Oscar für «Call Me By Your Name» – James Ivory wird 95
Er hat eine Vorliebe für literarische Vorlagen und romantische Schauplätze – Regisseur James Ivory drehte Kultklassiker wie «Zimmer mit Aussicht» oder «Wiedersehen in Howards End». Er stellte nicht nur einen Oscar-Rekord auf. Mit 95 Jahren ist er weiter im Geschäft.
Von Barbara Munker, dpa
Auf seinen Oscar hat James Ivory lange warten müssen. Als der Regisseur von Filmen wie «Zimmer mit Aussicht» und «Was vom Tage übrig blieb» im März 2018 mit einem Gehstock auf die Bühne trat, war er bereits 89 Jahre alt. In der Geschichte der Academy Awards ist er der älteste Preisträger, der die Trophäe im Wettbewerb gewann. Nur einige Ehren-Oscar-Empfänger sind älter. Am Mittwoch (7. Juni) feiert Ivory seinen 95. Geburtstag – und von Ruhestand will er weiter nichts wissen.
Der Oscar-Triumph vor fünf Jahren wurde ihm nicht als Regisseur, sondern als Autor für das adaptierte Drehbuch zu der Männer-Liebesromanze «Call Me By Your Name» zuteil (MANNSCHAFT berichtete). Es sei eine universelle Story über die erste Liebe, die wohl jeder verstehen würde, egal ob homo- oder heterosexuell oder irgendwo dazwischen, sagte Ivory in der Oscar-Nacht.
«Einen Oscar in diesem Alter zu gewinnen ist wie ein Schluckauf der Natur», scherzte der Preisträger damals nach der Gala Backstage vor Journalist*innen.
Als Regisseur war er zuvor dreimal im Oscar-Rennen leer ausgegangen – für «Zimmer mit Aussicht» (1987) und «Wiedersehen in Howards End» (1993), beide nach den Romanen von E.M. Forster, und für die Literaturverfilmung «Was vom Tage übrig blieb» (1994).
Beim New York Film Festival im vorigen Herbst präsentierte Ivory seine «zutiefst persönliche» Dokumentation «A Cooler Climate». Das bis dahin unveröffentlichte 16mm-Filmmaterial stammte von einer Reise nach Afghanistan im Jahr 1960, die sein Leben umkrempelte. In der Doku reflektiert er auch sein Heranwachsen im US-Staat Oregon, seine Homosexualität und die Anfänge seiner Filmkarriere, die von einer schicksalsträchtigen Begegnung geprägt wurden.
Damals hatte Ivory in New York den acht Jahre jüngeren angehenden Produzenten Ismail Merchant kennengelernt. Der gebürtige Inder wurde sein Film- und Lebenspartner. Untrennbar mit den beiden verbunden war die britische Autorin Ruth Prawer Jhabvala, Tochter polnischer Juden, die ihre Kindheit in Köln verbrachte. Sie schrieb fast alle Drehbücher für das Erfolgsduo.
Mit Merchant gründete er die Firma «Merchant Ivory Productions», eine der am längsten bestehenden Partnerschaften des unabhängigen Films, die es damit ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte. Merchant starb 2005 im Alter von nur 68 Jahren, Jhabvala 2013 mit 85 Jahren. Auf der Oscar-Bühne zollte Ivory seinen verstorbenen Filmpartnern Tribut. Diesen Preis habe er ihrer fast 50-jährigen Zusammenarbeit zu verdanken, sagte Ivory gerührt.
Ihr erster gemeinsamer Film, das in Indien gedrehte Drama «The Householder» unter Ivorys Regie, kam 1963 in die Kinos. Fernab von Hollywood drehten sie zahlreiche Kurz- und Spielfilme, häufig um die Thematik von westlicher und östlicher Kultur und den Konflikt von Tradition und Anpassung. Den internationalen Durchbruch schafften Merchant-Ivory 1979 mit der eleganten Verfilmung des Henry-James-Romans «Die Europäer».
Die Darstellung der englischen Gesellschaft in den Kostümfilmen «Zimmer mit Aussicht» und «Wiedersehen in Howards End», nach den Romanen von E. M. Forster, brachte ihnen viel Lob ein. Das Sittengemälde «Was vom Tage übrig blieb», mit Anthony Hopkins und Emma Thompson als Hausangestellte, wurde für acht Oscars nominiert.
Die in Frankreich angesiedelten Filme «Jefferson in Paris» (1995), «Surviving Picasso» (1996) und «Eine Affäre in Paris» (2003) kamen bei den Kritikern allerdings weniger gut an. 2009 realisierte Ivory mit «The City of Your Final Destination» sein bisher letztes Spielfilm-Regieprojekt. Das Liebesdrama mit Anthony Hopkins, Laura Linney und Alexandra Maria Lara spielt in Südamerika.
Als Produzent ist Ivory weiter im Geschäft. Ende 2022 verkündete er Pläne für eine Filmbiografie über den italienisch-amerikanischen Popsänger Jimmy Roselli, der ein Weggefährte von Frank Sinatra war. Nur wenige Wochen vor seinem 95. Geburtstag schlug ein weiteres Projekt auf, für das er selbst vor die Kamera tritt, um seine eigene Story zu erzählen.
In dem geplanten Doku-Porträt «James Ivory: In Search of Love and Beauty» von Regisseur Christopher Manning sollen Stars wie Emma Thompson, Helena Bonham Carter oder Hugh Grant zu Wort kommen, die häufig mit Ivory drehten. Er werde ein «sehr persönliches» Porträt seines Maestro und Freundes James Ivory mit einer aussergewöhnlichen Besetzung schaffen. «Es ist ein Zelluloid-Traum, der wahr wird», schrieb Manning Mitte Mai auf Instagram.
Das könnte dich auch interessieren
News
«Vorarlberg kann auch eine Heimat für queere Lebensentwürfe sein»
Mit dem 33-jährigen Johannes Gasser zieht für die Neos ein weiterer offen schwuler Politiker ins Wiener Parlament ein. MANNSCHAFT stellt ihn vor.
Von Christian Höller
Österreich
News
Erste Person ändert Geschlechtseintrag: Ministerin Paus gratuliert
Grundlage ist das neue Selbstbestimmungsgesetz
Von Newsdesk Staff
TIN
Kultur
Breymer’s Weg zur Selbstakzeptanz
«When I Get Through» beschäftigt sich mit ihrer Beziehung zu Geschlecht und Identität.
Von Christina Kipshoven
Musik
Lesbisch
Chloë Grace Moretz kombiniert Coming-out mit Wahlempfehlung
Die 27-Jährige unterstützt Kamala Harris
Von Newsdesk Staff
Kultur
Coming-out