Die Ergebnisse der Europawahl 2024: Der Rechtsruck ist da
Parteien mit queerfreundlichem Programm schneiden in Deutschland und Österreich eher schlecht ab
Bei der Europawahl deutet sich nach ersten Zahlen von ARD und ZDF ein klarer Sieg des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP mit der deutschen Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen ab.
Eine erste Hochrechnung nach dem Schliessen aller Wahllokale bestätigt einen Sieg des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP bei der Europawahl. Die EVP-Spitzenkandidatin und CDU-Politikerin Ursula von der Leyen kann demnach trotz starker Zugewinne von Rechtsaussen-Parteien auf eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission hoffen, wie aus den vom Europäischen Parlament veröffentlichten Zahlen hervorgeht.
Ihr Mitte-Rechts-Bündnis mit den deutschen Parteien CDU und CSU kommt nach den jüngsten Zahlen auf 191 Sitze (zuletzt 176 von 705) und damit auf mehr als ein Viertel der künftig 720 Sitze. Es bleibt damit deutlich vor Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen sowie den bisherigen rechtsnationalistischen und rechtspopulistischen Allianzen.
Rechtsaussen-Parteien wie die AfD erzielten im Vergleich zur letzten Wahl vor fünf Jahren deutliche Gewinne. Insgesamt bleibt das klar proeuropäische Lager aber weiter das mit Abstand grösste. Selbst wenn sich alle rechten Parteien zusammenschliessen würden, kämen sie voraussichtlich auf weniger als 200 Sitze und wären damit von einer Mehrheit weit entfernt. Diese liegt bei 361 Sitzen.
Zweitstärkstes Lager im neuen Parlament bleibt demnach die Sozialdemokratie, die auf etwa 135 Sitze kommen könnte. Danach folgen die Liberalen, die auf 81 bis 87 Sitze abrutschen, sowie die zwei bisherigen rechtspopulistischen Parteienbündnisse EKR und ID, mit knapp 80 beziehungsweise rund 70 Sitzen.
Die Grünen würden demnach deutlich verlieren und weit unter 60 Sitzen landen. Die deutsche AfD wird zu den fraktionslosen Parteien gezählt, da sie kurz vor der Europawahl aus der ID-Fraktion ausgeschlossen worden war. Insgesamt dürften rechte Parteien den Zahlen zufolge am stärksten hinzugewinnen.
Als wahrscheinlich gilt, dass das Mitte-Rechts-Bündnis EVP in den nächsten Tagen Gespräche mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen führen wird, um eine lose Zusammenarbeit zu vereinbaren, die dann auch eine Mehrheit für die Wahl von Ursula von der Leyen sichern könnte. Die EVP beanspruchte bereits den Kommissionsvorsitz: Der Gewinner der Wahl habe nun das Recht, den Kommissionspräsidenten zu stellen, sagte EVP-Chef Manfred Weber (CSU) am Sonntagabend in Brüssel. Von der Leyen kündigte an, am Montag die Sozialdemokraten und die Liberalen wegen einer möglichen Zusammenarbeit im EU-Parlament anzusprechen. «Ich habe immer gesagt, dass ich eine breite Mehrheit für ein starkes Europa aufbauen möchte.» Sie habe in ihrer ersten Amtszeit als Kommissionspräsidentin gezeigt, was ein starkes Europa erreichen könne. «Mein Ziel ist es, diesen Weg mit denjenigen fortzusetzen, die für Europa, für die Ukraine und für Rechtsstaatlichkeit sind.»
Vertreter*innen von Grünen, Liberalen und Sozialdemokraten gaben am Sonntagabend die ersten positiven Signale. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Terry Reintke, sagte, sie sei bereit, zu verhandeln. Die Liberalen und Sozialdemokraten äusserten sich ähnlich.
Deutschland rückt deutlich nach rechts: SPD, Grüne und FDP haben nach den ersten Prognosen zusammen noch nicht einmal ein Drittel der Stimmen eingefahren und sind allesamt hinter der queerfeindlichen AfD gelandet. Die wurde zwar nicht ganz so stark, wie vor einigen Monaten noch zu erwarten war, aber der Trend geht klar nach rechts – mit 16,1 bis 16,4 Prozent der Stimmen.
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte hingegen: «Dass nur noch die CDU im Osten der AfD Paroli bieten kann, ist eine Gefahr für die Demokratie. Dass die AfD zweitstärkste Partei in Deutschland zu werden scheint, ist ein Alarmsignal. Das ist ein ganz schlimmer Tag für Deutschland.»
