Diskriminiert? Schwuler Fahrgast will von Bahn Schadenersatz
Gegen einen Mitarbeiter der Deutschen Bahn wurde Strafanzeige erstattet
Alexander wurde nach einem Zugausfall in Frankfurt am Main von einem Mitarbeiter der Deutschen Bahn die Weiterbeförderung mit dem Taxi verweigert. Der 38-jährige Stuttgarter ist überzeugt, dass dies wegen seiner Homosexualität und seiner ausländischen Abstammung geschah. Er hat Strafanzeige erstattet.
In der Nacht vom 21. auf den 22. Juni reiste Alexander mit der Deutschen Bahn von Köln nach Stuttgart. Wegen eines Zugausfalls war aber in Frankfurt am Main vorerst Endstation. Er suchte den DB-Servicepoint auf, wo sich die Fahrgäste einen Taxigutschein für die Weiterbeförderung aushändigen lassen konnten.
Weiterfahrt verweigert Alexander hatte wegen der Corona-Pandemie jedoch Bedenken. «Ich fragte den dortigen Mitarbeiter der Deutschen Bahn, ob eine Unterbrechung der Reise in Frankfurt möglich sei, anstatt im Grossraumtaxi mit anderen Personen auf engem Raum nach Stuttgart zu fahren», sagt der 38-Jährige gegenüber MANNSCHAFT.
Eine Übernachtungsmöglichkeit hatte Alexander jedoch nicht und der Bahn-Mitarbeiter teilte ihm mit, dass wegen der Frankfurter Buchmesse auch kein Zimmer in einem der kooperierenden Hotels frei sei. Die Übernachtung müsste er also selber bezahlen. Dass er diese Info mit einem Telefonat und einer kurzen Internetrecherche überprüfte, habe den Mitarbeiter brüskiert. «Er pöbelte mich unerwartet impulsiv an, ich würde ihm unterstellen, dass er lüge», berichtet Alexander. «Ich sagte ihm dann, dass Mitarbeiter der Deutschen Bahn mir leider schon einmal nichtzutreffende Informationen gegeben hätten.»
Das war offenbar schon zu viel. Gemäss Alexander hätten nämlich alle der etwa 6-8 anderen Fahrgäste, die einen Taxigutschein verlangten, diesen dann auch ausgestellt bekommen. Nur ihm sei die Weiterfahrt verweigert worden. Auch sein Hinweis, dass er das Bahnbonus-Level Gold besitze, sei bloss «belächelt» worden.
Daraufhin entschied sich Alexander, am Bahnhof auf den nächsten ICE zu warten. Sein Zuhause erreichte er mit einer Verspätung von über vier Stunden erst gegen halb fünf Uhr morgens.
Wegen sexueller Orientierung? «Ich fühle mich aufgrund der Missachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der Blossstellung vor den anderen Bahn-Mitarbeiter*innen und den Fahrgästen in meinen Persönlichkeitsrechten verletzt», sagt Alexander. «Der Mitarbeiter verwies noch auf die anhaltende Gültigkeit meines ICE-Tickets sowie die Erstattungsfähigkeit einer Hotelrate bis 80 Euro, was während der Messezeit in Frankfurt utopisch und nur als Provokation zu verstehen war.»
Er ist überzeugt: Er wurde aufgrund seiner sexuellen Orientierung und seiner ausländischen Herkunft diskriminiert. Letztere habe der Mitarbeiter festgestellt, als er seinen griechischen Nachnamen «Tsiaoussis» auf dem Ticket sah. Dass er nicht deutscher Abstammung sei, sehe man ihm auch an.
Auch die sexuelle Orientierung habe der Mitarbeiter aufgrund seiner Erscheinung identifiziert. Er kleide und bewege sich nicht wie ein heterosexueller Mann. In der begründeten Schadenersatzforderung, die MANNSCHAFT vorliegt, führt Alexander auch «Make-up» und «auffällige[n], nicht für einen heterosexuellen Mann üblichen Schmuck» auf.
Anzeige erstattet Die Beleidigung und Diskriminierung lägen zwar nicht explizit, sondern implizit vor. Dennoch hat Alexander nach diesem unerfreulichen Erlebnis bei der Deutschen Bahn eine Schadenersatzforderung eingereicht. Für den ihm zugefügten immateriellen Schaden fordert er 2’000 Euro. Ausserdem hat er gegen den Mitarbeiter wegen Beleidigung und versuchter Nötigung Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main eingereicht. In beiden Fällen liegt noch keine Entscheidung vor.
«Die Deutsche Bahn AG betreibt einerseits ein aggressives Marketing, lässt Railbow-ICEs durch Deutschland fahren (MANNSCHAFT berichtete) und dekoriert den Kölner Hauptbahnhof am CSD mit Regenbogenfahnen. Auf der anderen Seite finden jedoch Diskriminierungen von Fahrgästen statt, die vom Unternehmen nicht aktiv verfolgt oder sanktioniert werden. Das ärgert mich.»
Alexander möchte mit seiner Anzeige zu einem sorgfältigeren und respektvolleren Umgang mit den Fahrgästen beitragen. Und er wünscht sich eine Entschuldigung, an die er aber nicht mehr so recht glaube.
Bahn will Fall prüfen MANNSCHAFT hat die Deutsche Bahn mit den Vorwürfen konfrontiert und um eine Stellungnahme gebeten. «Die Schilderung des Vorfalls macht uns betroffen, so etwas sollte kein DB-Gast erleben müssen. Das beschriebene Verhalten des DB-Mitarbeitenden klingt völlig inakzeptabel», sagt ein Bahnsprecher. «Wir nehmen den Vorwurf sehr ernst, werden den Fall genau prüfen und selbstverständlich auch eine Stellungnahme des Mitarbeitenden einholen. Die Haltung der Deutschen Bahn ist klar, wir dulden solches Verhalten nicht.»
Kulturelle Vielfalt, Offenheit, Toleranz und Respekt seien Grundwerte der Deutschen Bahn. «Rassismus, Diskriminierung, Mobbing oder sexuelle Belästigung haben bei uns keinen Platz – weder gegenüber unseren Kund*innen noch gegenüber unseren Mitarbeitenden», so der Sprecher weiter. «Die Deutsche Bahn ist ein weltoffenes, internationales und diverses Unternehmen. Wir sind stolz auf unsere bunte Belegschaft und setzen bewusst auf Vielfalt, weil sie unsere Teams besser macht.»
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