«Ammonite» – Kate Winslet war «nie so stolz auf eine Liebesszene»
Ab nächste Woche in den deutschen und österreichischen Kinos
Der Schauplatz von «Ammonite» ist eine schroffe Küste in Südengland im 19. Jahrhundert. Um die reale Figur der Fossiliensammlerin Mary Anning rankt Regisseur Francis Lee eine fiktive Liebesgeschichte. Kate Winslet und Saoirse Ronan glänzen als Liebespaar. Von Barbara Munker, dpa
Der Titel des Kostümdramas «Ammonite» spielt auf die grosse Leidenschaft der Fossiliensammlerin Mary Anning an. Die Paläontologin lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Südengland in dem Küstenort Lyme Regis. Entlang der schroffen Steilküste entdeckte sie schon als Kind Versteinerungen, von Millionen Jahre alten Ammoniten (eine ausgestorbene Tierart, die im Meer lebte) bis zu seltenen Saurier-Skeletten.
Oscar-Preisträgerin Kate Winslet (46, «Der Vorleser) spielt die verschlossene, verhärmte Frau, die in der von Männern dominierten Wissenschaftswelt zu ihrer Lebzeit nicht die verdiente Anerkennung für ihre Fossilienfunde erhielt. Mit ihrer Sammelleidenschaft verdiente Anning den knappen Lebensunterhalt für sich und ihre kränkelnde Mutter (Gemma Jones). Sie präparierte die Fundstücke und verkaufte sie an Tourist*innen, Kolleg*innen und Museen. Erst Jahrzehnte später wurde ihre akribische Arbeit als Beitrag zum Nachweis für das Aussterben von Tierarten gewürdigt.
Allein diese Geschichte der verkannten Wissenschaftlerin im viktorianischen England wäre ein spannendes Porträt. Doch der britische Regisseur Francis Lee rankt um die historische Figur eine fiktive Romanze, die ein weiteres Tabu der damaligen Zeit aufgreift – Anning unterhält geheime Liebschaften mit Frauen.
In der frostigen, zugeschnürten Welt, in der Anning mit langen Röcken mühsam über Sand, Geröll und Felsen klettern muss, werden Gefühle nur mit minimalen Gesten ausgedrückt. Das ist anfangs auch der Fall, als die scheue Ehefrau des wohlhabenden Londoner Geologen Roderick Murchison in Annings Leben tritt. Das Ehepaar war im wirklichen Leben mit der Fossiliensammlerin bekannt.
In «Ammonite» lässt Murchison seine «melancholische» Gattin in dem Küstenort zur Erholung zurück, als er auf Forschungsreise geht. Er bittet Anning, gegen Bezahlung, sich um die zerbrechliche Charlotte zu kümmern. Für die schweigsame Sammlerin ist das zunächst eine Bürde, doch dann verwandelt sich die spröde Kühle zwischen den ungleichen Frauen in Leidenschaft.
Winslet, die im Frühjahr zu Protokoll gab, sie kenne mindestens vier Schauspieler, die ihre Homosexualität verstecken (MANNSCHAFT berichtete). und Saoirse Ronan (27, «Lady Bird», «Little Women») stehen zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera, doch in den intimen Liebesszenen wirken sie völlig vertraut. «Saoirse und ich haben die Szene selbst choreographiert», sagte Winslet 2020 vor der Weltpremiere des Films beim Filmfest in Toronto dem Branchenblatt Hollywood Reporter. Sie hätten sich beide sehr sicher gefühlt. «Nie zuvor war ich so stolz auf eine Liebesszene, wie bei dem Dreh für ‚Ammonite’», betonte die Oscar-Preisträgerin. Sie sei überhaupt nicht verlegen gewesen.
Fingerspitzengefühl und Sensibilität hatte Regisseur Lee schon 2017 in seinem mehrfach prämierten Regiedebüt «God’s Own Country» bewiesen. Darin verliebt sich ein junger Farmer im Norden Englands völlig überraschend in einen Saisonarbeiter aus Rumänien. Auch in dieser schwulen Liebesgeschichte fallen nicht viele Worte, in «Ammonite» geht Lee noch einen Schritt weiter. Die Einsamkeit der Charaktere in ihrer schroffen Umwelt ist ständig greifbar, auch wenn sie von Leidenschaft und Begierde gepackt werden. Es wird wenig gesprochen, kleine Gesten und Blicke reichen.
Sanft untermalt wird «Ammonite» von den Klavierkompositionen des deutschen Musikers Volker Bertelmann, bekannt unter dem Künstlernamen Hauschka. Zusammen mit dem US-Kollegen Dustin O’Halloran schrieb er die Musik für das Liebesdrama. 2017 waren Bertelmann und O’Halloran für den Soundtrack zu dem Film «Lion» im Oscar-Rennen.
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