«Dann machen wir es halt noch bunter!» – Sachsen wählt (3)
Unter dem Dach des CSD Dresden befindet sich auch die Landeskoordinierungsstelle für queere Geflüchtete
Der Verein CSD Dresden organisiert nicht nur jedes Jahr die Pride Parade und die anschliessende Party. Auch für die Koordination queerer Geflüchteter ist man hier zuständig. Teil 3 unserer Serie zur Sachsenwahl.
Am CSD Dresden e.V. kommt man in der sächsischen Landeshauptstadt nicht vorbei. Einerseits organisieren sie den jährlich stattfindenden CSD. Dafür konnten sie dieses Jahr als Schirmherrn Holger Scholze gewinnen, der ist Präsident des Fussball-Bundesligisten Dynamo Dresden. «Niemand rechnete damit, dass er es macht», erzählt Gabriele Richter aus dem Vorstand des Vereins. «Aber er fand die Idee cool und sagte zu.» Es war das erste Mal, dass ein CSD in Deutschland den Präsidenten eines Fussballclub als Schirmherrn aufbieten konnte.
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Bisher war der CSD in Dresden eine AfD-freie Veranstaltung. Was daran liegt, dass die Partei nicht dabei sein wollte. Ein Ausschluss von CSD-Seite wäre gar nicht möglich gewesen, sagt Richter: «Der CSD Dresden ist eine Demonstration, wir haben für vier Tage ein komplettes Demonstrationsrecht – da können wir niemanden ausschliessen.» Der Verein hielte das auch für keine gute Idee, weil sie den Rechtspopulisten nicht die Möglichkeiten geben wollte, sich wieder einmal als Opfer zu gerieren.
Es gibt Leute, die dem CSD nachsagen, man wolle die AfD sogar dabei haben. Aber das weist der Verein zurück. «Dieses Jahr hätte wir wirklich gedacht, dass sie einen Stand anmelden. Dafür hatten wir uns auch schon ein Szenario überlegt: Wir hätte dann eine 7 Meter hohe Mauer aus Pappe gebaut, mit der Aufschrift Hier endet die demokratische Zone – und dahinter hätten die gestanden und an der äussersten rechten Ecke», so Richter.
Das Organisieren des CSD ist aber nur ein Teil vom Verein bzw. dessen Arbeit. Einen grossen Teil ihrer Energie widmen sie der Flüchtlingsarbeit. Dazu kam der Verein ein bisschen wie die Jungfrau zum Kind und mitten in der Nacht. Es war der 9. August im Jahr 2015 um 22.32 Uhr, das weiss der Vorstand noch genau. Damals bekam sie einen Anruf von Dresden für alle: Könnt Ihr helfen? Es ging um vier homosexuelle Flüchtlinge in einem Camp, die dort Probleme hatten.
«Wir organisieren hier eine Demo und Partys, wie sollen wir das machen?», war die erste Reaktion beim CSD-Verein. «Aber wir haben einen Tag später die Jungs da rausgeholt.»
Erstmal brachten sie sie in Hotels unter, Sponsoren des CSD. Ein Anruf beim Hoteldirektor hatte genügt: Bringt sie her!, lautete die Antwort. «Vier Wochen waren die Flüchtlinge da, und wir haben nie eine Rechnung vom Hotel bekommen», so Richter.
Auch heute machen sie das noch so, erzählt Gabriele Richter, die auch dem Projektvorstand «CSD Dresden hilft» angehört – durch dieses Projekt entwickelte sich der CSD Dresden e.V. Anfang August 2015 zu einer Koordinierungsstelle für queere Geflüchtete in Sachsen, mit Schwerpunkt in Dresden.
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Hier in der Stadt gibt es aber auch geschützte Wohnungen, 27 sind es insgesamt mit 82 Plätzen. Bei der Belegung arbeitet die Landeskoordinationsstelle in eng mit dem Sozialamt zusammen. Für Integrationsministerin Petra Köpping (SPD), der sie eines Abends im Sommer 2015 höchstpersönlich zwei Flüchtlinge nach Hause brachten, weil sie fanden, das Wir-schaffen-das-Versprechen der Politik könne nicht die Zivilgesellschaft allein stemmen, entwickelte der Verein ein Konzept für die Landeskoordinierungsstelle. Dafür erhält der CSD Dresden e.V. seither eine Förderung durch das Ministerium.
