Ehe für alle auf unbestimmt vertagt
Die verschiedenen Parteien hatten sich bereits zu ihren Positionen geäussert
Nach einer einstündigen Debatte im Nationalrat wurde die Ehe für alle kurz vor der Abstimmung auf einen anderen Sessionstag verschoben. Grund sind die Corona-Nachtragskredite.
Der 3. Juni 2020 hätte ein historischer Tag werden sollen: Der Tag, an dem der Nationalrat über die Gesetzesvorlage zur Ehe für alle abstimmt. «Sechseinhalb Jahre ist es her, dass ich die parlamentarische Initiative eingereicht habe. Das ist eine lange Zeit. Es dämpft die grosse Freude darüber, dass wir heute endlich diesen Gesetzesentwurf beraten können», sagte GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy kurz vor 13 Uhr.
Doch Bertschy und die LGBTIQ-Community müssen sich noch länger gedulden. Die für nach der Mittagspause vorgesehene Abstimmung wird auf einen anderen Tag verschoben. Wann genau, ist nicht bekannt. Grund dafür sind die Corona-Nachtragskredite, über die der Nationalrat heute noch beraten müsse, sagte Nationalratspräsidentin Isabelle Moret gegenüber dem Blick: «Wir müssen das Budget heute unbedingt abschliessen, weil der Ständerat es morgen behandelt.»
Es ist das zweite Mal, dass Corona die Ehe für alle verzögert. Die Gesetzesvorlage hätte bereits am 17. März behandelt werden sollen, wurde jedoch aufgrund der ausserordentlichen Lage vertagt (MANNSCHAFT berichtete). «Es ist beelendend zu sehen, wie lange es dauert, bis die Schweiz endlich gleiche Rechte für alle schafft», so Bertschy damals gegenüber MANNSCHAFT. Auf Twitter zeigt sich die Nationalrätin nun ernüchtert: «Und erneut lässt die #Ehefüralle weiter auf sich warten.»
«Das ist enttäuschend und wir fordern, dass die Ehe für alle noch in der aktuellen Session behandelt wird!», schreibt Pink Cross auf Facebook. «Die Bevölkerung wartet – und wir als Community sowieso.»
Zur Abstimmung standen die Kernvorlage, die sogenannte «Ehe Light» mit dem Adoptionsrecht, sowie eine weitere Variante, die auch Regenbogenfamilien rechtlich abgesichert und den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin für lesbische und bisexuelle Frauen geregelt hätte. In einer E-Mail gibt sich Pink Cross zuversichtlich, dass die Ehe für alle mit allen Rechten und Pflichten durchkommt. «Parlamentarier*innen von links bis hin zur FDP unterstützen den Zugang zur Samenspende und die Elternschaft ab Geburt. Damit rückt der notwendige Schutz für Kinder und Familien in greifbare Nähe.»
Im Rat hatten die Parteien bereits Stellung zu ihren Positionen bezogen. SVP und Teile der CVP hatten auf ein Nichteintreten beider Varianten plädiert. Zuerst müsse der Ehebegriff auf Verfassungsebene geklärt werden, so SVP-Nationalrat Pirmin Schwander. Vertreter*innen beider Parteien wollten die Ehe für Mann und Frau vorbehalten, zudem stellten sie das Wohl der Kinder homosexueller Paare in Frage. Allerdings ohne Erfolg: Die Befürworter*innen waren im Nationalrat klar in der Mehrheit.
Die Änderung des Eherechts auf Gesetzesebende ist rechtstechnisch gesehen eine kleine Änderung und erfordert keine Verfassungsänderung – somit auch keinen Volksentscheid. Sollte nach der Annahme im National- und Ständerat ein Referendum zustande kommen, hätten die Stimmbürger*innen trotzdem das letzte Wort.
Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare gäbe es keine neuen eingetragenen Partnerschaften, schreibt die SDA in einer Medienmitteilung. «Paare, die bereits in eingetragener Partnerschaft leben, sollen das aber weiterhin tun dürfen. Für sie gelten andere Bestimmungen als für Eheleute.» Jedoch soll die Möglichkeite bestehen, die Partnerschaft in eine Ehe umzuwandeln.
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