Verprügelt und verhöhnt: Schwulenhass in München
Gregor wollte seinen 30. Geburtstag feiern, als er homofeindlich beschimpft und verletzt wurde
Schwulenhass in München: 2017 wurde Gregor Opfer eines Hassverbrechens, als er im Glockenbachviertel seinen 30. Geburtstag feierte. Bis er sich danach wieder unbefangen in der Öffentlichkeit bewegen konnte, dauerte es eine ganze Weile.
Gregor war damals im Mai mit Freunden im Glockenbachviertel unterwegs, wo er seinen 30. Geburtstag feiern wollte. Die beiden anderen Männer waren als Paar unterwegs, so wurde eine Gruppe von drei jungen Männern auf sie aufmerksam. Einer schlug auf Höhe der Prosecco-Bar zu, nachdem er Gregor als «Scheiss Schwuchtel» beschimpft hatte. Der fiel zu Boden, verletzte sich am Kopf; sein Auge war zertrümmert. Ersthelfer kamen hinzu, die Polizei wurde alarmiert.Es waren junge Polizisten, erinnert sich Gregor im Gespräch mit MANNSCHAFT, fast drei Jahre danach. Ihn, der brutal verprügelt worden war, fragten sie, ob er Alkohol getrunken habe. Als er das bejahte, meinten sie, dann sei ja alles klar. «Sowas passiert in betrunkenem Kopf schnell mal.»
Erst später zeigte sich die Polizei verständnisvoll und entschuldigte sich für das Verhalten der Streifenpolizisten vor dem Prosecco. Sie seien mit der Situation offenbar überfordert gewesen, hiess es. Wie kann das sein?
Was den derzeitigen Stand der Ausbildung bei der Polizei in Bayern betrifft, finde eine spezifische, gezielte Auseinandersetzung mit der Thematik «Schwule und Lesben, LGBTIQ-Belange» im 2. Ausbildungsabschnitt (AAB) statt, wie MANNSCHAFT auf Anfrage aus dem Innenministerium in München erfuhr.
Persönlichkeitsbildung durch homosexuelle Polizeibedienstete «Es werden Teilaspekte aus diesem Themenkreis – wie etwa das polizeiliche Rollenverständnis, die soziale Rolle des Polizeibeamten in der Gesellschaft, Gleichstellung, Wertvorstellungen und Normen – in den Fächern Persönlichkeitsbildung und vor allem Berufsethik intensiv, u. a. in Form von Projekttagen oder durch Referenten des Vereins lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol) Bayern e.V. vermittelt.»
Zum Ausbildungsplan gehöre u. a. 1 Unterrichtseinheit (UE) «Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz», 2 UE «Vielfältigkeit in Polizei und Gesellschaft» (auch sexuelle Orientierung); dazu kommen u.a. 5 UE «Soziale Randgruppen: Sozialstruktur in Deutschland; ausgewählte Personengruppen» und 2 UE «Vielfältigkeit in Polizei und Gesellschaft».
Polizist*innen sollen ethisch korrekten und sozial verantwortlichen Umgang mit Schwulen und Lesben lernen.
Ziel sei «eine sozialadäquate und werteorientierte Polizeiausbildung, die es den Beamten ermöglicht, ihr polizeiliches Handeln auf eine Vielzahl unterschiedlichster Anforderungen abzustellen. Dazu gehört auch der ethisch korrekte und sozial verantwortliche Umgang mit gesellschaftlichen Gruppierungen wie Schwulen oder Lesben u. ä. – sowohl nach aussen wie auch nach innen.»
Gefasst wurden die Täter nicht. Nach vier Monaten wurde der Fall eingestellt. Christopher Knoll von der Beratungsstelle im Schwulenzentrum SUB erklärte damals, schwule Opfer von Hassgewalt gingen oft nicht zur Polizei. Sie glaubten, eine Anzeige bringe nichts, noch dazu wollten sie sich nicht auch noch homofeindliche Äusserungen von Polizist*innen antun. Besonders ausgeprägt ist das Vertrauen in die Polizei auch heute nicht auf Seiten der LGBTIQ-Community, wie kürzlich eine Umfrage auf MANNSCHAFT.com zeigte.
Wobei die verachtenden Sprüche im Fall von Gregor auch aus der Community kamen. Über GayRomeo wurde er immer wieder beschimpft. Man hätte ihm das andere Auge auch noch zertrümmern sollen, gehörte zu den beleidigenden Kommentaren. «Leider reagieren die Leute so, wenn jemand Aufmerksamkeit erhält», sagt Gregor. Damals berichteten viele Medien bundesweit über die Hassattacke im Glockenbachviertel.
Mittlerweile wohnt Gregor in Hamburg. Der gebürtige Bremer wollte zurück in den Norden. Es ist nicht so, dass er wegen des Angriffs vor drei Jahren geflohen wäre, sagt er, auch wenn manche das vielleicht glauben.
In den ersten Monaten war es für Gregor noch schwierig, wenn ihn jemand in der Öffentlichkeit am Arm berührte oder sonstige Art Zuneigung zeigen wollte. Dann habe er sich zur Sicherheit erstmal umgeschaut. Nach eineinhalb Jahren habe sich das aber gelegt.
Nach vorläufigen Zahlen aus dem Polizeipräsidium wurden im vergangenen Jahr insgesamt mindestens 15 Delikte «gegen die sexuelle Orientierung» registriert, wie die Süddeutsche kürzlich berichtete. Im Jahr 2018 hatte die Polizei nur sechs derartige Attacken verzeichnet, davor – im Jahr, als Gregor verprügelt wurde – sollen es ebenfalls insgesamt 15 gewesen sein.
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