Queers häufiger durch Depressionen und Burnout beeinträchtigt
Es besteht eine «massive Chancenungleichheit für ein gesundes Leben»
Queere Menschen in Deutschland sind häufiger durch psychische und körperliche Erkrankungen beeinträchtigt als die übrige Bevölkerung. So seien LGBTIQ zum Beispiel fast dreimal häufiger von Depressionen und Burnout betroffen, geht aus der Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und der Universität Bielefeld hervor.
Auch von Einsamkeit berichteten LGBTIQ häufiger. «Auch potenziell stressbedingte körperliche Krankheiten wie Herzkrankheiten, Migräne, Asthma und chronische Rückenschmerzen kommen weitaus häufiger vor als in anderen Bevölkerungsgruppen», schreiben die Autor*innen. Die Befunde deuteten «auf eine massive Chancenungleichheit für ein gesundes Leben hin». Das DWI erklärte, nach aktuellem Stand der Forschung könnten Anfeindungen und Ablehnung Auslöser dieser Erkrankungen sein. Auch ein geringes Selbstwertgefühl durch Werbung und Social Media haben gesundheitliche Folgen (MANNSCHAFT berichtete).
Der am Mittwoch veröffentlichte Bericht fusst auf Angaben von über 28 000 Menschen ab 18 Jahren aus dem Jahr 2019. Von ihnen beschrieben sich rund 4500 selbst als zugehörig zur Gruppe LGBTIQ. Über die Studie hatten zuerst Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichtet.
Trotz der hart erkämpften Fortschritte bei der rechtlichen Gleichstellung von LGBTIQ sei die Verheissung einer gleichberechtigten und inklusiven Gesellschaft noch weit von Erfüllung entfernt, erklären Sven Lehmann und Ulle Schauws, die Grünen-Sprecher*innen für Queerpolitik. Daher müsse auch die soziale und gesundheitliche Situation von LGBTIQ ins Blick genommen werden.
«Direkte und indirekte Diskriminierung, Stigmatisierung und Mobbing haben nach wie vor schwerwiegende Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit von LGBTIQ. Diese negativen Erfahrungen führen zu Depressionen, Angststörungen, Substanzmissbrauch, Selbstverletzungen bis hin zu Selbstmord(-versuchen). Die historische Erblast, aber auch die anhaltende Diskriminierung und Abwertung aufgrund negativen Werthaltungen gegenüber LGBTIQ, mangelndes Wissen und die medizinische Unterversorgung verursachen ausserdem, dass LGBTIQ durchschnittlich unter grösserem Stress leben als der Bevölkerungsdurchschnitt», erklären die Grünen weiter.
Dies zu ändern, erfordere eine umfangreiche Strategie für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. 15 Bundesländer (ausser das CSU-geführte Bayern) hätten dies verstanden und landesweite Aktionspläne vorgelegt, so die beiden Grünen-Politiker*innen. Auch die Europäische Union hat Ende 2020 eine LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie veröffentlicht. Zudem hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Polen scharf kritisiert: Die in einigen polnischen Gemeinden ausgerufene «LGBTI-freie Zonen» seien «menschlichkeitsfreie Zonen und haben keinen Platz in unserer Gemeinschaft» (MANNSCHAFT berichtete).
Dass die Bundesregierung sich weigert, einen bundesweiten Aktionsplan vorzuschlagen, sei ein Armutszeugnis von Union und SPD. Das sagt auch die Linke.queer. Es müsse spätestens jetzt angesichts dieser Zahlen einen umfassenden Bundesaktionsplan zur Bekämpfung von LGBTIQ-Feindlichkeit geben. «Das gilt auch und gerade in Zeiten der Pandemie für die Absicherung und den Ausbau gesicherter Orte (‚safe spaces‘) für LGBTIQ.»
***********************************************************************************************
Brauchst du Hilfe? Wende dich in der Schweiz telefonisch an die Nummer 143 oder schreibe an die Berater*innen von Du-bist-Du.ch. In Österreich hilft die HOSI Wien (zu Büroöffnungszeiten) unter (+43) 660 2166605, das Kriseninterventionszentrum oder für LGBTIQ die psychosoziale Beratungsstelle Courage. In Deutschland gibt es die Notfall-Nummer 19446, zudem hilft u.a. der Verband für lesbische, schwule, bisexuelle, trans, intersexuelle und queere Menschen in der Psychologie, in Städten wie Köln kann man sich an Rubicon wenden.
Das könnte dich auch interessieren
Fitness
Muskelsucht unter schwulen Männern: Wenn dich das Spiegelbild trügt
In den sozialen Medien präsentieren Männer ihre durchtrainierten Körper vor Millionen von Menschen. Um ihnen nachzueifern, greifen Follower sowohl zur Hantel als auch zu Steroiden. Mit gravierenden Konsequenzen für Körper und Psyche.
Von Greg Zwygart
Lifestyle
Sport
Soziale Medien
Schwul
Gesundheit
Interview
«Eine Unzufriedenheit mit dem Körper gehört zum Geschäftsmodell von Gyms»
Roland Müller ist Angebotsleiter für Muskel- und Fitnesssucht bei der Fachstelle Prävention Essstörungen Praxisnah (PEP) des Inselspitals Bern. Wir sprachen mit ihm über Dysmorphophobie.
Von Greg Zwygart
Lifestyle
Sport
Soziale Medien
Schwul
Gesundheit
News
Trump stellt schwulen US-Botschafter für Belgien ab
Der designierte Präsident Donald Trump hat einen neuen US-Botschafter in Belgien ernannt. Seine Wahl scheint auf den ersten Blick verwunderlich
Von Newsdesk Staff
News
FPÖ hetzt gegen trans-freundlichen Kindergarten
FPÖ und Queers – das passt selten zusammen. Einen neuesten Beleg lieferte die rechtspopulistische Partei nun, indem sie einer LGBTIQ-freundlichen Einrichtung das Geld streichen will.
Von Newsdesk Staff
TIN
Österreich
Bildung