Wenn queere Flüchtlinge in den Erstausnahmeeinrichtungen Probleme kommen, werden sie dort rausgeholt – so werden sie zu sogenannten Aussenschläfern. «Der Begriff ist durch die BAMF-Landesdirektion eingeführt worden, denn eigentlich geht das nicht, dass Flüchtlinge, über deren Status noch nicht entschieden wurde, ausserhalb der behördlichen Einrichtungen wohnen. Aber wir machen das so – mit der Unterstützung des Innenministeriums.»
Wenn Geflüchtete nach Dresden kommen und sich outen, bringt sie jemand von der Landeskoordinationsstelle zur Registrierung. Vor dem Asyl-Antrag beim Bundesamt für Migration werden sie beraten. «Die ganze Arbeit, die anderswo für Flüchtlinge bei der Ablehnung ihres Antrags losgeht, machen wir schon vorher.»
2016 erhielt der Verein den Sächsischen Förderpreis für Demokratie, den verschiedene Stiftungen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung jährlich verleihen, u. a. für den «Schutz von Minderheiten und der Menschenrechte». Für das Projekt CSD Dresden hilft gab es 2016 ebenfalls den mit 3000 Euro dotierten Preis im Wettbewerb «Aktiv für Demokratie und Toleranz 2016».
Welchen Ausgang Richter am 1. September erwartet? «Es wird eine starke Mehrheit für die AfD geben, aber es wird nicht das Ende sein. Eine stabile Regierung kriegen die anderen Parteien ohne die AfD hin. Eine mögliche Untergangsstimmung, wie wir sie bei einigen anderen LGBTIQ-Vereinen und Organisationen in Sachsen wahrnehmen, sehen wir nicht.»
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«Den CSD Dresden wird es auch weiterhin geben, auch wenn bei uns, wie auch bei den anderen hängen Existenzen dran. Die Existenzen, die bei uns dranhängen, sind die beiden Geflüchteten, die wir bei der Landeskoordinationsstelle arbeiten. Aber für die beiden werden wir eine Lösung finden.»
Einer der beiden Flüchtlinge ist Oscar, er kommt aus Maracaibo, Venezuela. Er floh mit seinem Partner vor politischer Verfolgung, erst nach Spanien, dann nach Berlin, wo man ihnen vom CSD Dresden und seinem Einsatz für Flüchtlinge erzählte. Sie waren 2017 mit die ersten Venezolaner, die in Deutschland Asyl bekommen haben. Längst fühlt er sich in Dresden zu Hause, hat tolle Leute kennengelernt, wie er erzählt. Dazu zählt er auch die Menschen vom CSD, denen er dankbar für deren Hilfe ist. Bei der Landeskoordinierungsstelle unterstützt er die Geflüchteten bei der Begleitung zu anstehenden Terminen, bei der Orientierung und Erschliessung des sozialen Umfeldes, bei der Übersetzungen für Spanisch und Englisch. In Dresden fühlt er sich frei und ist «total zufrieden“, wie er sagt, und hofft, dass sich daran nach der Wahl nichts ändert.
Es werde sicher ab September in Sachsen rauer werden, glaubt, Richter, aber man könne etwas dagegen tun. «Wir können was dagegensetzen: Dann machen wir es halt noch bunter.»
Wir gehören dazu!
Zum Beispiel beim Stadtfest Dresden. Im kommenden Jahr, das ist der Plan des Vereines, soll es eine eigene Gay Area geben. Zum Auftakt hat der CSD Dresden in diesem Jahr schonmal ein Bühnenprogramm auf dem Altmarkt präsentiert – dort, wo sonst auch die CSD-Party stattfindet. «Unser Anliegen ist, stetig präsent zu sein und zu zeigen: Ja, wir gehören dazu.»
Dass die CDU nach der Wahl eine Koalition mit der AfD eingehen könnte, das glaubt Richter nicht. Und wenn die AfD doch in der nächsten Regierung sitzt, gar den Ministerpräsidenten stellt? «Dann buche ich am 2. September einen Flug und komme in fünf Jahren wieder.»
Mehr zur Wahl in Sachsen und zur Situation der LGBTIQ-Vereine im Freistaat steht in der September-Ausgabe der MANNSCHAFT (Deutschland): Hier geht es zum Abo Deutschland und hier zum Abo Schweiz.
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