Ihre Liebe und ihre Kraft machten die EU ein bisschen besser
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Juni entschieden, dass EU-Staaten im Ausland geschlossene Ehen gleichgeschlechtlicher Partner teilweise anerkennen müssen, auch wenn sie im Land selbst nicht erlaubt sind
Für den Rumänen Adrian Coman war die Ehe nicht nur ein Liebesbeweis, sondern auch eine Möglichkeit, für seinen US-amerikanischen Ehemann eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten. Doch die rumänischen Behörden weigerten sich. Die beiden zogen bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und bekamen Recht.
Text: Lisa Kuner
Verliebt, verlobt, verheiratet – für Homosexuelle in Rumänien ist das nicht möglich. Es ist eines der wenigen Länder der EU, in dem sich gleichgeschlechtliche Paare weder verpartnern noch vermählen können. Hier nahm die Situation sogar absurde Formen an: Adrian Coman und der US-Amerikaner Clai Hamilton sind verheiratet, durften aber nicht zusammen in Comans Heimat Rumänien leben. Das Land weigerte sich, die in Belgien geschlossene Ehe anzuerkennen. Konservative Kräfte versuchten ausserdem einer rechtlichen Gleichstellung von homosexuellen die Grundlange zu nehmen. In einem umstrittenen Referendum stimmte das Land Anfang Oktober vergeblich darüber ab, ob eine Ehe ausschliesslich eine Verbindung zwischen Mann und Frau sei.
Angespannte Lage für LGBTIQ Die Geschichte von Hamilton und Coman ist die Geschichte eines jahrelangen Kampfs mit Behörden und Gerichten für das Recht, ihr Leben zusammen verbringen zu dürfen. Ihr Sieg vor Gericht wirkt wie ein Schritt zur Öffnung des Landes. Sie ist aber höchstens ein Zwischensieg im Kampf zwischen Tradition und Liberalität in einem Land, in dem der konservative Einfluss der orthodoxen Kirche noch immer viel bestimmt.
Grundsätzlich ist die Situation für LGBTIQ angespannt. «Rumän*innen akzeptieren und behandeln LGBTIQ nicht gleichwertig. Selbst von der jüngeren Generation wollen 60 % diese Minderheit nicht als Nachbarin haben», erklärt Florin Buhuceanu, Präsident von ACCEPT, einer Nichtregierungsorganisation, die sich in Rumänien für LGBTIQ einsetzt. Laut dem Eurobaromenter sind nur 36 % der Rumänen dafür, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans Menschen dieselben Rechte haben sollten wie alle anderen. Von den 28 EU-Staaten haben nebst Rumänien bloss Lettland, Litauen, Polen, Bulgarien und die Slowakei keine Regelungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.
Kennenlernen in New York Adrian Coman und Clai Hamilton lernten sich 2002 in New York kennen. Schon nach dem ersten Date war den beiden klar, dass aus ihnen etwas Ernstes werden sollte. Nach drei Jahren zogen die beiden zusammen und fühlten sich glücklicher als je zuvor. Aus Freunden werden gemeinsame Freunde, auch ihre Familien lernen sich gegenseitig kennen. 2009 fand Coman einen Job beim Europäischen Parlament und zog dafür nach Brüssel. Die Trennung belastete das Paar, aber beide mussten Studiendarlehen abbezahlen und aufgrund der Finanzkrise sahen sie wenig andere Möglichkeiten. «Während wir eine Fernbeziehung führten, realisierte ich, dass Clai der Partner meines Lebens ist – im Guten wie im Schlechten», erzählt Adrian. Darum machte er Hamilton 2010 einen Heiratsantrag per Skype. Weil ihnen die Ehe in den USA zu dieser Zeit noch nicht offen stand, heiraten sie nur wenige Monate später in Belgien.
Meine Ehe war ihnen egal
Nachdem Adrians Vertrag 2012 ausgelaufen war, suchte er sowohl in Belgien und den USA als auch in Rumänien nach einem Job. Umziehen kam nur gemeinsam mit Clai in Frage. Auf dem rumänischen Konsulat wollte er darum ihre Heiratsurkunde umschreiben lassen, damit sein Mann eine Aufenthaltserlaubnis in Rumänien erhielt. Adrian wurde mitgeteilt, dass das nicht möglich sei. Er fühlte sich wie ins Gesicht geschlagen, traurig und erniedrigt. «Ich verliess das Konsulat mit einem Papier in der Hand, das sagte, dass die rumänischen Behörden meine Familie nicht anerkennen», sagt er. «Für sie war das egal, ich war ihnen egal, meine Ehe war ihnen egal».
