LSVD kritisiert «Lügen» und «Betrug» von Jens Spahn
Das Ministerium soll die Aussagen etwa zur Blutspende nun richtigstellen
Kritik: In einem Brief berichte der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn über angebliche Erfolge, verbreite Falschinformationen und schmücke sich mit fremden Federn.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn lobe in einem Schreiben an die Regierungsfraktionen seine gesundheitspolitischen Errungenschaften für die LGBTIQ Community, erklärt Alfonso Pantisano aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD).
Die wenigen Errungenschaften, die es tatsächlich gab, seien jedoch nur auf massiven Druck der Zivilgesellschaft möglich gewesen. Das Papier enthalte zudem problematische Falschinformationen, so Pantisano.
«Das Schreiben des Bundesgesundheitsministers an die Regierungsfraktionen ist eine Mogelpackung. Spahn feiert sich für seine angeblichen Erfolge in den Bereichen Kostenübernahme für HIV-Prophylaxe, Verbot von Konversationstherapien (MANNSCHAFT berichtete), Blutspendeverbot und Forschung zu Intersexualität. Dabei sind diese Massnahmen nicht auf Initiative des Ministers, sondern auf massiven Druck aus der Zivilgesellschaft entstanden und bei weitem nicht so ‚gezielt und effektiv‘, wie er behauptet.»
Besonders haarsträubend seien Spahns Aussagen zu angeblichen Verbesserungen bei der Blutspende für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) (MANNSCHAFT berichtete). «Nicht nur, dass Spahn sich hier unverdient mit dem jahrelangen intensiven Engagement zivilgesellschaftlicher Akteur*innen und demokratischer Oppositionsparteien schmückt. Noch mehr entsetzt, dass Spahn offenbar bewusst Falschinformationen verbreitet: Zunächst einmal erweckt er im Papier den Eindruck, dass es bisher eine Gleichbehandlung von MSM und Heteros ‚mit promiskuitivem Sexualverkehr‘ gegeben habe. Das ist schlicht falsch»
Pantisano weiter: «Dann behauptet er überdies, dass mit der für September geplanten Änderung der Hämotherapierichtlinie MSM und Heteros gleichbehandelt werden. Der Blick in das Beratungsergebnis zur Überprüfung der Richtlinie zeigt jedoch: Die Diskriminierung schwuler und bisexueller Männer bei der Blutspende bleibt bestehen! Während Frauen und heterosexuelle Männer auch bei wechselnden Sexualpartner*innen spenden dürfen, gilt für schwule und bisexuelle Männer: Blutspenden darf nur, wer in einer monogamen Zweierbeziehung oder enthaltsam lebt.»
Wer das trotz besseren Wissens behauptet, lügt.
Dass der Bundesgesundheitsminister als schwuler Mann dies als Erfolg feiere, sei ein Betrug an der queeren Community. «Diese Täuschung ist nicht neu: Schon am 26. Juni 2021 hatte Spahn auf Twitter behauptet: ‚Freue mich, denn meine Initiative war erfolgreich: Der Bundestag hat die Ärztekammer zur fachlichen Überarbeitung der Blutspende-Regeln verpflichtet. Ab Herbst soll zur Spende zugelassen sein, wer in den letzten 4 Monaten nur Sex ohne Risiko hatte – egal ob mit Mann oder Frau.’»
Dass dieser Tweet kein kommunikativer Ausrutscher gewesen sei, sondern gezielte Desinformation, beweise jetzt das Schreiben an die Regierungsfraktionen. Die Diskriminierung bei der Blutspende werde nicht beendet. «Wer das trotz besseren Wissens behauptet, lügt», so der LSVD-Mann.
Das von Spahn im Schreiben so gelobte Verbot von Konversionstherapien weise so massive Schlupflöcher auf, dass seine Wirksamkeit stark anzuzweifeln sei. «Die Schutzaltersgrenze von 18 Jahren ist aus unserer Sicht viel zu niedrig und hätte mindestens 26 Jahren sein müssen. Viele Menschen outen sich erst später bei ihren Eltern und werden von diesen in Konversionsbehandlungen gedrängt. Überdies können Eltern, die ihre Kinder in die Hände dieser seelischen Gewalttätigen geben, dafür nicht bestraft werden, wenn sie darlegen können, dass sie es – salopp gesagt – mit keiner bösen Absicht getan haben. Das Schreiben enthält zudem Fehler: Wer eine verbotene Konversionsbehandlung vermittelt, handelt nicht wie dort behauptet ordnungswidrig, sondern macht sich wegen Beihilfe zur Durchführung von Konversionsbehandlungen strafbar.»
Das Papier von Spahn zeuge auch insgesamt von fehlendem Sachverstand bei LGBTIQ Themen. «Inter- und Transgeschlechtlichkeit werden unter dem Punkt „Forschung des BMG zu Intersexualität“ undifferenziert vermischt und zusammengeworfen. Das ist insbesondere bei gesundheitspolitischen Fragen höchst bedenklich, unterscheiden sich die Bedürfnisse dieser Gruppen aus medizinischer Sicht doch ganz gewaltig.»
Pantisano schliesslich: «Dass ein solches Schreiben vom Bundesgesundheitsministerium verfasst und verbreitet wird, entsetzt.» Der LSVD fordere das Ministerium auf, die Falschaussagen richtig zu stellen.
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