Salzburg – Auf den Spuren von Julie Andrews und Luziwuzi
Die Couple of Men unterwegs in Österreich
Unsere Couple of men, Karl und Daan, verschlägt es nach Salzburg, den Geburtsort von Mozart, Schauplatz eines Kassenschlagers aus Hollywood und Exil des skandalumwitterten schwulen Bruders von Kaiser Franz Joseph I. Eine engagierte LGBTIQ-Community mit einem abwechslungsreichen Jahresprogramm macht die Stadt zu einem attraktiven Reiseziel.
«Der Vogelfänger bin ich ja, stets lustig, heissa, hopsassa!» Nun ist Karl natürlich kein Vogelfänger und heisst mit zweiten Vornamen auch nicht Papageno. Und doch summt und pfeift er die Melodie der Zauberflöte leidenschaftlich gern vor sich hin, vor allem wenn wir in Salzburg, der Geburtsstadt von Wolfgang Amadeus Mozart, auf Besuch sind. Bereits als kleiner Junge war Karl ein grosser Fan des österreichischen Wunderkindes, das auch heute noch, 265 Jahre nach seiner Geburt, die besondere Atmosphäre der Stadt Salzburg massgebend prägt. Für uns gibt es in der auch als Mozartstadt bekannten viertgrössten Stadt Österreichs aber noch mehr zu entdecken, Hand in Hand natürlich und mit Wolfgang Amadeus, der Familie Trapp und Luziwuzi in unserer ständigen Begleitung.
Die Regenbogenbank im Cruisinggarten Eines gleich vorweg: Die Altstadt von Salzburg ist kompakt, übersichtlich und gut zu Fuss erkundbar. Und so machen wir uns nach unserer Ankunft mit dem Zug aus München auch gleich auf einen ausgedehnten Spaziergang durch die 150 000 Einwohner*innen zählende Stadt, um uns einen ersten Überblick zu verschaffen. Natürlich nicht allein. Wir sind im Salzburger Kurgarten mit unserem schwulen Stadtführer Roman Forisch verabredet – genau da, wo seit dem Sommer 2020 die erste Regenbogenparkbank Salzburgs steht, die auch schon beschmiert wurde (MANNSCHAFT berichtete).
«Wegen des Rosenhügels natürlich», antwortet uns Roman mit einem breiten Grinsen auf unsere erste Frage hin, warum diese Bank ausgerechnet in dem kleinen Park ausserhalb des weltberühmten Mirabellgartens aufgestellt worden ist. «Wir befinden uns an einem beliebten Treffpunkt der Salzburger Community und in dem wohl schönsten Cruising-Garten der Welt. Einen besseren Ort für eine Pause mit Ausblick von einer Regenbogenbank kann ich mir auf dieser Seite der Salzach kaum vorstellen.»
Vom ersten Moment an können wir Romans Liebe zu seinem Salzburg spüren, lässt er doch kaum kostbare Zeit verstreichen und beginnt stattdessen sofort mit seinen ausführlichen Erzählungen über die queere Geschichte und bunte Kultur der Stadt. Für uns der richtige Anfang, um für unser langes Salzburg-Wochenende in Stimmung zu kommen.
Die leuchtenden Blumenrabatten, der fröhlich vor sich hin plätschernde Springbrunnen und der Blick auf die Festung Hohensalzburg mit der prachtvollen Alpenkulissen machen diesen Flecken zu einem der schönsten Aussichtspunkte dieser Stadt.
«The Sound of Music» prägt die Wahrnehmung Österreichs bis heute.
Ein Hollywoodfilm als Tourismusmagnet «Hey», ruft Daan plötzlich ganz aufgeregt, «diese Treppenstufen kenne ich doch!» und zeigt auf den Eingang des Mirabellgartens. So wie Daan werden wohl alle Fans von «The Sound of Music» (deutscher Titel: «Meine Lieder – meine Träume») plötzlich in Gesang ausbrechen, denn wir befinden uns am Drehort der Musiknummer «Do-Re-Mi» des Musicalfilms, in dem Julie Andrews – hierzulande besser bekannt als Disneys «Mary Poppins» – sich als Gouvernante der Trapp-Kinder annimmt. In Deutschland, der Schweiz und selbst in Österreich dürfte der oscarprämierte Streifen aus dem Jahr 1965 nur den wenigsten bekannt sein.
Die US-amerikanische Produktion, die auf dem gleichnamigen Musical basiert, erzählt die Geschichte der Familie Trapp im Dritten Reich und wurde ausserhalb des deutschsprachigen Raums zum Megahit. In Grossbritannien, den USA, Südamerika und Japan prägt der Film die Wahrnehmung Österreichs bis heute, und er ist vor allem auch in den englischsprachigen LGBTIQ-Communitys sehr beliebt. Für viele Tourist*innen ist «The Sound of Music» der wichtigste Grund, um überhaupt hierher zu reisen. Salzburg selbst war in den Sechzigerjahren nicht sehr erfreut darüber, dass eine Hollywoodproduktion die Nazivergangenheit der Stadt thematisierte. Aus dem Tourismus ist der Film mittlerweile nicht mehr wegzudenken: Unzählige Souvenirs und eine grosse Palette an Führungen an den Drehorten machen «The Sound of Music» zu einer lukrativen Einnahmequelle für Salzburg.