Den Menschen geht es darum, dass Probleme mit der Inflation und der Migration gelöst werden und nicht zuerst um Cannabis und Geschlechtsumwandlungen.
Der Regierungschef warf der Bundesregierung einen falschen Kurs vor. «Die Ampel wurde abgestraft, weil sie die falschen Prioritäten setzt», sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Die aktuelle Politik des Bundes stärke die linken und rechten Ränder. «Den Menschen geht es darum, dass Arbeitsplätze gesichert und die Probleme mit der Inflation und der Migration gelöst werden und es nicht zuerst um Cannabis und Geschlechtsumwandlungen geht. Der Koalitionsvertrag der Ampel wurde abgewählt.»
Zahlreiche queere Prominente hatten vor der Wahl aufgerufen, gegen den Rechtsruck zu stimmen (MANNSCHAFT berichtete), zuletzt auch Maren Kroymann.
Sahra Wagenknecht, die in der Vergangenheit von LGBTIQ als «skurrile Minderheiten» sprach MANNSCHAFT berichtete), hat sich «froh» und «erleichtert» über das Abschneiden ihres Bündnisses bei der Europawahl gezeigt. «Da ist ein grosses Potenzial», sagte Wagenknecht am Sonntagabend in der ARD. Sie wolle dies nun bei folgenden Wahlen weiter ausbauen. Laut ARD-Hochrechnung kam das Bündnis bei der Europawahl in Deutschland auf 5,7 Prozent.
In Österreich zeichnet sich ein Sieg der rechten, queerfeindlichen FPÖ ab. Nach einer zur Schliessung der Wahllokale veröffentlichten Trendprognose liegen die Rechtspopulisten mit 27 Prozent vor der sozialdemokratischen SPÖ und der konservativen ÖVP. Im Vergleich zur EU-Wahl 2019 hat die FPÖ laut Trend damit rund 10 Prozentpunkte dazu gewonnen. Die Partei hatte im Wahlkampf unter dem Motto «EU-Wahnsinn stoppen» vielfach ihre EU-Skepsis betont und die EU im Ukraine-Konflikt als kriegstreibende Kraft dargestellt.
In Frankreich geht das rechtsnationale Rassemblement Nationale um Marine Le Pen als klarer Sieger aus der Europawahl in Frankreich hervor. Die Europaskeptiker kamen dem vorläufigen amtlichen Ergebnis zufolge auf 31,36 Prozent der Stimmen, wie das französische Innenministerium am Montag nach Auszählung aller Stimmen mitteilte. Die Liste der Partei von Staatschef Emmanuel Macron und Verbündeten landete mit 14,6 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei. Sie erzielte weniger als die Hälfte der Stimmen, die die Rechtsnationalen einfuhren. Die Sozialisten schafften es mit 13,83 Prozent auf den dritten Platz. Die rechtsextreme Partei Reconquête holte 5,47 Prozent der Stimmen.
Als Reaktion auf die herbe Niederlage seines Mitte-Lagers löste Macron noch am Sonntag die französische Nationalversammlung auf und kündigte die Neuwahl der Parlamentskammer in nur wenigen Wochen an. Um seinen Posten geht es dabei aber nicht. Die nächste Präsidentschaftswahl ist erst für 2027 vorgesehen. Macron hofft mit dem riskanten Manöver eine stabilere Mehrheit für seine verbleibende Amtszeit zu schaffen.
Im kleinsten EU-Land, dem Spitzenreiter im europaweiten LGBTIQ-Ranking Malta (MANNSCHAFT+) hat die sozialdemokratische Regierungspartei Labour bei der Europawahl nach ersten Teilergebnissen deutliche Einbußen hinnehmen müssen. Trotzdem sprach Ministerpräsident Robert Abela am Sonntag in der Hauptstadt Valletta von einem «soliden» Sieg. Die Mittelmeer-Insel mit etwa einer halben Million Bewohnern stellt im Europaparlament sechs Abgeordnete.
Nach Prognosen vom Nachmittag gehen davon drei Mandate an Labour. Die konservative Oppositionspartei Nationalist Party kann mit zwei bis drei Sitzen rechnen. Die bisherige Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, hat auch im neuen Parlament ein Mandat sicher.
Zu besonderen Anlässen wie dem CSD werden Regenbogenflaggen vor öffentlichen Gebäuden gehisst. Die AfD in Niedersachsen lehnt dies ab. Andere Fraktionen widersprechen deutlich (MANNSCHAFT berichtete)
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