Drei Millionen Rumänen wollten Referendum 2013 ging das Paar dann zusammen mit ACCEPT und der Anwältin Iustina Ionescu gegen die rumänischen Behörden vor. In ihrer Klage bezogen sie sich auf die europäische Freizügigkeit, die Hamilton als Ehegatten miteinschliessen sollte. Nach drei Jahren entschied das rumänische Verfassungsgericht gegen sie. Doch Adrian und Clai gaben nicht auf und zogen ihr Anliegen an den Europäischen Gerichtshof EuGH weiter, der ihnen im Juni dieses Jahres recht gab: Rumänien muss ihr Recht auf Zusammenleben als Familie anerkennen, auch wenn es im Land keine Regelung zur Verpartnerung oder Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren gibt.
Ich war ihnen egal, meine Ehe war ihnen egal.
Adrian und Clai sind zufrieden, sehen aber auch, dass noch einiges zu tun ist. «Wir hoffen, dass es in Rumänien so bald wie möglich ein Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gibt. Wir wünschen uns auch, dass die Geschlechtsidentität von trans Menschen anerkannt wird».
Seit der Entscheidung im Juni durch den EuGH ist in Europa bereits einiges passiert. Ein bulgarisches Gericht entschied zum Beispiel im Juli, dass ein französisch-australisches Paar das Recht hat, zusammen in Bulgarien zu leben. Die Öffnung der Ehe scheint in Rumänien aber weiter weg, als je zuvor.
Das Thema bleibt politisch umstritten: Am 6. und 7. Oktober fand eine Volksabstimmung statt mit dem Ziel, eine mögliche Öffnung der Ehe von Vornerein zu verhindern und dies entspechend in der Verfassung zu verankern. Ein gültiges Resultat setzt eine Wahlbeteiligung von 30 % aus. Nur knapp 20 % der Bevölkerung nahm den Gang an die Urne auf sich, von ihnen sprachen sich allerdings mehr als 90 % für eine restriktive Definition der Ehe aus.
«Wir haben gezeigt, dass die meisten Menschen nicht an eine Abstimmung über Menschenrechten glaubt», sagte Teodora Ion-Rotaru, Sprecherin von ACCEPT. Vorerst ändert sich also nichts am Verfassungstext, ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Der Gang vor Gericht Doch allein die Tatsache, dass ein solches Referendum überhaupt stattfinden konnte, sei ein Rückschritt, kritisierten NGOs und Aktivisten. Amnesty International bezeichnete das Referendum als «homophob». Im Internet riefen Aktivist*innen unter anderem mit den Hashtags #boycott und #iubireanusevoteaza (Liebe wird nicht gewählt) dazu auf, das Referendum zu boykottieren. Daniel Ciobotea, Patriarch der orthodoxen Kirche in Rumänien, bezeichnete das Referendum hingegen als «patriotisch» und als «zutiefst demokratischen Akt». Ziel der orthodoxen Fundamentalisten sei es, die «traditionelle Familie und Kinder» zu schützen. Auch grosse rumänische Medien sprachen sich für das Referendum aus, wie etwa die einflussreiche Zeitung «România Liberă», die unter anderem behauptete, LGBTIQ-Menschen würden Christ*innen verfolgen. Alexandra Caraman, junge Rumänin und lesbisch, fühlte sich überrollt: «Die Leute bilden sich eine Meinung über mein Leben. Darüber, wen ich liebe. Das ist hart».
In der rumänische Hauptstadt Bukarest sind überall wehende EU-Fahnen zu sehen. Man könnte meinen, das Land wolle seine Zugehörigkeit zur EU besonders betonen. Es scheint zu schreien, wie modern, frei und demokratisch es sei. Bei der Freiheit der Liebe und der Frage, wer zu wem «Te iubesc» (ich liebe dich) sagen darf, wird aber um jeden Zentimeter Boden hart gekämpft.
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