Wie die Trapp-Kinder drehen also auch wir kurzerhand eine Tanzrunde um den Pegasusbrunnen, machen einen Abstecher zu den Zwergen im Zwergelgarten und planen unsere Radtour zum Schloss Hellbrunn. Letzteres können wir allen nur ans Herz legen: Ausgestattet mit einem Picknickkorb voller Köstlichkeiten vom Salzburger Grünmarkt radelt es sich entspannt über die breite, von uralten Bäumen gesäumte Hellbrunner Allee zum Lustschloss mit den bekannten Wasserspielen aus dem frühen 17. Jahrhundert.
Des Kaisers schwuler Bruder Zurück in Salzburg schlendern wir Hand in Hand über die mit Liebesschlössern behängte Fussgängerbrücke über die Salzach und erreichen die Altstadt, die seit 1996 den Titel UNESCO-Weltkulturerbe trägt.
«Die Salzburger lieben ihren Luziwuzi, immerhin ermöglichte er ihnen grosse Feste und war darüber hinaus der Schirmherr des Salzburger Kunstvereins», erzählt uns Roman. Mit Luziwuzi ist Ludwig Viktor von Österreich gemeint, der Bruder von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich. «Seine Homosexualität war ein offenes Geheimnis, das hier in Salzburg bis zum heutigen Tag keinen stört. Im Gegenteil: Der Erzherzog erfreut sich bis heute grosser Beliebtheit unter den Salzburger*innen.» Während wir vorbei am Dom zu Salzburg über den Residenzplatz spazieren und den Mozartinterpretationen der Strassenmusizierenden lauschen, plaudert Roman weiterhin frischfröhlich aus dem Nähkästchen.
Luziwuzi war kein Einheimischer, sondern wurde von seinem Bruder von der Kaiserstadt Wien nach Salzburg ins Schloss Kleßheim verbannt. Grund dafür waren die zahllosen Eskapaden von Luziwuzi, der sich statt für politische oder militärische Angelegenheiten lieber für Frauenkleidung begeisterte. So soll er gerne in entsprechender Montur durch Hallen und Höfe Wiens gerauscht sein. Die wohl bekannteste Geschichte rund um das Enfant terrible spielte sich in einem öffentlichen Bad ab, das Luziwuzi zweimal wöchentlich besuchte. Dort soll der Kaiserbruder Gefallen an einem Offizier gefunden und ihm an den Allerwertesten gefasst haben. Der Offizier, ob dieser Annäherung nicht eben entzückt, verpasste Ludwig Viktor kurzerhand eine Ohrfeige. Et voilà, der Skandal war perfekt. Das Badehaus in Wien existiert übrigens nach wie vor, allerdings nimmt dort an intimen Berührungen zwischen Männern definitiv niemand mehr Anstoss. Das «Kaiserbründl» ist heute eine Schwulensauna.
Kleine Stadt, grosses queeres Angebot Unseren Besuch in Salzburg legten wir so, dass wir auch die LGBTIQ-Community hautnah miterleben und mit unserer eigenen Regenbogenfahne unterstützen können. Gemeinsam mit hunderten anderen Queers marschieren und tanzen wir beim 21. Salzburger CSD 2020 durch die Strassen der Stadt. Laut offiziellen Angaben der Polizei war der Event mit rund 1200 Teilnehmenden der bisher grösste CSD in der Stadtgeschichte. Dieses Jahr soll der CSD – sofern die Pandemie es zulässt – vom 3. bis 5. September unter dem Motto «Love is in the Air» stattfinden.
Während der Veranstaltung haben wir die Gelegenheit, mit dem Salzburger Tourismusverband zu sprechen, der in den letzten Jahren die LGBTIQ-Community unterstützt hat. So erfahren wir aus erster Hand, dass in einem Jahr mehrere queere Höhepunkte in der doch überschaubaren Szene der Mozartstadt auf der Agenda stehen. Neben dem CSD Salzburg gibt es das Pride-Boat-Wochenende, die lange Nacht der Vielfalt, das Salzburg Global LGBT* Forum sowie das viermal im Jahr stattfindende HOSI-Festival. Diese Offenheit und das grosse Engagement erfreuen uns sehr und lassen unsere Herzen für Salzburg noch ein bisschen höher schlagen.
Hoch hinaus Dieses Wochenende ebenfalls auf unserem Programm steht der Kapuzinerberg, der Salzburger Hausberg – dieses Mal ohne unseren Guide Roman. Selbstverständlich haben wir unsere Lederhosen dabei, schliesslich wollen wir als Naturburschen in den österreichischen Alpen unterwegs sein. Obwohl die Festungsanlage mit ihrem Ausblick schon sehenswert ist, wollen wir höher hinaus und die Hohensalzburg ein bisschen besser in Perspektive setzen. In der Rechten Altstadt, ein bisschen versteckt in der Linzer Gasse, beginnt an der Franziskuspforte ein Wanderweg hinauf auf den 636 Meter hohen Kapuzinerberg.
Mit jedem Meter bergauf in die grüne Lunge Salzburgs wird die Aussicht beeindruckender. Immer wieder legen wir kleine Pausen ein, um die Stadt unter uns zu bewundern. Wir erreichen das Ziel unserer Wanderung, das Franziskischlössl, das als Teil der ehemaligen Salzburger Wehranlagen heute unter Denkmalschutz steht. Hier hat es sich ein schwules Paar zur Aufgabe gemacht, Wandernde zu bewirten. Da können wir einem frischen Weizen mit Aussicht auf das Salzburger Land einfach nicht widerstehen.
Wer Interesse an einer queeren Stadtführung hat, kann sich bei Roman Forisch melden: [email protected]
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