Avi Jakobs: «Queer Eye wurde in einem kurzen Videocall abge­säbelt»

Aktuell ist die 2. Staffel von «Beyond Fashion» zu sehen

Avi Jakobs schlägt mit der neuen Staffel «Beyond Fashion» wieder eine Brücke zwischen Mode und gesellschaftlichen Themen und analysiert den Einfluss von Subkulturen auf die High Fashion. Mit MANNSCHAFT+ spracht Avi über Pronomen, die Vorteile von Sober Raves und Besuche in der Heimat.

Avi, bist du zufrieden mit der 2. Staffel «Beyond Fashion»? Ich bin total happy. Das ist natürlich immer ganz spannend, wenn man schon eine 1. Staffel gemacht hat. Die 2. Staffel war jetzt auch vom Vibe her, finde ich, ganz anders als die ersten. Und ich bin sehr, sehr glücklich. Das ist ein absolutes Herzensprojekt von mir. Das ist Aufklärungsarbeit, die mir so komplett entspricht, und deswegen bin ich so stolz, ein Teil davon sein zu dürfen.

In deinem Fall kann man, glaube ich, auch sagen: Mode macht dich glücklich. Ja, definitiv. Mode hilft mir sehr – neben Sport und Meditation – bei mir anzukommen, gerade wenn man so viel vor der Kamera steht, da ist auch oft viel Druck. Klar, den macht man sich auch selber oder: Den mache ich mir selber. Und zwischendurch muss ich eben immer sicherstellen, dass ich Me-Time habe und mal alleine bin, damit ich nicht vergesse, wer ich bin.

Me-Time und der Umgang miteinander – das ist etwas, das du immer wieder auf in deinen Reels bei Instagram thematisierst. Ja, es gab so eine Zeit, wo mir diese Arbeit so ein bisschen zu viel wurde. Am Set ständig eine Kamera auf mich gerichtet zu haben oder mein eigenes Handy für Social Media – da muss man immer sehr viel nach aussen gegeben werden, und eine Zeit lang habe ich das ein bisschen in Frage gestellt, weil ich dachte: Boah, muss ich mich immer selbst präsentieren? Da flüsterte dann eine Stimme in meinem Ohr und meinte: Kannst du nicht auch mal Zeit für dich haben?

Hat dir dabei auch «Queer Eye Germany» geholfen? Das hat mir sehr geholfen, uns allen. Es war ja eine intensive Zeit: 5 Menschen auf engstem Raum, es war ja Corona, ein harter Lockdown, aus Sicherheitsgründen gab es feste Produktionsgruppen … Das war das erste Mal, dass ich bewusst so eine coachende Rolle eingenommen habe. Ich sage bewusst, weil das schon immer so Teil meines Jobs war, auch im Salon-Alltag. Das ist ja schon sehr ähnlich, aber bei Queer Eye war es wirklich noch mal intensiver und da ist uns gegenseitig aufgefallen: Wir geben den Leuten super Tipps, aber warum halten wir uns selber nicht dran? Da haben wir dann angefangen, uns auch so gegenseitig daran zu erinnern. Es war für uns auch sehr, sehr heilend, muss ich sagen.

Und für «Queer Eye» gibt es definitiv keine 2. Staffel? Uns sagt leider niemand was. Wir wurden nur in einem ganz kurzen Videocall abgesäbelt und hatten alle wochenlang daran zu kauen, um das zu verdauen. Das war ganz schön lieblos. Wir hoffen die ganze Zeit, dass es vielleicht doch mal noch weitergeht, weil das Feedback so gut war, von den Menschen, die es geschaut haben. Ich finde auch, die 1. Staffel zählt eigentlich noch gar nicht. Die Leute wussten noch gar nicht, wer wir sind und was es für ein Format ist.

Wir haben da ein Format kreieren dürfen, das so voller Liebe ist.

Ich finde, ab Staffel 2 geht es erst richtig los: Leute bewerben sich darauf, die sind dann vorfreudig, das ist ein ganz anderer Vibe. Darum finde ich es sehr, sehr schade. Gleichzeitig war es für uns alle eine wahnsinnig tolle Zeit. Wir haben da ein Format kreieren dürfen, das so voller Liebe ist. Wir hatten ja bewusst davor beschlossen haben, viele Dinge anders zu machen als die Amerikaner, auf Augenhöhe, liebevoll, wohlwollend, unterstützend und nicht so gehässig.

