Nach 16 Jahren Förderung: Aus für queere Bildung in Ostsachsen
Das Aufklärungsprojekt in Dresden und Ostsachsen wird offenbar ersatzlos gestrichen
Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt will ein queeres Schul- und Bildungsprojekt ab 2022 nicht mehr fördern, teilt der Verein für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Gerede in Dresden mit: Dies sei im «homofeindlichstes Bundesland» Sachsen «hochgefährlich».
Mit «grosser Bestürzung» habe man am 30.11.2021 vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt die Information erhalten, dass das queeres Schul- und Bildungsprojekt ab 2022 beim Förderprogramm «Weltoffenes Sachsen» nicht weitergefördert wird, so der Verein Gerede in einer Pressemitteilung am Dienstag. Als homofeindlichstes Bundesland ist Sachsen für queere Jugendliche mit über 1.600 queerfeindlichen Angriffen hochgefährlich – nun werde das einzige queere Aufklärungsprojekt in Dresden und Ostsachsen ersatzlos gestrichen.
Die genauen Gründe der Ablehnung seien dem Verein derzeit nicht bekannt, der Fördertopf wurde zuletzt sogar erhöht. «In 2022 können somit mindestens 150 Projekt- und Fortbildungsanfragen nicht umgesetzt werden, darunter ein gemeinsames Pilotprojekt mit dem Deutschen Hygienemuseum Dresden.» Der Bedarf sei enorm hoch: 2021 wurden über 760 Multiplikator*innen und Erwachsene geschult, sowie über 1.000 Jugendliche. Zuletzt wurde das queere Bildungsprojekt «Queere Bildung für Jung und Alt – Respekt beginnt im Kopf!» 2021 mit dem Toleranzpreis des Bündnisses für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet.
Man müsse sich nun von dem 20-köpfigen Ehrenamtsteam sowie drei angestellten Kolleg*innen verabschieden, das in den letzten 10 Jahren über 20.000 Menschen für Respekt und Vielfalt sensibilisiert und für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gekämpft habe.
Die Förderung queerer Bildung durch das Förderprogramm «Weltoffenes Sachsen» bestehe seit 2005(MANNSCHAFT berichtete). Damit breche eine der drei Säulen sächsischer Queerer Bildung weg, über 50 Kooperationspartner*innen verlören den einzigen Ansprechpartner zum Thema LGBTIQ in Dresden und Ostsachsen. Dies sei insbesondere fatal für den ländlichen Raum. «Um diesen zu fördern und wieder attraktiver zu gestalten, muss dieser queerfreundlicher werden – und das gelingt sicher nicht, wenn die queere Aufklärungsarbeit gestrichen wird.»
Die aktuelle Mitte-Studie zeigt: Knapp 40 % der Ostdeutschen finden es ekelhaft, wenn sich Homosexuelle küssen, und 12 % glauben immer noch, dass Homosexualität eine Krankheit sei, die «geheilt» werden könne. Gleichzeitig seien laut Verein Gerede rechte Einstellungen besonders dort anzutreffen, wo die AfD bei den letzten Wahlen besonders viele Stimmen erhielt: Ostsachsen sei der «traurige Spitzenreiter Deutschlands».
Dabei spielten direkte und indirekte Einflüsse eine Rolle: über Strategien der (neuen) Rechten verschöben sich regional Normen und Werte und damit zusammenhängend Vorstellungen von Ein-, Ausschluss als auch von Normalität. Da Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit miteinander korrelierten, sei davon auszugehen, dass entsprechend auch homo-, trans- und interfeindliche Einstellungen in besonders erschreckendem Masse in Ostsachsen verbreitet seien. Ungleichwertigkeitsvorstellungen seien somit tief in der ostsächsischen Bevölkerung verankert, sie widersprächen den Prinzipien der Vielfalt, der Gleichheit und Freiheit.
Eine Massnahme aus dem Landesaktionsplan LGBTIQ besagt: «Bildungsprojekte zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sollen ein langfristig gesichertes, freiwilliges und ergänzendes Unterstützungsangebot für Schüler*innen, Lehrende sowie Eltern unter Beachtung von § 36 Abs. 2 SchulG im gesamten Freistaat Sachsen sein.» Mit der Streichung des Projektes könne dies für die vier Landkreise Bautzen, Görlitz, Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Dresden nicht mehr gewährleistet werden, teilte der Verein mit.
Seit mittlerweile zwei Jahren gibt es in Sachsen eine LGBTIQ-Ansprechstelle: Dirk Möller ist Leiter des Sachgebietes polizeiliche Beratung und Opferschutz und auch für LGBTIQ zuständig (MANNSCHAFT+).
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