«Die Hoffnung der LGBTIQ-Community nimmt von Tag zu Tag ab»
Auch wenn sich der Wahlsieger Nikol Paschinjan für die Achtung von Menschenrechten ausgesprochen hat, ist von der einstigen Zuversicht nicht viel übrig
UPDATE (10.Dezember 2018): Armeniens Ministerpräsident Paschinjan ist als Sieger aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Seine Bewegung, die demokratische Reformen in Gang bringen will, erhielt laut Wahlkommission 70 % der Stimmen. Doch was bleibt für die LGBTIQ-Community? Einstige Hoffnungen sind längst getrübt.
Es waren Szenen, die Armenien so seit Jahrzehnten nicht gesehen hat: Hunderttausende demonstrierten im April 2018 auf dem Platz der Republik, dem zentralen Platz in der Hauptstadt Jerewan, schwenkten die rot-blau-orangefarbene Nationalflagge. An ihrer Spitze: Der Oppositionspolitiker Nikol Paschinjan, der schon zehn Jahre zuvor Proteste angeführt hatte. Damals von Seiten der Regierung gewaltvoll niedergeschlagen.
Nun war alles anders. Es blieb friedlich, auf beiden Seiten. Sechs Tage später trat Premierminister Sersch Sargsjan von der Republikanischen Partei zurück, das Volk jubelte. Der 43-jährige Paschinjan übernahm sein Amt.
Im ILGA-Ranking noch hinter Russland Von Anfang an ganz vorne dabei: Mitglieder der queeren Community. Sie hatten große Hoffnungen, wie alle Armenier. Weniger Korruption, mehr Meinungsfreiheit, mehr Rechte. Armenien sollte nicht länger auf dem vorletzten Platz des LGBTIQ-Rankings von ILGA Europe stehen – vor Aserbaidschan, aber hinter der Türkei und Russland.
Stattdessen: Ernüchterung. «Diese Hoffnungen nehmen von Tag zu Tag ab», sagt Nvard Margaryan, Präsidentin von Pink Armenia, der einzigen queeren NGO des Landes. «Seit April hat sich nichts geändert.»
Umfrage: Was bringt 2019 für LGBTIQ-Rechte?
Doch nicht nur das: Seit der sogenannten Samtenen Revolution erlebt Nvard sogar eine neue Welle von Homophobie. «LGBTIQ-Themen werden bewusst von der alten Partei und der Kirche genutzt, um Stimmung gegen Paschinjan zu machen.» Der 43-Jährige Revolutionsführer trat im Oktober, um bei den Neuwahlen die Mehrheit im Parlament zu erreichen. Dort waren nach dem friedlichen Umsturz immer noch die Republikaner von Sersch Sargsjan in der Mehrheit.
90 Prozent der Armenier wollen LGBTIQ-Rechte beschneiden Doch Paschinjan kann sich nicht allzu LGBTIQ-freundlich äußern. Einer Umfrage von Pink Armenia zufolge würden 90 Prozent der 3 Millionen Armenier gerne die Rechte von queeren Menschen beschneiden. Das weiß die Opposition zu nutzen: Mitte Oktober hat sie zwei Gesetze ins Parlament gebracht. Eines sollte gleichgeschlechtliche Ehen verbieten (obwohl die Verfassung die Ehe schon als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert), ein anderes sollte „schwule Propaganda“ verbieten, ähnlich wie in Russland. Die Regierung hat beide Gesetzentwürfe abgelehnt.
Wir berichten ausführlich über die Lage von LGBTIQ in Armenien in unserem Januar/Februar-Heft. Hier geht’s zum Abo (Schweiz) – und hier auch (Deutschland).
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