Rosa von Praunheims Trashfilm «Die Bettwurst» als Musical in Berlin
Die neue Version stellt im Sinne des Originals mit viel Spielfreude absurd die Gefühle zur Schau
Rosa von Praunheims absurder Film «Die Bettwurst» von 1971 ist jetzt im Jahr 2022 auf einer Berliner Bühne ein Anarcho-Musical. Die Hauptdarsteller Anna Mateur und Heiner Bomhard glänzen darin.
Als Hommage an seinen vor 52 Jahren mit der eigenen Tante in Kiel gedrehten Film hat Rosa von Praunheim (79) in Berlin das Stück «Die Bettwurst – das Musical!» auf die Bühne gebracht. Premiere des absurden Singspiels mit Anna Mateur als Luzi und Heiner Bomhard als Dietmar war am Donnerstagabend in der «Bar jeder Vernunft», einem Spiegelzelttheater im Stadtteil Wilmersdorf. Das textlich freizügige Musical spiesst spassig in zweimal etwa 40 Minuten nebenbei auch die einst spiessige Kritik an dem Trashfilm auf, der angeblich den guten Geschmack verletze und unbedarfte Leute vorführe.
«Luzi, isch liebe disch unwahrscheinlisch», sagt Dietmar in seinem Dialekt im grotesken «Bettwurst»-Film immer wieder. Und auch Bomhard in der Musical-Version stellt mit viel Spielfreude absurd die Gefühle zur Schau. Jazzsängerin und Anarcho-Komikerin Anna Mateur überzeugt als Luzi mit ihrer Präsenz und einem Mezzosopran, der fast Tenor ist. Mehr als 20 kurze Lieder mit Jazz-Elementen und Titeln wie «Bettwurst-Song», «Lieben ist erlaubt» oder «Was mach ich nur mit ihrem grossen Busen» tragen durch den kurzweiligen Musical-Abend. Bis 2. Oktober sind fast 20 Aufführungen geplant.
Im etwa 80-minütigen, 1970 in Kiel gedrehten Film, der für Fans Kult ist, erleben die bunt gekleidete und schrill sprechende Sekretärin Luzi und der jüngere Dietmar ein klischiertes kleinbürgerliches Liebesglück. Gemeinsam arbeiten sie im Kleingarten und Haushalt oder gehen zum Tanztee. Zu Weihnachten schenkt Luzi (die 2000 gestorbene Luzi Kryn, eine Tante von Rosa von Praunheim) ihrem jungen Liebhaber eine Nackenrolle. Die nennt er übertrieben glücklich «Bettwurst». Am Ende wird Dietmar (der 1976 mit 35 Jahren gestorbene Dietmar Kracht) von seiner kriminellen Vergangenheit eingeholt und es gibt eine ziemlich miese Mordszene am Ostseestrand.
Der Film war Rosa von Praunheims Durchbruch. Als das ZDF ihn am 2. Februar 1971 ausstrahlte, waren TV-Zuschauer schockiert. Fünf Monate später wurde Schwulenaktivist von Praunheim noch mehr Bürgerschreck, als er das wegweisende Werk «Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt» bei der Berlinale zeigte.
2019 verfilmte Rosa von Praunheim in «Darkroom – Tödliche Tropfen» den Fall dreier Männer, die im Frühjahr 2012 in der Berliner Schwulenszene mit K.o.-Tropfen getötet worden. Das Drehbuch orientierte sich an den 70 Seiten starken Protokollen der Journalistin Uta Eisenhardt, die den Prozess beobachtet hatte (MANNSCHAFT berichtete).
Im gleichen Jahr wurde der Filmemacher aus Berlin in Zürich auf dem Pink Apple Filmfestival für sein Lebenswerk geehrt (MANNSCHAFT berichtete).
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