«Ich will für LGBTIQ-inklusivere Lehrpläne kämpfen»

Der junge US-Bildungsexperte Allister Chang strebt in die Politik und gewinnt

Allister Chang (Foto: Cassidy Duhon)
Allister Chang (Foto: Cassidy Duhon)

In zwei Wochen tritt er gegen Donald Trump und seine LGBTIQ-feindliche Bildungspolitik an – auf regionaler Ebene. Der junge US-Amerikaner, Allister Chang, will in Washington D.C. künftig mitreden, etwa wenn es um Bildungspläne oder die Bekämpfung von Mobbing geht.

Am 3. November wird in den USA gewählt. Aber an diesem Tag entscheidet sich nicht nur, wer als Präsident das Land in den kommenden vier Jahren führt; auch auf regionaler Ebene wird gewählt, etwa in der Hauptstadt: Washington D.C. Der Bundesdistrikt ist kein Bundesstaat und gehört auch keinem der 50 US-Bundesstaaten an. Die rund 670.000 Einwohner*innen hier dürfen deswegen weder Senator*innen noch stimmberechtigte Abgeordnete in den US-Kongress wählen.

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In D.C. geht es am 3. November nun um die Besetzung des Board of Education. Dieses Gremium ist für die Verwaltung der öffentlichen Bildung des Distrikts bis zum 12. Schuljahr verantwortlich. Offiziell soll hier sichergestellt werden, «dass jeder Schüler geschätzt wird und die Fähigkeiten und Kenntnisse erlernt, die erforderlich sind».

Die Arbeit ist hier ist auch im Sinne von LGBTIQ entscheidend, denn Trump Bildungsministerin Betsy DeVos (die regelmässig an der Bibelstunde im Weissen Haus teilnimmt – MANNSCHAFT berichtete) hat für Minderheitenrechte wenig übrig. 2018 hatte sie offiziell bestätigt, dass ihr Ministerium Beschwerden von trans Student*innen über den Zugang zu Toiletten und Umkleideräumen sowie eine Reihe anderer Beschwerden über Diskriminierung von trans Personen nicht mehr untersuchen werde. Zuvor hatte die US-Regierung von Präsident Trump die Freizügigkeitsrechte von trans Menschen rückgängig gemacht (MANNSCHAFT berichtete).

Allister Chang (Foto: Cassidy Duhon)
Allister Chang (Foto: Cassidy Duhon)

Einer, der sich in dieses Gremium wählen lassen will, ist Allister Chang. In dem Bezirk, den er übernehmen will, wird traditionell parallel zur Präsidentschaftswahl gewählt. Ebenso wie der neue Hausherr der Weissen Hauses: für vier Jahre. Chang hat die Wahl gewonnen und erhielt erste Glückwünsche über Twitter.

 Chang ist offen schwul und hat asiatische Wurzeln: Seine Eltern wanderten einst aus China in die USA aus. «Ich wäre der erste Asiate hier in einem offiziellen Amt», erklärt im Gespräch mit MANNSCHAFT.

Besonders viele Mitglieder der LGBTIQ-Community arbeiten hier nicht in vorderster Stelle, nicht im Council jedenfalls, dem Rat des Districts of Columbia, sagt der 30-Jährige. Immerhin hat das Board of Education ein offen schwules Mitglied: Jack Jacobsen, der nicht mehr antritt, und dessen Platz Chang erobern will. Acht Jahre war Jacobsen im Amt, als einzige geoutete Person im Board und zugleich der höchstrangige geoutete Politiker auf lokaler Regierungsebene von D.C.

«Es braucht jemanden, der für LGBTIQ-inklusivere Lehrpläne kämpft und sich für LGBTIQ-Themen einsetzt», sagt Chang. Dazu gehört, Präventionsprogramm gegen Bullying voranzubringen – und dafür zu sorgen, dass sie auch wirklich umgesetzt werden. Denn Pläne gebe es eigentlich schon, so der Nachwuchspolitiker.

