«Kampala – Hamburg» – Liebe unter erschwerten Bedingungen
Der Roman von Lutz von Dijk erzählt die Geschichte einer schicksalhaften Flucht
Queerer Lesestoff für Viel- und Wenigleser: mit Andreas Jungwirth ergründen wir die Rastlosigkeit, Alexander Chee nimmt uns mit auf eine autobiografische Reise und Lutz van Dijk erzählt uns die Geschichte einer Flucht.
Der erste Satz Um diese Jahreszeit ist es nie richtig Tag in Hamburg. Grau, grau, grau. Eigentlich nur Abstufungen von grau, und dann halt früh schon dunkel. Ewig dunkel.
Das Genre Roman einer Flucht, wie sie heute noch geschieht aber längst nicht mehr geschehen sollte. Doch auch ein Roman über die Liebe, die auch in schlimmen Zeiten entstehen kann.
Die Handlung David aus Hamburg lebt seit seinem Coming-out bei seiner älteren Schwester und deren Sohn. Seine Eltern haben ihn aus dem Haus verjagt. Wenn er nicht gerade in der Schule ist, arbeitet er im Supermarkt und trifft sich mit Freunden aus der Community. In ihrer Gruppe ist auch immer wieder die Situation von Queeren in anderen Ländern Thema. David versucht über Planet Romeo an ausländische Kontakte zu kommen – und wird fündig.
David aus Kampala hat allerdings ein ganz anderes Leben. Seit seinem 14. Geburtstag weiss er sicher, dass er schwul ist, und seine Mutter weiss es auch. Doch in Uganda werden Homosexuelle geschlagen, gefoltert und schlimmstenfalls getötet. Mit der Sexual Minorities Uganda SMUG und der Hilfe von David aus Hamburg will er der Hölle entkommen. Es beginnt eine gefährliche Flucht, bei der David gleich mehrere Schutzengel braucht.
Das Urteil Kapitelweise wechselt van Dijk zwischen den Leben der beiden Davids. So können wir uns als Leser*in die unterschiedliche Situation der beiden im direkten Vergleich vor Auge führen. Während David aus Hamburg mit seiner Gruppe versucht, queere Flüchtlinge nach Deutschland zu retten, ist das nackte Überleben für David in Kampala und dessen Gruppe an der Tagesordnung. Welten prallen aufeinander. Doch dank der fortgeschrittenen Technologie können sich diese Welten annähern. Geschickt verbindet van Dijk dabei die ernsten Themen von Flucht und Verfolgung mit der Liebe zweier jungen Menschen.
In erster Linie ein Jugendroman, kommt «Kampala–Hamburg» auch im Schulunterricht zum Einsatz; auf Grund der Themen eignet sich das Buch aber auch als Lektüre für Erwachsene.
Roman, 192 Seiten, Querverlag
Milena Leutert von MANNSCHAFT Magazin hat «Kampala – Hamburg» für uns gelesen.
Weitere Buchtipps
«Wir haben keinen Kontakt mehr» von Andreas Jungwirth
Berlin, Wien, Zürich – David verschlägt es von einer Stadt in die nächste, von Studium zu Gelegenheitsjob und wieder zurück. Er lernt Menschen kennen und verliert sie wieder aus den Augen. Der schnelle, unverbindliche Sex prägt Davids Sozialverhalten, obwohl er sich eigentlich nach einer festen Partnerschaft sehnt. Doch verborgen unter der Oberflächlichkeit nehmen sich Davids Abgründe immer mehr Raum, Frustration, Selbstzerstörung und Gewalt nehmen überhand. Bis das Ventil krachend in die Luft geht.
Andreas Jungwirth lässt in seinem vielschichtigen Text die Menschen zu Wort kommen, die David für eine kurze Zeit nahe waren. Gemeinsam führen sie uns zu sensibel beschriebenen Momenten der Verletzbarkeit einer rastlosen Generation.
Roman, 80 Seiten, Edition Atelier.
«Edinburgh» von Alexander Chee
Fee ist zwölf Jahre alt, schüchtern und singt im Knabenchor einer Kleinstadt in Maine. Als es zu sexuellen Übergriffen durch den Chorleiter kommt, schweigt er aus Scham – selbst dann noch, als sein bester Freund das nächste Opfer zu werden droht. Der Chorleiter wird schliesslich verhaftet, doch Fee kann sich sein Schweigen nicht verzeihen. Jahre später, inzwischen Schwimmlehrer an einem Internat, wird er erneut mit den schmerzhaften Erlebnissen seiner Vergangenheit konfrontiert.
Eine ergreifend erzählte Suche nach Selbstbestimmung im Schatten traumatischer Erfahrungen. Der Roman ist zugleich eine Coming-of-Age-Geschichte, anspielungsreich und voller mythologischer Verweise.
Roman, 270 Seiten, Albino Verlag.
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