aber nichts, weiter geht`s. Der Ring ist jetzt zwar geschlossen und rund, aber immer noch sehr scharfkantig. Deshalb geht’s jetzt ans Feilen.
Nadine zeichnet uns Linien innen und aussen ein, zu deren Rand wir hinfeilen müssen. Dafür hält man den Ring zwischen Daumen und Zeigefinger an einen Holzkeil gedrückt fest und fängt an zu feilen. Spätestens jetzt verstehen wir, dass Goldschmied*innen echte Handwerker*innen sind. Daumen und Zeigefinger werden ganz schön beansprucht.
Feilen und Schleifpapier werden nach und nach immer feiner und es entsteht die abgerundete Form, die wir haben wollten. Mit einer Schleifkugel, die auf einem Akkubohrer steckt, wird die innere Seite weiter geschliffen. Jetzt geht`s an die Poliermaschine und der Ring fängt an zu glänzen. Denn die Oberfläche soll natürlich strahlen.
Zur Gestaltung der Oberfläche haben wir uns für einen Finnhammerschlag entschieden. Bei dieser Technik entstehen durch mehrfaches, festes Schlagen mit einem feinen Metallhammer kleine Rillen auf der Aussenseite des Rings. So erzielen wir ein einzigartiges, nicht wiederkehrendes Muster. Verwechslungen sind somit ausgeschlossen.
Geschafft! Sieben Stunden später halten wir die fertigen Ringe in den zerschundenen Händen. Robert begutachtet das Ergebnis und ist sehr zufrieden. Wir sind es auch – und strahlen mit den Ringen um die Wette.
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