Bewegte Zeiten – vom Sofa aus

Gelangweilt in Pandemie? Ansichtssache!

Bild: Pixabay
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Film, Bücher und Medien werfen vergangene Zeiten in ein aufregendes Licht. Und heute? Der Samstagskommentar* von Greg Zwygart.

Kennst du dieses Gefühl? Du liest irgendwo von den Hippies in den revolutionären Sechzigerjahren oder schaust den Film über Harvey Milk mit Sean Penn, der in einer jubelnden Menge gleiche Rechte fordert, und denkst so: Boah, die haben aber in einer aufregenden Zeit gelebt, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen!

Ich versuche mir dann jeweils in Erinnerung zu rufen, dass wir selbst gerade in einer sehr bewegten Epoche leben. Musikstar Tash Sultana vergleicht unsere Ära mit der 68er-Bewegung. Auch Haar­experte Pino Zinna erzählt in der neuen MANNSCHAFT vom Wandel von Frisuren- und Modetrends, die vom Aufbrechen der Geschlechterrollen befeuert wurden.

Ich denke dann oft daran, dass sich das Bundeshaus, in dem letzten Dezember das Schweizer Parlament in einem historischen Entscheid die Ehe für alle verabschiedete, nur etwas mehr als einen Kilometer Luftlinie von unserer Redaktion in Bern befindet.

In den letzten vier Jahren öffneten Deutschland und Österreich die Ehe. Falls das Referendum der Gegner*innen durchkommt, muss das Schweizer Stimmvolk an der Urne darüber befinden (MANNSCHAFT berichtete). Das sind doch bewegte Zeiten! Und was tue ich? Ich sitze zuhause auf dem Sofa und netflixe.

Stimmt, da war doch noch die Pandemie – ein weiteres Ereignis, das ich mir bis vor Corona aufgrund von Katastrophenfilmen anders vorgestellt hatte, als in den eigenen vier Wänden im Homeoffice zu arbeiten. Ich bin aber auch kein Pflegefachmann, der täglich an der Front im Einsatz ist.

Vielleicht habe ich das Gefühl, dass unsere Zeiten etwas träge sind, weil ich die Ehe für alle in der Schweiz seit 2013 journalistisch begleite. In diesen acht Jahren habe ich Parlamentsdebatten mitverfolgt, von Rückschlägen, Verzögerungen und Fortschritten berichtet und sowohl LGBTIQ-Aktivist*innen als auch die Gegner*innen am rechten Rand interviewt.

Acht Jahre sind eine lange Zeit. Nehmen wir das zum Anlass, um einen Schritt zurückzutreten und uns die Errungenschaften der letzten Jahre vor Augen zu führen und uns daran zu erinnern, dass uns der Wandel oft viel Arbeit und Geduld abverlangt. Dann komme auch ich zur Erkenntnis, dass wir tatsächlich in bewegten Zeiten leben!

*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

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