Bedrückendes Schulklima für LGBTIQ Einer US-weiten Befragung zum Schulklima aus dem Jahr 2017 zufolge fühlten sich 59,5% der LGBTQ-Schüler*innen aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität nicht sichert. Etwa jede*r dritte Student*in hatte deswegen zum Zeitpunkt der Befragung bereits „mindestens einen ganzen Schultag im letzten Monat» versäumt. Und vier von 10 Schüler*innen meiden nach Geschlechtern getrennte Räume in der Schule, weil sie sich dort nich sicher fühlen, etwa Toiletten.

Eine bedrückend überwältigende Mehrheit der queeren Schüler*innen (98,5%) hat schon Sprüche gehört, dass dieses oder jenes «total schwul» sei. Immerhin 91,8% gaben an, dass sie sich aufgrund solche Äusserungen bedrückt fühlten.

Eng verwandt damit ist ein weiteres Anliegen von Chang: safe passage. Gemeint ist der Schulweg einerseits, aber auch die Gewähr, dass sich Schüler*innen sicher auf dem Gelände der Schule bewegen und aufhalten können. Das trifft speziell auf LGBTIQ-Schüler*innen zu.

«Ausserdem setze ich mich für mehr Gay-Straight-Alliances in den Schulen ein. Das war Jack in den vergangenen Jahren auch schon ein Anliegen, und ich will das fortsetzen.»

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Im Bildungsbereich ist Allister, der mit seinem deutschen Ehemann in Washington lebt, schon länger tätig. Etwa als Executive Director der Libraries Without Borders und als Gastforscher des UNESCO Instituts für lebenslanges Lernen. Sein Hauptthema im Wahlkampf: Analphabetismus bekämpfen.

Denn in D.C. genügen nur 30 % der Viertklässler*innen den Anforderungen beim Lesen, das zeigte sich erst im vergangenen Jahr. «Ein riesiges Problem, noch dazu in der Hauptstadt der USA – das ist beschämend!»

Warum es ihn jetzt in die Politik zieht? «Ich bin sehr genervt von der Bundespolitik, besonders von Betsy DeVos. Ich denke, auf lokaler Ebene kann ich wirklich etwas bewegen.» Und gerade wenn Trump wieder gewählt werden sollte, so Chang, «ist das, was wir auf lokaler Ebene machen, enorm wichtig für die Art, wie Schüler lernen – gerade wenn sie einer Minderheit angehören».

Wenn er gewählt wird, will er dafür kämpfen, dass mehr LGBTIQ-Themen in die Lehrpläne für Gemeinschaftskunde aufgenommen werden, zusätzlich zu den wichtigen Gesundheitsthemen. Die Pläne für Social Studies seien in D.C. seit zwei Jahrzehnten nicht überarbeitet worden, so Chang. «Es ist an der Zeit.»

Dabei ist es leider möglich, dass von der Bundesebene her Mittel gestrichen würden, um zu verhindern, dass in der Schule «zu viel» über LGBTIQ gesprochen werde.

In Zeiten von Corona ist es mit dem Wahlkämpfen schwierig. Chang trifft seine potenziellen Wähler*innen zum Teil auf den Märkten, mit Abstand und Maske; aber von Tür zu Tür gehen und mit den Leuten reden – das gehe gerade nicht.

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Dass er gerade, nicht wie sonst, durchs Land reisen kann, macht für ihn auch eine Vorhersage schwierig, für wen die Stimmung günstig ist – für Trump/Pence oder den Herausforderer Biden und die Vize-Kandidatin Kamala Harris (MANNSCHAFT berichtete).

«2016 wusste ich, dass es Trump würde, weil ich viel im Land unterwegs war und mit Leuten gesprochen haben, mit Menschen ausserhalb meiner Blase. Diesmal bin ich hauptsächlich in D.C. und hier wählt keiner meiner Nachbar*innen Trump», so Allister Chang. «Aber das ist eben nur meine Blase.»

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