Bret Easton Ellis: «Ich verstöre Leser nicht vorsätzlich»
Der offen schwule Autor veröffentlicht «Scherben»
Bret Easton Ellis, Autor von «American Psycho», veröffentlicht wieder. «The Shards» ist ein Roman über gut situierte Jugendliche, einen mysteriösen Schüler und einen Serienmörder. Ellis‘ Schilderungen sind nichts für schwache Nerven.
Von Felix Schröder, dpa
Bret Easton Ellis ist nach mehr als 12 Jahren zurück. Und wie: Der Autor liefert mit dem 736 Seiten starken Roman «The Shards» – deutsch: «Scherben» – eine hedonistische, verrückte, düstere und tragisch-komische Geschichte, die im Los Angeles der 1980er-Jahre im elitären Zirkel mehrerer Jugendlicher spielt. Zuletzt hatte Ellis 2010 «Imperial Bedrooms» veröffentlicht.
Der Autor, der 1991 für sein Werk «American Psycho» viel Kritik einstecken musste, macht sich in der Geschichte selbst zum Erzähler und zur Hauptfigur – zumindest einen Teil von sich. Die Nähe zwischen der Romanfigur, dem Jugendlichen Bret, und dem Autor ist in der Autofiktion schwer auszumachen. Laut dem 58 Jahre alten Schriftsteller ist das aber auch gar nicht so entscheidend: «Die Wahrheit wird man niemals in so etwas wie einem Roman finden. Wird nicht passieren. Mich interessiert die Wahrheit nicht wirklich», sagte Ellis im Interview von Zeit Online.
Die Hauptfigur und ihre Freunde von der Buckley-Eliteschule, nahezu alle aus wohlhabenden Verhältnissen, sind Drogen-affin und lassen keine Möglichkeit aus, sich mit Kokain und Gras zu berauschen. Aus den Lautsprechern dröhnen Blondie, The Babys und Duran Duran.
Autor Ellis ist schwul. Protagonist Bret ist bisexuell und betrügt seine Freundin Debbie mit Männern. Der Schriftsteller berichtete in einem Interview von einer Freundin in seiner Jugend, die er aus Alibi-Gründen hatte. Er beschreibt in vielen Passagen Brets sexuelle Gelüste und vor allem seine Freude am Experimentieren. Neben Bret und Debbie gibt es noch das typische Schulpärchen – bestehend aus dem beliebten Quarterback Thom und der Jahrgangsschönsten Susan im Freundeskreis.
Das Werk liest sich zunächst unbeschwert – fast so «locker-leicht», wie Bret den kalifornischen Sommer beschreibt. Eigentlich sollte das letzte Schuljahr ein Traum werden – doch es kommt anders. Die unheilvollen Ereignisse geschehen im Jahr 1981, als der mysteriöse Robert Mallory zu der Gruppe stösst. Er ist ein Mädchenschwarm, der schon damit für Fragen sorgt, weil er im Abschlussjahr auf die Schule wechselt. Bret hält ihn seit der ersten Begegnung in der Schule für einen Lügner und versucht, dem Geheimnis des rätselhaften Mitschülers auf die Schliche zu kommen.
Doch im Gegensatz zu den anderen typischen College-Geschichten mit halb-dramatischen Beziehungsstreitigkeiten webt Ellis eine düstere und verstörende Erzählung in die sonst eher heile Welt der Eliteschüler*innen hinein. Sie müssen sich mit dem schillernden, aber zugleich irgendwie bedrohlichen Los Angeles mit seinen eitlen Figuren, die alle ihre Schattenseiten haben, auseinandersetzen. Einer der Väter der Jugendlichen ist ein gut vernetzter und selbstgerechter Hollywood-Produzent, der aber insgeheim sexuelle Begierden zu viel zu jungen Schülern verspürt. Und dann gibt es noch den «Trawler», ein grausamer Serienmörder, der in der Stadt sein Unwesen treibt.
Der Leser hat nichts mit der Erschaffung eines Buchs zu tun, sorry!
Ellis ist ein begnadeter Erzähler. Er platziert immer wieder geschickt Cliffhanger, um die Spannung hochzuhalten. Für ihn ist das aber auch einfach, weil der Erzähler der älter gewordene Bret ist, der als allwissender Beobachter den Ausgang der Story kennt. Ellis stattet auch belanglose Situationen mit packenden Dialogen und unerwarteten Wendungen aus. Der Detailreichtum des Werks ist enorm.
Hier liegen aber die Schwächen, denn einige Äusserungen sind nur schwer erträglich. Grausame Schilderungen von Tatorten, vulgäre Fantasien des Protagonisten: Das Buch ist stellenweise nichts für zartbesaitete Leser*innen. Andererseits schreibt der Autor nicht für eine empfindsame Zielgruppe. Ellis wurde bereits in «American Psycho» für barbarische Details kritisiert. «Mag sein, dass ich Leser verstöre, aber ich tue es nicht vorsätzlich», sagte er in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Die Rezeption der Leser scheint Ellis nicht wichtig zu sein. «Ich denke überhaupt nicht über den Leser nach», sagte er im Interview von Zeit Online und schob hinterher: «Der Leser hat nichts mit der Erschaffung eines Buchs zu tun, sorry!»
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