Ehe für alle in Liechtenstein: LGBTIQ-Verband drückt aufs Tempo

Die Gesetzesänderung läuft langsamer als die zum Adoptionsrecht

Symbolfoto: Victor Rodvang / Unsplash
Symbolfoto: Victor Rodvang / Unsplash

Die Regierung in Liechtenstein hatte im Sommer eine Abänderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) und des Partnerschaftsgesetzes verabschiedet.

Damit kam die Regierung dem Willen des Landtages nach, homo- und heterosexuelle Paare im Adoptionsrecht gleichzustellen. Eine Ehe für alle gibt es im Land aber immer noch nicht.

Daraufhin hatten im September 15 Landtagsabgeordnete aus drei Parteien die Motion zur Öffnung der Ehe für alle unterzeichnet und sie dem Parlamentsdienst übergeben (MANNSCHAFT berichtete).

Zu diesem Doppelprozess hat der Verein «FLay – Schwule und Lesben Liechtenstein und Rheintal» jetzt eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin kommentieren die «juristischen Laien» die Situation aus LGBTIQ-Perspektive, also aus Sicht der «direkt Betroffenen».

In Punkt 1 geht es um den «Weg zur Umsetzung der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Adoptionsrecht». Dazu heisst es: «Mit dem vorliegenden Vorschlag der Regierung wird im Unterschied zu Österreich ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren mit einer kompletten, gleichzeitigen Gleichstellung über alle Adoptionsformen hinweg angestrebt. Dass sich Landtag und Regierung zu einer proaktiven Behandlung unserer Anliegen hinsichtlich Gleichberechtigung entschieden haben, zeugt von einer mittlerweile breit vorhandenen Handlungsbereitschaft und Empathie für die Betroffenen.»

Thema Fremdkindadoption Das werde von «FLay» nach eigenen Angaben «ausserordentlich» geschätzt. Aber: «Bei der Adoption wird zwischen mehreren Formen unterschieden. Die Fremdkindadoption ist dabei die einzige Adoptionsform, bei welcher kein vorgängiger, familiärer oder freundschaftlicher Bezug gegeben sein muss.»

FLay sind in diesem Zusammenhang einige Hinweise auf die Realität wichtig: «Die Fremdkindadoption ist in ganz Europa stark rückläufig. Es gibt in den westlichen Staaten deutlich mehr Adoptionswillige als zur Adoption freigegebene Kinder und die letzte Inlandsadoption in Liechtenstein ist nach unserem Kenntnisstand rund 20 Jahre her.»

Und weiter: «Die Mehrheit von Fremdkindadoptionen betrifft Kinder aus Staaten, welche gleichgeschlechtlichen Paaren tendenziell ablehnend bis feindlich gegenüberstehen. Eine Zustimmung aus diesen Staaten ist selbst bei einer liechtensteinischen Adoptionsbescheinigung für gleichgeschlechtliche Paare nicht zu erwarten.»

In der Realität wichtig sei daher die Gleichstellung insbesondere bei Kindern, zu deren Familien bereits eine familiäre oder freundschaftliche Beziehung bestehe, schreibt FLay.

Mit dem heute bestehenden Verbot sind dem prüfenden Amt die Hände gebunden

«Mit dem heute bestehenden Verbot sind dem prüfenden Amt und dem zuständigen Gericht in diesen Fällen jedoch die Hände gebunden, selbst wenn die Eltern im Todesfall beispielsweise testamentarisch die verpartnerten Schwester / Schwägerin oder Bruder / Schwager als Wahleltern gewünscht haben», so FLay.

Bei allen anderen Adoptionsformen bestehe normalerweise bereits ein direktes Verwandtschaftsverhältnis, heisst es: «Auch hier sollten diese bestehenden Verbindungen zu Gunsten des Kindes berücksichtigt werden können, unabhängig vom Zivilstand der Wahleltern.»

Emotionale und kritische Diskussion Es sei bekannt, dass die Diskussion im Zusammenhang mit Kindern «emotionaler» und «kritischer» ablaufe als beispielsweise bei der Ehe für alle. «Dies ist auch gut so, handelt es sich bei Kindern doch um sogenannte Dritte, welche von Entscheidungen der Erwachsenen betroffen sind», schreibt FLay.

In Anbetracht der Abstimmungsergebnisse zur Öffnung der Ehe in der Schweiz inklusive Adoption und Fortpflanzungsmedizin gehe man von einer «mehrheitlichen Zustimmung in Liechtenstein» aus.

Bei Themen der Gleichberechtigung von queeren Menschen werde in Liechtenstein stets eine öffentliche Diskussion gefordert. Was eine «öffentliche Diskussion» ausmache, deren Beginn und Ende, sei jedoch nicht eindeutig definiert, meint FLay.

«Genügen bei manchen Themen einzelne Leserbriefe oder Zeitungsartikel innert weniger Monate, werden bei queeren Themen meist öffentliche Veranstaltungen, breit angelegte Diskussionsforen und mehr gefordert, gerne auch über mehrere Jahre hinweg», so FLay.

«Wir erlauben uns in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Frage von Adoption für gleichgeschlechtliche Paare bereits im Vorfeld der Abstimmung zum Partnerschaftsgesetz 2011 breit diskutiert wurde. Dasselbe begann bereits davor über die Jahre hinweg im Zusammenhang mit den entsprechenden Schritten in unseren Nachbarländern Schweiz und Österreich, aber auch im internationalen Kontext.»

Diese breite, öffentliche Diskussion habe in Liechtenstein im vorigen Jahr deutlich an Fahrt aufgenommen, so FLay.

Verzögerung akzeptieren Mittlerweile sei dem Landtag eine überparteiliche Motion mit namentlicher Unterstützung von 15 Abgeordneten zur Öffnung der Ehe für alle in Liechtenstein übergeben worden. «Wir würden es zu Gunsten der Betroffenen begrüssen, wenn die vorgeschlagene Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Adoptionsrecht unabhängig von dieser Motion in der bisher gezeigten Geschwindigkeit umgesetzt würde», schreibt FLay.

«Sollte sich dennoch eine Mehrheit für eine Verbindung beider Gleichstellungsschritte aussprechen, würden wir diese erneute Verzögerung im Bereich Adoption nach heutigem Stand akzeptieren», meint der LGBTIQ-Verein. «Wir müssten in diesem Fall jedoch darauf drängen, dass Regierung und Landtag dieselbe Geschwindigkeit an den Tag legen wie bei der vorliegenden Vernehmlassung.»

Das Fazit von FLay lautet: «Der vorliegende Vorschlag, die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare im Adoptionsrecht über eine allgemeingültige Regelung im ABGB zu erreichen, findet unsere uneingeschränkte Unterstützung. Den im Vernehmlassungsbericht vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen im ABGB sowie der Ausserkraftsetzung von Art. 24a Partnerschaftsgesetz stimmen wir ohne Bedenken oder weiterer Änderungsvorschläge zu.»

Die Stellungnahme wurde an Regierungsrätin Graziella Marok-Wachter von der Vaterländischen Union (VU) geschickt, zuständig fürs Ministerium für Infrastruktur und Justiz in Liechtenstein.

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