Schüler in Münchner U-Bahn vergewaltigt? Angeklagter schweigt
Es geht auch um Rassismusvorwürfe gegen die Polizei und Fragen der Asylpolitik
Vorm Landgericht München I begann der Prozess gegen einen heute 21-jährigen Afghanen, der im Sommer 2023 einen Touristen aus Polen auf einem U-Bahnhof vergewaltigt haben soll (MANNSCHAFT berichtete). Die polnische Regierung bestellte damals den deutschen Botschafter ein und geisselte die deutsche Migrationspolitik.
Der Fall sorgte für Schlagzeilen und eine aussenpolitische Staatsaffäre. Zur Erinnerung: Ein 18-jähriger Pole, damals von Medien als Schüler bezeichnet und mit Freund*innen zu Besuch in Bayern, wurde in einer U-Bahnstation im Stadtzentrum von München nachts mussmasslich vom zu dem Zeitpunkt 20-jährigen Wahidullah H. vergewaltigt.
Der zwischenzeitlich abgelöste Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der nationalkonservativen PiS forderte 2023 die Einbeziehung polnischer Staatsanwält*innen in die Ermittlungen. Der deutsche Botschafter wurde einbestellt, die polnische Regierung wollte sogar eigene Staatsanwälte in München ermitteln lassen.
Nun hat diese Woche vorm Landgericht München I der Prozess gegen H. begonnen. Der Angeklagte schweigt – und polnische Medienvertreter suche man im Sitzungssaal vergeblich, schreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrem Bericht über den Prozess.
«Die Tat zu leugnen, würde wenig Sinn ergeben» «Mein Mandant wird sich schweigend verteidigen», verkündet H.s Rechtsanwältin Rita Drar. «Wobei die Tat zu leugnen, ohnehin wenig Sinn ergeben würde: Der Tatort, die U-Bahn-Station am Max-Weber-Platz, ist mit etlichen Kameras bestückt, die in jener Augustnacht genau aufzeichneten, was am Bahnsteig geschah», so die SZ.
Was geschah ist laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft dies: Der polnische Tourist hatte sich am Abend des 19. August 2023 mit Freund*innen in einem Irish Pub in der Innenstadt getroffen und dort «in nicht unerheblicher Menge alkoholische Getränke konsumiert». Es war schon weit nach Mitternacht, als er mit der U-Bahn am Max-Weber-Platz strandete. Dort konnte er «aufgrund seines erheblich alkoholisierten Zustands» den Heimweg nicht mehr fortsetzen. Er habe mehrere Minuten auf dem Boden des Bahnsteigs gekauert und es dann geschafft, sich auf einen Sitzplatz zu schieben, wo er die Ellenbogen auf den Knien abstützte und teilnahmslos verharrte.
Zirka eine halbe Stunde später fuhr um 2.27 Uhr die letzte U-Bahn ein, H. stieg aus dem Zug. Die Staatsanwaltschaft erklärt, er habe erkannt, dass es sich um die letzte Bahn gehandelt habe und mit dem Auftauchen weiterer Personen um diese Uhrzeit nicht zu rechnen sei. Der Angeklagte soll den Betrunkenen eine Zeit lang beobachtet und erkannt haben, dass der 18-Jährige kaum mehr in der Lage gewesen sei, sich zu wehren.
Gestohlenes Mobiltelefon führte Polizei zum Tatverdächtigen Über eine halbe Stunde lang soll H. danach an dem Geschädigten gezogen und gezerrt, ihn begrapscht und mehrmals vergewaltigt haben. Der betrunkene junge Mann soll vergeblich versucht haben, sich zur Wehr zu setzen. Er sei jedoch aufgrund der erheblichen Alkoholisierung nicht einmal mehr in der Lage gewesen, sich zu äussern oder sich zu entfernen, so die Staatsanwaltschaft. Nach der Tat soll H. seinem Opfer noch das Handy entwendet haben. Das Opfer konnte sein Mobiltelefon am nächsten Tag orten, was die Polizei zum Tatverdächtigen führte.
Der Geschädigte befinde sich in psychologischer Behandlung und könne das Geschehene nicht vergessen
Christos Perperidis, Anwalt
Der Geschädigte, so erzählt sein Anwalt Christos Perperidis jetzt vor Gericht, leide bis heute unter der Tat. Er befinde sich in psychologischer Behandlung und könne das Geschehene nicht vergessen. Er werde nicht persönlich im Gericht erscheinen müssen, die Kammer wird seine Vernehmung per Video einspielen, heisst es.
«Politik hat in einem Strafverfahren nichts zu suchen» Die Anwältin des Beklagten, Rita Drar, erhob in ihrer Eröffnungserklärung am Freitag schwere Vorwürfe gegen die Münchner Polizei. Diese hatte nach dem Vorfall im letzten Jahr zunächst fälschlicherweise mitgeteilt, die Vergewaltigung habe mehrere Stunden gedauert und sich erst einen Tag später korrigiert. «Jetzt war das Kind aber schon in den Brunnen gefallen», kritisierte Drar. «Die Nationalität des Tatverdächtigen ging schon am selben Tag durch alle Medien.» Nur deshalb habe der Fall international Schlagzeilen gemacht, meint Drar.
Der Fall habe den bayerischen Landtag beschäftigt, die Nationalität ihres Mandanten sei zum Thema und in der Folge in der Diskussion um den Vorfall rassistisch instrumentalisiert worden. «Der Vorfall wurde zum Politikum», so Drar. Politik habe aber «in einem Strafverfahren nichts zu suchen». In wie weit diese Argumentation den Fortgang des Prozesses und das mögliche Strafmass beeinflussen werden, wird sich zeigen.
Mehr lesen > Gewaltschutz für queere Frauen in Österreich ist «enttäuschend» (MANNSCHAFT berichtete)
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