40 Jahre Buchladen Eisenherz – «Das musste damals sein!»

Der erste schwule Buchladen Deutschlands wurde 1978 gegründet

Lang ist’s her: Peter Hedenström vor dem Buchladen Eisenherz (Foto: Peter Hedenström)
Lang ist’s her: Peter Hedenström vor dem Buchladen Eisenherz (Foto: Peter Hedenström)

Der Buchladen Eisenherz wird 40 Jahre alt. Das ist für einen Buchladen an sich schon eine Leistung. Doch Eisenherz ist ein besonderer Laden, der 1978 als erster schwuler Buchladen Deutschlands gegründet wurde. Vier Männer wagten damals den Schritt.

„Wir hatten alle kein Geld. Wir haben uns reingestürzt, ohne zu wissen, was uns erwartet, aber wir wussten: Das muss sein!“, erzählt Peter Hedenström, einer der Ur-Prinzen. Und so eröffnete der Buchladen am 12.11.1978 seine Türen in der Bülowstrasse, zuvor hatte es im SchwuZ noch eine Benefiz-Veranstaltung für einen Teppichboden gegeben. Geld war knapp.

„Unser erster Laden war klein und übersichtlich, man ging ein paar Stufen hoch. Wir hatten damals noch Ofenheizung“, erinnert er sich. Von der Straße aus war er als schwuler Buchladen zu erkennen: Es gab zwei große Schaufenster, die Auslage sprach für sich. „Wir haben nie schlechte Erfahrungen gemacht, nur einmal mussten wir Spucke abwischen vom Schaufenster.“ Zwar bekamen die Eisenherzen Drohbriefe, in denen sie u. a. als schwule Säue bezeichnet wurden. „Aber wir haben uns nie bedroht gefühlt.“

So fing es 1978 mit dem Buchladen „Prinz Eisenherz“ an (Foto: Screenshot)
So fing es 1978 mit dem Buchladen „Prinz Eisenherz“ an (Foto: Screenshot)

Der Laden hat sich nicht nur zu einer Institution der Szene entwickelt, hier wurden auch wichtige Impulse in die Berliner Community gegeben, wie z.B. der queere Filmpreis „Teddy Award“ im Rahmen der Berlinale, der heute als der weltweit wichtigste queere Filmpreis gilt und bei Eisenherz aus der Taufe gehoben wurde. Auch das queere Berliner Stadtmagazin Siegessäule hat hier ihren Ausgang genommen.

Damals, Ende der 70er und auch noch in den 80ern, war ein Buchladen weit mehr als ein Ort für Literaturfans. „Es war ein Treffpunkt, wir waren aber auch Auskunftsbüro und Beratungsstelle: Wo man kann man heute ausgehen?“, erzählt Hedenström.

Du musstest zu dir stehen, wenn du reingegangen bist

Hedenström, der nach 25 Jahren bei Eisenherz ausgestiegen ist, hat noch nachträglich von vielen Schwulen gehört, die sich eine Weile vor dem Lande hermgedrückt haben wie man es vor schwulen Kneipen tat, bis man sich das erste Mal reintraute. „Das war ein Schritt, da hat man sich zu erkennen gegeben“, sagt Hedenström. „Du musstest zu dir stehen, wenn du reingegangen bist.“

Man hatte damals den Anspruch, alles im Sortiment zu haben, was sich mit schwuler Identität oder schwulem Leben befasste. „Wir wollten so komplett sein wie möglich, auch was Bücher in englisch, polnisch oder französich angeht.“

Die großen Verlage waren da anfangs wenig hilfreich. Peter Hedenström erinnert sich an den Besuch eines Vertreter des Fischerverlages.

Es war eine Entdeckungsreise, die wir gemeinsam mit den Verlagen gemacht haben

„Er ging durch den Laden und sagte, ich habe eigentlich nichts für Sie. Dabei waren gerade die Tagebücher von Thomas Mann rausgekommen! Dann sind wir seine Liste durchgegangen, und es gab ganz viele relevante Autoren … Das wuste er alles gar nicht. Es war eine Entdeckungsreise, die wir gemeinsam mit den Verlagen gemacht haben.“

Zudem haben die Eisenherzen große Unterstüzung aus Amerika erfahren, vom Buchladen Giovannis Room, der 1973 in Philadelphia eröffnet hatte. „Da war ich auch für eine Zeit und habe da gearbeitet. Die haben uns unglaublich unterstützt, haben uns immer Listen von neuen Büchern geschickt.“

Solidarität zwischen Berlin, Hamburg und Stuttgart Es gab damals auch große Solidarität zwischen den schwulen Buchläden bundesweit, etwa mit „Männerschwarm“ in Hamburg, den es heute nicht mehr gibt, oder mit „Erlkönig“ in Stuttgart. War jemand krank, half man sich untereinander aus. Und als 1987 Thomas Ott in seinem Buchladen von einem psychisch Kranken mit einem Messer niedergestochen wurde und 50 Tage im Koma lag, ist sofort jemand aus Berlin hingefahren und hat den Laden am Laufen gehalten.

Eine gut besuchte Veranstaltung im Eisenherz (Foto: Peter Hedenström)
Eine gut besuchte Veranstaltung im Eisenherz (Foto: Peter Hedenström)

2004 wurde der ursprüngliche Name „Prinz Eisenherz“ 2004 zu „Eisenherz“ geändert, um allen Mitgliedern der LGBTIQ-Gemeinde Raum zu geben und das auch nach außen symbolisch sichtbar zu machen.

Unter den jetzigen Geschäftsführern Roland Müller-Flashar und Franz Brandmeier wurde das Sortiment längst um vor allem lesbische und feministische Inhalte erweitert, weil ein rein schwuler Buchladen nicht mehr zeitgemäß erschien. Auch Frauen begannen irgendwann bei Eisenherz zu arbeiten.

Und wenn niemand kam, dann sind wir mit dem Autor einen saufen gegangen

40 Jahre gibt es Eisenherz nun schon, am vergangenen Sonntag wurde das Jubiläum schonmal groß gefeiert. Man macht natürlich weiter, trotz harter Konkurrenz durch Amazon. Die Vorteile eines Buchladen liegen für Hedenström auf der Hand: Der Austausch mit den Kunden ist so wichtig, außerdem macht Amazon keine Lesungen, Eisenherz hat immer Lesungen gemacht. „Das war immer schön“, erinnert er sich. „Und wenn mal keine Zuhörer kamen, dann sind wir mit dem Autor einen saufen gegangen.“

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