Du identifizierst dich als nicht-binär. Ist das immer noch schwierig, es anderen Leuten zu erklären, etwa was das Thema Pronomen angeht? Ich habe in letzter Zeit viel über Pronomen nachgedacht und was sie mit mir machen, was sie mit anderen machen, was es in einem Gespräch ausmacht. Da mache ich es privat so, dass ich es erstmal gar nicht unbedingt kommuniziere, um den Gesprächsfluss nicht zu unterbrechen, weil das Gespräch so wertvoll für mich ist und ich dachte: Das spielt vielleicht gerade keine Rolle oder hat nicht so viel Gewicht, weil viele dann ins Stolpern geraten. Und ich möchte, dass Menschen in einem Gespräch trauen, sich fallen zu lassen, denn da entsteht ja so eine Magie. Und dann hat das so viel mehr Wert, weil man entspannter ist. Im Englischen ist es mit dem they ja total natürlich und viel einfacher, im Deutschen eben nicht. Mein Favorit ist eigentlich dey oder they – und das kommuniziere ich dann so gerade unter queeren Menschen oder Menschen, die sich schon damit auskennen.

Und eigentlich habe ich das sie, feminin singular, für mich gewählt, weil ich mich damit viel mehr identifizieren kann als mit dem er. Das er pikt und oder es hat gepickt. Ich bin jetzt dabei, das aufzulösen, weil ich immer dachte: Jeder Trigger ist eine Chance auf Heilung. Also: Warum pikt dieses er? Ich bin dabei, es zu akzeptieren, genauso wie meinen alten Namen. Der ist immer noch am Piken. Das ist ja alles ein Teil von mir und ich verstehe, warum Menschen mich so ansprechen wegen meines Aussehens, wegen dieser «Fleischhülle», in der ich gelandet bin.

Sind Gespräche darüber anstrengend? Alles, was mit Identität zu tun hat, kann schon echt schwierig sein. Ich gucke dann immer: Wie fühle ich mich im Moment, habe ich dafür jetzt die Energie oder möchte ich sie dafür aufbringen? Wenn ich das Gefühl habe, die andere Person hat kein echtes Interesse, denke ich mir: Wenn du es wissen willst, dann google es. Das ist deine eigene Hausaufgabe. Wenn aber der Vibe stimmt und ehrliches Interesse besteht und es gibt eine schöne Harmonie, dann gehe ich da auch gerne mal rein.

Du wohnst in Berlin, kommst aber aus dem deutlich kleineren Aalen in Baden-Württemberg. Bist du noch gerne dort? Ich bin damals mit 18 weggegangen, erst nach München und vor acht Jahren nach Berlin. Was Aalen angeht, hatte ich sehr viele unterschiedliche Phasen und Emotionen. Eine Zeitlang hat sich mir alles zugeschnürt, ganz schlimm, ich wollte gar nicht mehr da hin und wollte dieses Gefühl nicht mehr haben. Aber ich konnte diese ganzen Sachen ablegen, und jetzt fahre ich sogar total gerne wieder dahin. Da hat sich auch vieles geändert: Die Leute sind viel offener geworden und viel liebevoller, was Menschen angeht, die nicht deren Norm entsprechen. Ich kann diese Ruhe dort heute total geniessen und die Schönheit des Marktplatzes mit den schönen alten Häusern. Ich bin älter geworden, aber ich habe auch an mir gearbeitet, dadurch triggert mich da nicht mehr so viel.

Schaffst du es, noch ab und zu feiern zu gehen? Ich war durch Social Media schon relativ bekannt, bevor diese TV-Reichweite dazu kam und das ist schon intense. Einfach mal so in einem Club feiern gehen, gerade wenn es ein queerer Club ist, das ist manchmal fast wie ein Meet and Greet. Das kann ich eigentlich nicht mehr machen, ausser ich möchte mich mal zeigen und für die Community da sein. Aber es ist dann kein richtig freies Tanzen, weil in der Community alle einen kennen.

Mein Ausgleich ist dann: Tanzen auf einem Sober Rave. Man trinkt da keinen Alkohol, sondern berauscht sich an der Musik. Das finde ich total schön, denn wenn Menschen viel Alkohol trinken, finde ich das schnell unangenehm, mich selber auch manchmal. So einen Techno Club, wo die Leute eher so andere Drogen konsumieren, finde ich viel angenehmer und dann denke ich: Es wäre doch total schön, wenn alle einfach nüchtern und klar wären, weil es viele Probleme dann nicht gibt.

Jahrzehntelang arbeitete Iris Apfel erfolgreich als Designerin, unter anderem für neun US-Präsidenten. Erst im hohen Alter wurde sie zur Stil-Ikone. Jetzt ist Apfel mit 102 Jahren gestorben (MANNSCHAFT berichtete).

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