SPD-Aussenpolitiker Michael Roth: Nach Bundestagswahl bin ich raus
Die Frage von Krieg und Frieden habe in seiner Partei für eine neue Härte gesorgt
Michael Roth gilt als selbstbewusst, meinungsstark. In der SPD mischt er seit langem vorn mit. Nun teilt der offen schwule Politiker überraschend mit, dass 2025 Schluss sein soll mit der Politik. Die Gründe lassen aufhorchen.
Der langjährige SPD-Außenpolitiker Michael Roth will sich nächstes Jahr aus der Politik zurückziehen. «Als Politiker muss man sich ohnehin alle vier Jahre fragen, ob man noch will, noch kann, noch darf. Und ich will nicht mehr», sagte der 53-jährige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses dem Magazin «Stern». «Bis zur Bundestagswahl mache ich noch. Danach bin ich raus.»
Roth begründete die Entscheidung mit einer schleichenden Entfremdung von Partei und Politikbetrieb. Für ihn sei immer klar gewesen, dass er nicht als Abgeordneter in Rente gehen wolle. Seit einiger Zeit merke er: «Ich habe den Biss nicht mehr. Ich spüre eine innere Distanz zum Betrieb. Jetzt ist mal Schluss mit Politik. Das ist ein gutes Gefühl.»
Der hessische Abgeordnete, der 2019 ohne Erfolg für den SPD-Vorsitz kandidierte (MANNSCHAFT+), verwies zugleich auf seine wachsende Distanz zur SPD. «Ich bin leidenschaftlicher Sozialdemokrat, wollte ja auch mal Vorsitzender der SPD werden. Aber im letzten Jahr habe ich gemerkt, dass ich mit unseren Sitzungen immer mehr fremdele, dass mich die Gremien stören, die Stimmung darin. Wenn die Tür zum Fraktionssaal aufging, hatte ich zuletzt den Eindruck, ich steige in einen Kühlschrank.»
Die Frage von Krieg und Frieden habe in der SPD für eine neue Härte gesorgt. «Mein früher Einsatz für die Ukraine gefiel nicht allen. Und als ich kurz nach Kriegsausbruch in das Land reiste, grüssten mich manche in der Fraktion nicht einmal mehr», sagte Roth. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass er eine Mitverantwortung für die Entfremdung trage: «Ich habe öffentlich viel für meine Positionen gekämpft, das Gespräch mit Kollegen dafür vernachlässigt.»
Roth, der im Jahr 2022 einige Monate wegen einer mentalen Erschöpfung pausiert hatte, sprach auch über die Härte des Politikbetriebs. «Spitzenpolitiker brauchen heutzutage eine absolute Stressresistenz, eine bis ins Übermenschliche gehende mentale und physische Stärke. Die Fähigkeit, sich nicht kirre machen zu lassen. Ein überbordendes Selbstbewusstsein», sagte er. Wer heute Spitzenpolitik betreibe, müsse sich fast komplett aufgeben. «Das ist brutal. Spitzenpolitiker müssen heute jeden Tag einfach nur überleben.»
Roth sitzt seit 1998 für die SPD im Bundestag. Von 2013 bis 2021 war er Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, von 2014 bis 2021 auch Beauftragter der Bundesregierung für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Seit 2021 ist er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.
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