Nach Eheöffnung „bleiben jede Menge Aufgaben“
Hessens Landesbevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung, Staatssekretär Jo Dreiseitel (Grüne), gibt sein Amt aus gesundheitlichen Gründen auf. Sein Nachfolger wird zum 1. Oktober der schwule Grünen-Landeschef Kai Klose. Mit ihm sprachen wir über die bevorstehende Eheöffnung, über die AfD und seinen neuen Job.
Herr Klose, in Berlin stehen die Zeichen auf Jamaika: CDU/CSU mit FDP und Grünen. Wenn Sie in Hessen die Wahl hätten, die CSU ins Boot zu holen oder die FDP – was wäre Ihre Entscheidung? Meine erste Wahl wäre eine absolute Mehrheit für die Grünen, aber je nach Themenfeld wäre es in einigen Bereichen mit der FDP einfacher, in europapolitischen Fragen gibt es mehr Einigkeit mit der Union. Ich habe da keine Präferenz. Entscheidend ist am Ende, dass möglichst viel Grün drin steckt.
Ihr Ministerpräsident sieht das naturgemäß anders: Volker Bouffier (CDU) hat in Bezug auf die künftige Bundesregierung gesagt: „Eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen kann im Bund nur zustande kommen, wenn CDU und CSU das bestimmende Element sind.“ Das hat Sie geärgert, oder? Naja, das Geheimnis des Erfolgs in Hessen ist, dass wir uns auf Augenhöhe begegnen. Da ist Volker Bouffier ein zentraler Akteur, der genau für diese Augenhöhe sorgt, auf der dann zielführende Gespräche möglich werden. Dieses Bild, das ein bisschen an Schröders ‚Koch und Kellner‘ erinnert, trifft jedenfalls für Hessen so nicht zu.
Bisher haben Sie sich immer ganz zufrieden geäussert über die Zusammenarbeit von Schwarz und Grün. So ist es auch. Das hat auch viel damit zu tun, dass nicht die eine Seite sagt: Wir sind aber viel größer und Ihr müsst Euch unterordnen. Sondern wir begegnen uns gleichberechtigt. So entsteht Vertrauen und das macht Kompromisse möglich oder sogar – das ist das Beste, was passieren kann – eine innovative Weiterentwicklung über das hinaus, was beide Parteien in ihren Programm haben.
Sie werden jetzt Landesbevollmächtigter für Integration und Antidiskriminierung in Hessen. Grünen-Chef wollen Sie bleiben, aber Sie werden nicht länger Mitglied des Landtags sein. Was reizt Sie an dem neuen Job? Erstmal bin ich ein neugieriger Mensch und freue mich auf die neue Herausforderung. Besonders spannend ist natürlich, Politik umzusetzen und dafür zu sorgen, dass das, was wir im Koalitionsvertrag gerade in diesen Bereichen an grüner Handschrift festgelegt haben, Wirklichkeit wird. Das weitet den Blick auf eine neue, zusätzliche Perspektive.
Welche Schwerpunkte im LGBTI-Bereich wollen Sie setzen? Wir haben mit den verschiedenen Trägern in Hessen einen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt erarbeitet, der vor den Sommerferien vorgestellt wurde. Den gilt es jetzt mit Leben zu erfüllen. Wir werden die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle, die wir mit dem grünen Regierungseintritt geschaffen haben, weiter stärken. Im neuen Doppelhaushalt sind endlich strukturelle Fördermittel für LGBTI vorgesehen. Bisher haben wir Projekte gefördert, jetzt geht es darum, zusätzlich eine Netzwerkstruktur zu schaffen. 200.000 Euro für 2018 und 300.000 für 2019 – also richtig viel Geld, das da in die Hand genommen wird. Und was mir persönlich wichtig ist: Wir werden noch in diesem Jahr endlich auch die Dokumentation und Ausstellung über die Schicksale der Opfer des § 175 vorstellen, die das Schwule Museum* Berlin erstellt hat. Da geht es um die Männer, die strafverfolgt waren, und explizit auch um die Unterdrückung lesbischer Frauen nach 1945 – das ist auch ein spezifischer Blick, weil er über die Aufarbeitung der justiziablen Fälle hinausgeht. Das wird sicher einer der großen Meilensteine, den ich dann setzen darf.
Ich habe keine Angst vor der AfD
Sie haben in Hessen im Moment noch die glückliche Situation, ohne die AfD im Landtag auszukommen. Ende 2018 wird bei Ihnen erst wieder gewählt. Ich bin guter Dinge und kämpfe dafür, dass die AfD bei der hessischen Landtagswahl unter 5 % bleibt. Die Partei tut ja aktuell alles dafür, um klarzumachen, dass sie nicht an Arbeit für die Menschen interessiert sind, sondern nur daran, sich die eigenen Taschen voll zu machen – das kann man an Frau Petry und Herrn Pretzell besichtigen. Ich habe keine Angst vor der AfD, im Gegenteil: Gerade wir GRÜNE werden den Kampf um die offene Gesellschaft umso stärker führen. Wir stehen für Menschlichkeit, für die Akzeptanz von Vielfalt, für Integration wie niemand sonst und diesen Kampf setzen wir fort. Die AfD ist gegen alles, was wir als gesellschaftlichen Fortschritt betrachten, und deshalb sehen sie in uns auch ihren Hauptgegner.
Ab Sonntag gilt in Deutschland das Gesetz zur Ehe für alle. Das Thema war im Bereich der LGBTI-Rechte ein sehr klares und prominentes. Wird es jetzt schwieriger, mit queeren Themen bei den Leuten anzukommen? Es war ein großes Polarisierungsthema, da gebe ich Ihnen Recht, und jetzt ist es abgeräumt. Trotzdem bleiben jede Menge Aufgaben: Die Frage von Diskriminierung in Schulen ist z.B. eine, der wir uns in Hessen mit der Überarbeitung des Lehrplans Sexualerziehung angenommen haben. Oder die Förderung der SCHLAU-Projekte, weil wir dazu beitragen wollen, dass ‚schwule Sau‘ bald kein Schimpfwort auf hessischen Schulhöfen mehr ist. Das hat auch zu Gegenwind aus der rechtsklerikalen Ecke geführt, nichtsdestrotrotz haben sich alle Fraktionen im Landtag zu diesem Lehrplan bekannt. Dass alle demokratischen Kräfte dahinter stehen, das bestärkt mich sehr, was die Situation in Hessen angeht. Und auch auf Bundesebene gibt es noch viel zu tun. Das Transsexuellengesetz finde ich einen zentralen Punkt. Aber auch international sind wir nach wie vor in besonderer Verantwortung für queere Menschen, die in Ländern leben, in denen sie um Leib und Leben fürchten müssen, wil sie sind, wer sie sind.
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